Rezension

Salafismus auf TikTok – Eine journalistische Darstellung

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Die österreichischen Journalisten Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold berichten in "Allahs mächtige Influencer. Wie TikTok-Islamisten unsere Jugend radikalisieren" über ihre Recherchen. Das gut lesbare Buch informiert anhand von Fallbeispielen über das Gemeinte. Es geht mehr um das Aufzeigen von einzelnen Gefahrenpotentialen, weniger um eine tiefergehende Untersuchung.

Schon  lange sind Hinterhofmoscheen nicht mehr der Ort für Radikalisierungen, auch dem Islamismus kommt online hier immer mehr Relevanz zu. Dies gilt auch und gerade für ganz junge Nutzer, besteht für diese doch ein umfangreiches Programm. Das Buch geht von Influencern aus, welche sich insbesondere TikTok bedienen. Darauf machen die beiden österreichischen Journalisten Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold aufmerksam. Ihr gemeinsames Buch ist mit "Allahs mächtige Influencer. Wie TikTok-Islamisten unsere Jugend radikalisieren" überschrieben. Darin gehen die Autoren von folgendem Befund aus: "Für einen Teil der muslimischen Jugendlichen ist der radikale Islam der Online-Salafisten mittlerweile 'Mainstream'" (S. 11). Die Formulierung mag irritieren, ist aber formal und inhaltlich in der Wertung nachvollziehbar. Es geht nicht allgemein um die Gesellschaft und nicht allgemein um die Jugendlichen, sondern eben um muslimische Jugendliche als potentielle Zielgruppe. Und die Anführungszeichen bei "Mainstream" darf man nicht ignorieren.

Beide Autoren haben für das Buch ein gutes Jahr recherchiert, was insbesondere anhand der vielen Fallbeispiele für die zugunsten von Salafisten erfolgenden Wirkungen relevant wird. Die gemeinten Akteure, so eine weitere Deutung, würden so etwas als neue Normalität verkaufen. Diesen Eindruck vermitteln tatsächlich die behandelten Fälle, inwieweit sie aber wirklich auf die muslimisch geprägte Jugend in Österreich übertragen werden können, lässt sich angesichts mangelnden repräsentativen Datenmaterials indessen noch nicht so einfach sagen. Gleichwohl machen die Darstellungen die Fülle entsprechender Politisierungs- und Radikalisierungsmöglichkeiten deutlich. Es geht eben nicht nur um die offen politische Ansprache, auch eher unpolitisch erscheinende Bereiche sind hier relevant. Sie fänden nach Kaltenbrunner und Neuhold insbesondere ein Publikum, das mit "Entwurzelt, gläubig, kriminell" (S. 89) umschrieben werden könnte. Aber nicht nur für dieses würden damit "Identität" und "Lifestyle" für eine "islamistische Welle" (S. 178) geliefert.

Welche Erfahrungen dabei Jugendliche digital machen können, veranschaulicht auch ein von den Autoren durchgeführter "Selbstversuch". Als "Ahmed_7812" wurden sie auf TikTok aktiv und setzten sich entsprechender Wirkung aus. Die jeweilige Agitation mag platt und plump sein, ist aber breit und erfolgreich in der konkreten Wirkung. Worin das Besondere in der neuen Entwicklung besteht, machen Kaltenbrunner und Neuhold auch durch einen Vergleich deutlich. Sie blicken auf die erste Generation, hier von Abul Baraa bis Pierre Vogel, um dann auf die neue Generation, hier von Muslim Interaktiv bis Abdelhamid, zu blicken. "Hip und cool ins Kalifat" (S. 123) lautet etwa ein Kapiteluntertitel, der aber gerade das für Salafisten neue Selbstverständnis veranschaulicht. Es geht auch um "Clan-Bosse" und "Gangster-Prediger" (S. 133), also den Bereich der organisierten Kriminalität in der islamistischen Unterwelt. Existent sind sogar salafistische "Wellness-Influencer" (S. 144), womit auch hier die Vielfalt der Wirkungsmöglichkeiten verdeutlicht wird.

Am Ende der Monographie findet man noch kritische Reflexionen zum gesellschaftlichen Umgang. Dabei wird zunächst bezogen auf unterschiedliche Akteure "das große Versagen" (S. 177ff.) thematisiert. Gleich die ersten Anmerkungen in "Das Versagen linker Politik" sind hier wichtig. Gleiches gilt für "Das Versagen der Intellektuellen und Soziologen" oder "Das Versagen gläubiger Muslime". Und schließlich wird noch ein "12-Punkte-Plan gegen Online-Islamisus" (S. 203ff.) vorgetragen, worin sich auch Forderungen wie die folgenden finden: "TikTok-Verbot bis 14", "Keine Sozialhilfe für Salafisten" oder "Brandmauer gegen Islamismus, errichtet von Muslimen".

Bilanzierend betrachtet hat man es mit einem gut lesbaren Buch zu tun, das anhand von konkreten Beispielen das Gemeinte vermittelt. Manche Ausführungen sind dramatisierend und emotionalisierend gehalten, was aber nicht gegen einen beabsichtigten monographischen "Wachmacher" sprechen muss. Genauere Belege hätte man sich noch gewünscht. Das spricht aber nicht gegen das Buch.

Stefan Kaltenbrunner/Clemens Neuhold, Allahs mächtige Influencer. Wie TikTok-Islamisten unsere Jugend radikalisieren, Wien 2025, edition a, 224 Seiten, 25 Euro

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