Studie

Mensch und Neandertaler: Weniger Unterschiede als Eis- und Braunbär

Unsere Vorfahren zeugten mit anderen Menschenarten gemeinsamen Nachwuchs. Dass dabei fortpflanzungsfähige Nachkommen entstanden, ist der Tatsache zu verdanken, dass der anatomisch moderne Mensch mit Neandertalern und Denisova-Menschen genetisch enger verwandt war, als es heutige Eis- und Braunbären sind. So das Ergebnis einer aktuellen Studie der Universität Oxford, die die reproduktive Kompatibilität von Säugetieren untersuchte.   

Heute ist der moderne Mensch (Homo sapiens) die einzige existierende Menschenart. Doch bis vor rund 40.000 bis 50.000 Jahren teilte er sich den Lebensraum außerhalb Afrikas noch mit anderen Menschenarten und -Unterarten, den Neandertalern und den Denisova-Menschen. Dass ein Genfluss zwischen unseren Vorfahren – den anatomisch modernen Menschen – und Neandertalern sowie Denisova-Menschen stattgefunden hat, sprich: dass sie miteinander Nachkommen zeugten, ergaben im vergangenen Jahrzehnt Genanalysen. Sie zeigten, dass heute jeder Nicht-Afrikaner durchschnittlich zwei Prozent Neandertaler- und zwei Prozent Denisovaner-DNA in sich trägt.

Dass Angehörige unterschiedlicher Arten miteinander Nachkommen zeugen, die fruchtbar sind, ist im Tierreich nicht selbstverständlich. Bekanntestes Beispiel hierfür ist das Maultier, eine Kreuzung von Pferd und Esel, das selbst keine weiteren Nachkommen zeugen kann. Ob Individuen unterschiedlicher Arten miteinander fruchtbare Nachkommen zeugen können, darüber entscheidet ihre genetische Distanz.

Die genetische Distanz zwischen modernem Menschen, Denisova-Menschen und Neandertaler betrachtete nun eine jüngst von Wissenschaftlern der Universität Oxford veröffentlichte Studie. Sie zeigt, dass die genetischen Unterschiede zwischen dem anatomisch modernen Menschen und seinen ausgestorbenen entfernten Verwandten geringer waren als jene zwischen Tierarten, von denen bekannt ist, dass sie miteinander fruchtbare Nachkommen zeugen können, wie beispielsweise Eis- und Braunbären.

"Unser Bedürfnis, die Welt in streng voneinander getrennte Schubladen einzuteilen, hat dazu geführt, dass wir uns verschiedene Spezies als vollkommen unterschiedliche Einheiten vorstellen", so Professor Greger Larson, Co-Autor der Studie und Direktor des paläogenomischen und bio-archäologischen Forschungsnetzwerks PalaeoBARN an der Universität Oxford. "Die Biologie interessiert sich aber nicht für diese strengen Definitionen und viele verschiedene Spezies – sogar jene, die evolutionär betrachtet weit voneinander entfernt sind – tauschen ihre Gene ständig aus."

Wie genau die genetische Distanz beschaffen sein muss, um fruchtbare Nachfahren zeugen zu können, war lange unklar. Einige Wissenschaftler vermuteten beispielsweise, dass die biologische Kompatibilität von Neandertaler und Mensch nur gerade eben gegeben war. Larsons Studie widmete sich daher ganz grundsätzlich der Möglichkeit, eine Vorhersage der genetischen Kompatibilität von Säugetieren zu schaffen und damit ihrer Fähigkeit, fruchtbaren Nachwuchs zu zeugen.

"Unsere Vorhersagemetrik erlaubt nun eine schnelle und einfache Bestimmung, wie wahrscheinlich es ist, dass zwei unterschiedliche Spezies fruchtbare Nachkommen zeugen. Und die Vergleichsmessung legt nahe, dass es für Menschen, Neandertaler und Denisovaner ein Leichtes war, lebendige und fruchtbare Junge zu produzieren", so Larson.

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