Über die Ordnung Decapoda

Zehnfusskrebse

NEU-BAMBERG. (hpd) Die systematische Zusammengehörigkeit der über 30 000 bislang bekannten Krebstierarten beherrschen wohl nur Spezialisten. Etwa zwei Drittel der Arten stellen die höheren Krebse dar, die wieder in 14 Ordnungen unterteilt sind. Eine dieser Ordnungen, die Zehnfußkrebse, wird hier ausführlich illustriert.

Die Gründe sind offensichtlich: Decapoden (Garnelen und Panzerkrebse) leben hauptsächlich in den Riffbereichen, die von Sporttauchern und Schnorchlern erreicht werden können. Bevor ich auf die beiden Unterordnungen Natantia (Garnelen) und Reptantia (Panzerkrebse) eingehe, zunächst einige allgemeine Anmerkungen zu Krebstieren:

Was Insekten für das Land bedeuten, stellen die Crustaceen für die Unterwasserwelt dar. Krebse oder Krustentiere gehören wie die Insekten zum Stamm der Gliederfüßler (Arthropoden), zu denen auch die Spinnen und Skorpione zählen. Sie sind in vielfältigen Lebensräumen zu finden, vom Ufer bis in die Tiefsee und von den Tropen bis in arktische Gewässer. Mit der Ausnahme von Mullosken (Weichtieren) sind die Krebstiere die unterschiedlichste Gruppe von Meerestieren, was ihre Größe, Körperform, die Farben und ihre Lebensweise betrifft.

Partnergarnele Kemponia kororensis, Foto: © Archiv Debelius
Partnergarnele Kemponia kororensis, Foto: © Archiv Debelius

Als Abfallbeseitiger, Korallengärtner und Hauptnahrung für Wale und andere Hochseebewohner nehmen sie eine wesentliche Position in der Ökologie der Meere ein. Das gilt nicht nur für wohlbekannte Mitglieder wie Hummer, Langusten, Garnelen und Krabben, sondern auch für tausende von mikroskopisch kleinen Krebsen, die riesige Mengen an planktonischen und benthischen Fauna-Bestandteilen darstellen. Krebse sind eine der dominanten Tiergruppen im Korallenriff. Allerdings wird ihr Einfluss auf die Riff-Ökologie ziemlich unterschätzt, weil sie oft von geringer Größe sind und sehr versteckt leben. Der Stamm der Gliederfüßler ist so groß, dass er andere Tierstämme allein an Arten im Verhältnis 3:1 überflügelt. Im Gegensatz dazu sind die Krustentiere untereinander so verschieden, dass man sie oft nicht einmal als solche erkennen mag (Cirripedia). Deshalb ist die Erkenntnis erstaunlich, dass alle Krebstiere eine einheitliche Körperkonstruktion haben, die sie vom Rest der Gliederfüßler unterscheidet.

Charakteristisch für Krebse ist ihr geteilter Körper, wiewohl die einzelnen Teile von dem äußeren Panzer überdeckt sind. Grundsätzlich kann man den Krebskörper in zwei Sektionen aufteilen, die Vorderhälfte Cephalothorax und die Hinterhälfte Abdomen genannt. Ein anderes typisches Merkmal sind die durch Muskeln miteinander verbundenen Bewegungsapparate, die sich in alle Richtungen drehen und bewegen können. Die auffälligsten davon sind die Schreitbeine, die Antennen (zwei Paare im Unterschied zu anderen Gliederfüßlern) und die Greifscheren oder Klauen, wie man sie von Krabben oder Hummern her kennt. Bei den meisten Krebsen wird der Kiemenraum vom Brustpanzer, dem Carapax, überdeckt, der die Kiemen schützt, aber auch die Sauerstoffversorgung durch vorbeiströmendes Frischwasser erheblich erschwert. Dafür haben Krebse eine spezielle "Pumpe" entwickelt, den Scaphognathiden, der wie eine Flosse wedelt und für das Atemwasser in der Kiemenhöhle sorgt. Wie die Wirbeltiere haben Krebse einen sauerstoffbindenden Blutfarbstoff, der das lebenswichtige Element an die Orte des Verbrauchs schafft. Es ist das Hämocyanin, so benannt, weil es in der sauerstoffbeladenen Form hellblau aussieht.

H. Debelius auf UW-Entdeckung in der Südsee, Foto: © Archiv Debelius
H. Debelius auf UW-Entdeckung in der Südsee, Foto: © Archiv Debelius

Das Herz der Krustentiere liegt im Brustpanzer, zum Rücken orientiert, und pumpt das von den Kiemen kommende Blut in zwei Hauptarterien, die die Kopfregion und die Schwanzmuskulatur versorgen. Das Blutkreislaufsystem der Krebse ist offen, das heißt, ein wesentlicher Teil der Blutflüssigkeit fließt nicht in Adern, sondern muss in den Organzwischenräumen seinen Weg zum Herz zurückfinden. Der offene Kreislauf setzt eine unbeschädigte Körperhülle voraus, da das nicht in den Adern fließende Blut bei einer Verletzung des Panzers nach außen gedrückt würde. Für solche Fälle haben die Krebse aber vorgesorgt: Jedes Bein hat eine Sollbruchstelle, die mit einer Scheidewand versehen ist, die in der Mitte eine kleine Öffnung für den Nerv und das Blut aufweist. Bei Verletzung des Beines krümmt der Krebs dieses an der Basis ruckartig durch einen speziellen Muskel und bricht sich damit aktiv das Bein. Dieser Vorgang des Gliedabwerfens wird vom Krebs auch dann eingesetzt, wenn er vom Fressfeind am Bein festgehalten wird.

Höhere Krebse (Klasse Malacostraca) sind getrenntgeschlechtlich und zeigen gelegentlich auffallende äußere Unterschiede, wie zum Beispiel die Ausbildung einer großen Schere bei männlichen Winkerkrabben oder Zwergwuchs bei männlichen Garnelen. Die Entwicklung bei höheren Krebsen verläuft über eine Reihe verschiedener Larvalstadien und Metamorphosen, ähnlich der von Kaulquappen. Die meisten dieser Stadien leben planktonisch Sie nehmen einen gewichtigen Anteil an der Gesamtmasse des Planktons ein. Entsprechend hoch ist die Anzahl der entwicklungsfähigen Eier bei höheren Krebsen.

Wodurch unterscheiden sich die Zehnfußkrebse (Decapoden) von ihren vielfältigen Verwandten? Ähnlich sehen sie sich untereinander nun wirklich nicht, wenn man Garnelen mit Krabben vergleicht oder diese mit Hummern. Das liegt am unterschiedlich gestalteten Vorderkörper (Carapax) des jeweiligen Tieres, der sich gestreckt nach hinten ausdehnt oder erheblich zur Seite verbreitert ist.

Spinnenkrabbe Xenocarcinus tuberculatus auf einer Peitschenkoralle, Foto: © Archiv Debelius
Spinnenkrabbe Xenocarcinus tuberculatus auf einer Peitschenkoralle, Foto: © Archiv Debelius

Das ordnungsspezifische Merkmal dieser Krustentiere ist aber die Tatsache, dass deren Vorderkörper fünf Beinpaare mit zehn Füßen trägt. Jetzt ist der Populärname Zehnfußkrebse schon besser verständlich. Der Laie verzählt sich da manchmal, denn oft ist das erste Beinpaar stärker ausgebildet und in vielen Fällen sogar in eine Schere umgewandelt wie bei den Hummern (Kaisergranat). Die größte bekannte Art von rund zehntausend Zehnfußkrebsen ist die japanische Seespinne Macrocheira kempferi mit einer Spannweite bei gestreckten Beinen von rund drei Metern und einer Panzerlänge von einem halben Meter. Die Mehrzahl alier Decapoden bleibt aber im ‘handlichen’ Format, was den Unterwasser-Fotografen mit seinen Nahbereichslinsen sowie den Meeresaquarianer freut, der nur kleingewachsenen Krustentieren eine angemessene Ersatzheimat bieten kann.

Insbesondere aus tropischen Meeren kommend sind die kleinen Zehnfußkrebse farblich wesentlich attraktiver als ihre großen Verwandten. Faszinierend sind sie auch zum Teil deshalb, weil sich ihre Lebensformen durch Fähigkeiten (z.B. Symbiosen) auszeichnen, die den Begriff des ‘Niederen Tieres’ ad absurdum führen.