KIEL. (hpd) Die Volksinitiative "für einen Gottesbezug in Schleswig-Holsteins Landesverfassung" hat rund 42.000 Unterschriften gesammelt. Damit sind mehr als doppelt so viele Stimmen wie notwendig zusammengekommen. Für den Abgeordnete der Piratenpartei im Kieler Landtag, Patrick Breyer, bleibt Religion trotzdem Privatsache.
"Auch 42.000 Unterschriften ändern nichts daran, dass die meisten Schleswig-Holsteiner gegen eine Gottesanrufung in der Landesverfassung sind. Eine Zweidrittelmehrheit dafür gäbe es im Fall eines Volksentscheids ebenso wenig wie im Landtag. Aus Sicht der Piratenpartei ist das auch gut so" teilte Breyer dem hpd mit.
Für die (im Kieler Landtag vertretene) Piratenpartei ist Religion Privatsache. "In einer staatlichen Verfassung hat die Frage, ob es einen Gott gibt, nichts zu suchen. Die Frage der Existenz eines Gottes lässt sich nicht demokratisch durch Mehrheit entscheiden. Schließlich wollen Gläubige auch nicht, dass bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen die Nichtexistenz eines Gottes in die Verfassung geschrieben wird."
Der Landtag von Schleswig-Holstein hatte am 8. Oktober des vergangenen Jahres eine neue Formulierung für die Präambel der Landesverfassung beschlossen. Darin wird auf einen Gottesbezug verzichtet. Daraufhin gründete sich eine Volksinitiative, zu deren Initiatoren die beiden früheren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) und Björn Engholm (SPD), Vertreter der Nordkirche (ev. Kirche), des Erzbistums (kath. Kirche), der Schura (Islamische Religionsgemeinschaften) sowie des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden gehören.
"Gottesbezug bedeutet", erklärt Patrick Breyer weiter, "dass unsere Landesverfassung 'in Verantwortung vor Gott und den Menschen' gelten soll. Dies setzt aber voraus, dass ein göttliches Wesen existiert, woran viele Menschen in unserem Land nicht glauben. Unsere Verfassung gilt für alle Menschen in diesem Land. Sie soll niemanden von vornherein ausgrenzen. Am Anfang einer Verfassung sollte auf keinen Fall eine Formulierung stehen, die nicht von allen getragen wird."
Selbst der Landesrabbiner Walter Rothschild warnte vor einer noch stärkeren Vermischung von Kirche und Staat, die die Gesellschaft nicht besser macht. In einem TAZ-Interview sagte er: "Nicht, dass Gott nicht wichtig ist, aber es ist naiv zu denken, wenn Gott in einer Verfassung erwähnt werde, werde die Gesellschaft dadurch in irgendeiner Form besser. Im Gegenteil, es kann sogar zu mehr Konflikten führen als bisher."
Nun muss die Landesregierung noch einmal über den Gottesbezug in der neuen Landesverfassung beraten. Wenn der Landtag die am 2. März 2015 gestartete Volksinitiative ablehnt, müssten 80.000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt werden. Beim dann notwendigen Volksentscheid müssten mehr als 1,1 Millionen wahlberechtigte Schleswig-Holsteiner dafür stimmen, dass Gott die Geschicke des Bundesland mitbestimmt.
13 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich hatte schon eine - bisher unbeantwortete - Email (beim hpd als Kommentar eingestellt) an die Initiatoren zur Durchsetzung des Gottesbezug geschickt.
Aber es gibt aus meiner Sicht noch einiges zu bedenken:
Gestern waren wir in Karlsruhe. MSS saß auf einem Podium im Schlossgarten, von scheinbar moderaten Gläubigen umringt, und hielt tapfer die Fahne des Humanismus hoch. Es ging eigentlich um das alte Privileg der Stadt Karlsruhe zur Religionsfreiheit - wobei dem gläubigen Präsidenten des Stadtgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg, Eberhard Stilz, also einem studierten Juristen, nicht aufging - selbst nachdem MSS es ihm geduldig erklärte - dass die von ihm zur Vorlage der Menschenrechte erhobenen Zehn Gebote Moses gerade im ersten und wichtigsten Gebot gegen diese Religionsfreiheit verstößt. ("Du sollst keinen Gott...")
Nun, manche haben eben kein Brett vorm Kopf, sondern eine Bibel.
Aber in das gleiche Horn stieß Solange Rosenberg, die jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Nach der Diskussion, die leider keine ausgiebige Fragerunde des Publikums zuließ, sprach ich Frau Rosenberg dezidiert, aber freundlich an. Dies ist scheinbar ein wenig O.T., doch passt es in das Gesamtbild einer Verquickung von Glaube und Politik - was ja letztlich das einzige Ziel eines Gottesbezugs in der Landesverfassung sein kann.
Ich fragte sie, wann sie glaube, dass sich die Brit Shalom flächendeckend in Deutschland als rabbinisch entwickelter symbolischer Ersatz für die blutige Beschneidung durchsetzen wird. Sie meinte zunächst, sie sei keine Hellseherin, doch im Laufe des Gesprächs kristallisierte sich ihre - nicht schwer zu erratende - Position heraus: Sie ist natürlich für die Beschneidung und zu einem kleinen Jungen, der neben uns lauschte, sagte sie: "Die Beschneidung kann dir viel Stress mit deiner Frau später ersparen." Da reflexartig der Verdacht in mir aufkam, dass sie damit auf die verminderte Libido durch Vorhautamputation anspielte, hakte ich nach und fragte sie dezidiert, ob sie Moses Maimonides gelesen habe. Ja, das hatte sie in der Tat und grinste dabei süffisant. Sie wusste, dass das Ziel der Beschneidung die Verringerung der sexuellen Lust ist und das könnte dann - in ihrem Weltbild - viel Stress zwischen Mann und Frau ersparen. Man hätte auch sagen können, sie erspart viel Spaß, Erfüllung oder Befriedigung, aber vielleicht formulierte sie in Anbetracht des jungen Alters unseres Zuhörers ein wenig verklausulierter. Das weitere in freundlichem Ton geführte Gespräch kann ich so zusammenfassen: Sie wünschte uns bei unserem - wie sie meint - aussichtslosen Kampf gegen die nicht medizinisch indizierte Beschneidung viel Glück.
Und hier kommt der Bogen zurück zum Thema: Denn - so ihre Begründung - stünden ja Staat und Gesetzgeber an ihrer Seite! Könnte also - so meine Ableitung - ein Staat, der Gott als einführendes Verfassungselement kennt und achtet, überhaupt gegen Gottesgebote (zumal sie, wie von Herrn Stilz und Frau Rosenberg vorgetragen, sogar "als Fundament bei der Gesetzgebung in demokratischen Ländern dienen" [Solange Rosenberg]) agieren? Könnte man ein Gesetz erlassen (Schutz vor Beschneidung), das diametral einem Gottesgebot widerspricht, wenn Gott als oberster "Dienstherr" über die Verfassung wacht? Wie würden Religionsgemeinschaften darauf reagieren, wenn "vor Gott" Gottes Befehle negiert würden? Hätten sie nicht dann jeden Grund, gegen eine solche "gottlose" Gesetzgebung vorzugehen? Würde dies nicht sogar in der Bevölkerung auf gewisses Verständnis stoßen?
Und was ist mit dem Islam? Dessen gottgewollte, gottbeauftragte Gesetzgebung ist die Scharia. Steht also Gott (der nach wie vor völlig undefiniert als der Gott Abrahams bezeichnet wird (so auch von Eberhard Stilz) und damit auch der Gott der Muslime ist) in der Verfassung, könnte man dann von muslimischer Seite nicht auch fordern, dass nun endlich das Rechtssystem dieses verfassungsgemäßen Gottes eingeführt wird? Zumindest in Form einer Paralleljustiz, die mit Friedensrichtern innermuslimische Streitigkeiten regeln?
Oder was ist mit Extremchristen, wie den Zwölf Stämmen? Warum nimmt man ihnen die Kinder weg, wo sie sie doch nur nach den dezidiert in der Bibel beschriebenen Maßnahmen ihre Kinder erziehen? Wir sollen doch in Furcht vor Gott erzogen werden. Das steht in vielen Landesverfassungen. Wäre also ein Verbot der religiös motivierten Prügelstrafe nicht ein Verstoß gegen diese Landesverfassungen? Haben die menschengemachten Gesetze überhaupt Bestand vor der allumfassenden Regelung des Zusammenlebens durch Gott, den HErrn?
Natürlich kenne ich die beschwichtigenden Argumente der Politiker. Doch eines bekommen sie nicht vom Tisch: Falls der Gottesbezug letztlich irrelevant sei - weil er keine Auswirkung auf die Gesetzgebung haben soll - dann kann man ihn auch komplett streichen. Andernfalls könnte dies Gläubige auf ganz dumme Gedanken bringen...
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Sie haben ja eingangs Ihres Kommentars eindringlich genug beschrieben, wie die Verquickung von Staat und Kirche die Gläubigen auf ganz dumme Gedanken bringt...
Demokratische Verfassung und Gottesbezug schließen sich aus. Den Gläubigen will doch keiner ihren Glauben wegnehmen oder verbieten, auch die Kirchen sollen nicht eingerissen werden... habe jedenfalls noch keinen Humanisten erlebt, der das in Erwägung gezogen hätte. Im umgekehrten Fall ist der Drang, alle Welt mit religiösen Hirngespinsten (wie Gott in der Verfassung) zu drangsalieren.
Gerd Müller am Permanenter Link
Für mich Bayern am Starnberger See gibt's seit meinem Kirchenaustritt vor rund 55 Jahren nur einen Gott, und das ist Bacchus, mit dem ich öfter innige Zwiesprache halte bei guten Flaschen Rouge, Prost Gemeinde, a
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Gratulation zu einem so konsequenten Monotheismus.
Klarsicht am Permanenter Link
Ein Demokrat hat sich ausschließlich den Menschen und deren außermenschlichen Mitgeschöpfen gegenüber in der Verantwortung und Pflicht zu sehen und zu fühlen.
In einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft steht der Mensch gegenüber keinem imaginären Monokraten mit kontrademokratischer Gesinnung in der Verantwortung ! Monokraten gegenüber, wie zu Zeiten des Absolutismus und der Feudalherrschaft und wie zu Zeiten der Diktatoren des 20. Jahrhunderts (z. B. Hitler, Stalin, Franco, Mussolini usw.), sollte sich der Mensch niemals mehr verpflichtet sehen, was auch gegenüber theistischen Monokraten und deren angeblichen Stellvertretern auf Erden (Gott, Jesus, Allah, Papst usw.) gelten sollte.
Es grüßt
Klarsicht
Wolfgang am Permanenter Link
Ein Land, das einen Gott in seiner Verfassung haben muss, ist in keiner guten Verfassung.
Stefan Wagner am Permanenter Link
Ein grafischer Kommentar: https://demystifikation.wordpress.com/2015/07/16/gottesbezug-in-die-verfassung/
der osz am Permanenter Link
42.000 erwachsene Menschen und ich habe schon mit Kindern gesprochen, die geistig weiterentwickelt waren als vermutlich jeder einzelne von den 42.000 Erwachsenen mit einem gefestigten Glauben an fürchterlichen und unb
Religion und Glauben gehören in den Geschichtsunterricht. Sie sind historisch durchaus interessant, aber auch nicht mehr. Was hat die Religion beispielsweise in den letzten 1000 Jahren für das Leben auf diesem Planeten getan, außer große Reden zu schwingen, deren Inhalt schon längst bekannt war? Und was haben im Gegensatz dazu die Wissenschaft, die Freidenker und die Kunst im selben Zeitraum für das Leben auf diesem Planeten getan?
Wenn ich schon diese Sätze im Radio/Fernsehen höre: "Der Papst hat in seiner Rede zu mehr Frieden und weniger Kriegen aufgerufen" – nicht wortwörtlich, aber sinngemäß –, dann frage ich mich jedes Mal: "Ja, wie oft denn noch?" Und: "Was weißt du noch was ich schon längst weiß?"
Elisabeth Erschfeld am Permanenter Link
ich versteehe nicht so ganz, warum die Menschen so eine Abscheu gegen Gott entwickeln, wenn es den doch nicht gibt.
Odeer geht es um die , welche doch an Gott glauben?
JM am Permanenter Link
Haben Sie den obigen Artikel und die Kommentare gelesen? Falls ja, verstehe ich Ihre Frage nicht.
Itna am Permanenter Link
Wenn sie diesen biblischen Gott meinen, verstehe ICH nicht, wie ein empathisch empfindender Mensch KEINE Abscheu gegen dieses Scheusal entwickeln kann!
Itna am Permanenter Link
Auch in Büchern oder Filmen entwickelt man ja eine gewisse Abscheu gegen verschiedene Charaktere, auch wenn es die real nicht gibt.
Caliban am Permanenter Link
Es hat nach 780 schließlich ein paar hundert Jahre gedauert, bis auch den Menschen an der Küste das Christentum vollständig aufgepresst worden war.