Vor den Wahlen in Ghana:

"Hexencamps" beschäftigen die Politik

Vor den Parlamentswahlen am 7. Dezember im westafrikanischen Ghana versprechen die antretenden Parteien eine stabile Demokratie, Einsatz für die wirtschaftliche Entwicklung, verbesserte Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz. Neben diesen großen Themen, um die sich die Politik weltweit bemühen muss, stellt sich auch die Frage, wie es mit dem Hexenglauben und den "Hexencamps" weitergeht, in denen der Hexerei beschuldigte Frauen untergebracht sind. Während die Konservativen die Camps renovieren wollen, ist es der Wunsch der Sozialdemokraten, die Camps zu schließen und die Würde der Beschuldigten wiederherzustellen.

Als Ende Juli im nordghanaischen Kafaba die 90-jährige Akua Denteh von mehreren Mitgliedern ihrer Gemeinschaft der Hexerei beschuldigt, auf einen öffentlichen Platz geschleift, geschlagen, gepeitscht und schließlich verbrannt wurde, ging ein Aufschrei durch Ghana. Ein Video der Ermordung ging viral und ließ die Behörden zunächst sieben Beteiligte festnehmen und Ende August noch eine weitere beteiligte Person ausforschen. Eine Kampagne zur Aufklärung über Hexenglauben oder Strafen für die beim Mord Umstehenden, die Akua Denteh jegliche Hilfe verweigert hatten, gab es nicht.

Der nigerianische Menschenrechtsaktivist Leo Igwe und andere fordern breit aufgestellte Aufklärungsarbeit zum Thema Hexerei, menschenwürdige Einrichtungen, die der Hexerei beschuldigten Personen – vor allem älteren Frauen – Schutz bieten und Unterstützung der regionalen Chiefs. Dabei finden sie Unterstützung unter anderem der Ghana Psychological Association (GPA) (Ghanaische Psychologische Gesellschaft), die ein Ende der Hexerei-Anschuldigungen und Aufklärungsarbeit fordert, sowie Menschenrechtsorganisationen, die die Regierung auffordern, der Hexerei Beschuldigte zu unterstützen.

Dass Akua Dentehs Schicksal kein Einzelfall ist, zeigen der weit verbreitete Glauben an Hexerei sowie die Fälle von Mord und Folter an älteren Frauen, denen der Tod von Angehörigen, Dürren oder ähnliche Katastrophen als Folgen ihrer Hexerei in die Schuhe geschoben werden. Wer der Hexerei beschuldigt wird und nicht vor Gewalt und Mord geflohen ist, wird aus der Gemeinschaft verbannt. Unterkunft findet sich für die vermeintlichen Hexen oft nur noch in Witch Camps ("Hexencamps"). Das sind Lager im nördlichen Ghana, in denen die Frauen zunächst einmal vor Verfolgung sicher sind, jedoch die Versorgung mit Nahrung, Wasser, Strom und Obdach unsicher sind. Einmal dort angekommen, gibt es für die der Hexerei Beschuldigten kaum eine Möglichkeit, sich wieder ein Leben außerhalb aufzubauen. Verbindung zu Familie oder Gemeinschaft gibt es kaum noch. Der Makel, der Hexerei beschuldigt worden zu sein, bleibt.

Da die Hexencamps, die eigentlich schon vor Jahren hätten aufgelöst werden sollen, noch immer existieren und kein Plan für Aufklärungskampagnen zum Hexenwahn und die Wiedereingliederung der Frauen aus den Lagern besteht, sehen sich die Parteien vor der Dezember-Wahl auch mit der Hexen-Frage konfrontiert. Zwei Parteien haben sich mit Beiträgen dazu hervorgetan.

Prof. Naana Jane Opoku-Agyemang, Präsidentschaftskandidatin der sozialdemokratischen Partei National Democratic Congress (NDC) verurteilt die Anschuldigungen und bezieht sich dabei auf zahlreiche Angriffe auf Frauen aus den letzten Jahren. Ihre Partei plant, die Camps zu schließen, um den Frauen ihre Würde in der Mitte der Gesellschaft wiederzugeben. Dies soll in drei Stufen geschehen: Zunächst einmal sollen jüngere Mitglieder von Gemeinschaften keine älteren Personen mehr als Hexen, welche an ihrem Unglück schuld sein sollen, identifizieren können. Wie dieser Schritt zu erreichen sei, erklärt Opoku-Agyemang nicht. Der zweite Schritt solle humanitäre Versorgung derer sein, die noch in die Camps flüchten müssen. Während der dritte Schritt, die Schließung der Camps, das Ziel sei.

Dass es möglich sei, diese Camps zu schließen, ohne die Bewohner*innen der Verfolgung auszusetzen, will die Kandidatin anhand des Beispiels des Gnagi-Hexencamps aufzeigen. In Zusammenarbeit mit traditionellen Autoritäten, dem Besitzer des Camps und bis zu etwa 60 Bewohner*innen sei es gelungen, Lösungen zu finden.

Im Gegensatz dazu möchte Cynthia Maamle Morrison, Ministerin für Gender, Kinder und Soziales der konservativen New Patriotic Party (NPP), die Hexencamps zwar renovieren, aber als sicheren Zufluchtsort erhalten. Sie begründet ihre Position damit, dass die Frauen in den Lagern nicht nur vor Angriffen geschützt sind, sondern auch damit, dass viele einfach keine Möglichkeit mehr haben, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Neben einer Renovierung der Lager soll es auch eine neue Gesetzgebung zum Hexenwahn geben. Wie der parlamentarische Sprecher Prof. Mike Oquaye erklärt, soll das Gesetz jede professionelle Form von Hexerei oder Zauberei verbieten. Ebenso verboten sein sollen die Beschuldigungen der Hexerei oder Zauberei sowie die Anstiftung zur Hexerei. Als Vorbild nennt Oquaye andere afrikanische Länder wie Südafrika oder Tansania, die bereits solche Gesetze haben.

Neben Wahlthemen wie Meinungsfreiheit, Infrastruktur, Armut, Umweltzerstörung, Gesundheitssystem, Bildung und Korruption, können Ghanaer*innen am 7. Dezember mit ihrer Stimme auch die Richtung im Umgang mit dem Hexenwahn und den Hexenlagern beeinflussen.

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