Mogelpackung: Homöopathie soll ins bayerische Gesundheitsministerium

Eines muss man der bayerischen Regierung lassen: Timing können sie. Bald beginnt die Nominierungsphase für das "Goldene Brett" 2020. Dann kann wieder jeder und jede Vorschläge einreichen, wer in diesem Jahr den Negativpreis für den "größten pseudowissenschaftlichen Unsinn" des Jahres erhalten soll. Bereits jetzt steht fest, dass es eine harte Konkurrenz geben wird. Wer in diesem Feld die Nase vorn haben will, muss schon Besonderes leisten.

Zum Beispiel, indem man die überholte Heilslehre Homöopathie in einer neuen Abteilung des Gesundheitsministeriums verankert. Dabei wollte man zunächst nur die Naturheilkunde im Gesundheitsministerium haben, zumindest hat dies der bayerische Landtag im Juli 2018 beschlossen. Wohlgemerkt, von Homöopathie war damals noch keine Rede. Obgleich beide in der Umgangssprache häufig verwechselt werden, ist Homöopathie keine Naturheilkunde.

Die Naturheilkunde wendet real vorhandene natürliche Einflüsse wie Luft, Sonne, Wasser, aber auch Pflanzenauszüge oder bestimmte Ernährungsformen an. Deren Wirkung ist vielfach wissenschaftlich belegt, der physiologische Wirkungsprozess in den allermeisten Fällen bekannt. Naturheilkundliche Anwendungen sind seit langem Gegenstand intensiver Forschung, ohne dass es dazu eine neue Gesundheitsministeriums-Abteilung bräuchte. Eine Recherche fördert unzählige Veröffentlichungen zu den evidenzbasierten Teilen dieser Methode zutage (beispielsweise hier oder hier).

Ganz anders die Homöopathie: Wirken soll hier eine "geistige Arzneikraft" auf irgendeine "immaterielle" Weise. Von einem plausiblen Wirkmechanismus keine Spur, ebenso wenig von einem wissenschaftlich belastbaren Wirkungsnachweis. Kurzum: Nix drin, nix dran. Ihren Platz in den Museen der Medizingeschichte hat sie sich redlich verdient.

Dass dennoch viele Menschen in gutem Glauben der Homöopathie vertrauen, beruht wohl nicht zuletzt auf der Verwechslung mit der Naturheilkunde. Ein Irrtum, den Homöopathen gern unwidersprochen stehenlassen. So ist es wohl kaum ein Zufall, dass die CSU-Landtagsfraktion in einer Pressemeldung vom Dezember 2018 die Verbindung des Unvereinbaren aus dem Hut zaubert. Begründung: Die Leute wollen es so. Das liest sich wie folgt:

"Naturheilkunde soll an Bayerischen Universitäten stärker verankert werden. Homöopathie wird bei den Menschen immer beliebter. Das bestätigt auch eine Befragung von TNS Infratest, wonach nahezu jeder dritte Bundesbürger viel von homöopathischen Therapien hält."

Also was denn nun, Naturheilkunde oder Zuckerzauber? Das fragte sich auch das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) und wandte sich in einem Offenen Brief an Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml. Mit Verweis auf die vernichtende Studienlage stellte das INH darin klar, es sei folgerichtig, dass "der Homöopathie keine öffentliche Glaubwürdigkeit und auch kein Platz im öffentlichen Gesundheitswesen mehr eingeräumt wird und ihr an den Hochschulen nur noch einen Platz im medizinhistorischen Teil der Curricula zukommt".

Fast zwei Jahre ist das jetzt her. Die aktuelle Entwicklung sei vor diesem Hintergrund wohl als "vollständiges Ignorieren des damaligen Offenen Briefes" zu verstehen, so Udo Endruscheit vom INH. Dass offenbar in der neuen Abteilung des bayerischen Gesundheitsministeriums wieder beides unter einem Dach vereint werden soll, bezeichnet er als "verwunderlich, aber nicht überraschend".

Es drängt sich der Eindruck auf, dass Bayern auf dem Gebiet der hochverdünnten Schwurbelmedizin weiterhin die Nase vorn haben möchte, wobei es regierungsamtlich nicht sonderlich zu interessieren scheint, dass sich eine der bedeutendsten Bildungseinrichtungen des Landes, die Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), vor kurzem ausdrücklich von der Homöopathie verabschiedet hat. Denn die Konkurrenz im Nachbarland Baden-Württemberg schläft nicht. Dort hatte man im letzten Koalitionsvertrag die Einrichtung eines Lehrstuhls für Naturheilkunde und Integrative Medizin festgeschrieben und 2018 per Kabinettsbeschluss vereinbart.

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