Wer Fake News auf den Leim geht – und weshalb

handy_iphone.jpg

Auf Schlagzeilen mit Falschnachrichten fallen Menschen mit jedem Bildungsstand herein, vor allem wenn die Nachricht zur eigenen Überzeugung passt. Warum das so ist und was gegen den Glauben an Fake News helfen kann, hat ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung untersucht. Die Studie wurde jetzt im renommierten Fachjournal PNAS veröffentlicht.

"Schneeweißchen und Rosenkohl" und "Die Bremer Stadtelefanten"? – Moment, da stimmt doch was nicht! Durch Plakate mit solchen abgewandelten Märchentiteln möchte die Bremer Landeszentrale für politische Bildung für die Gefahr von Desinformation und Fake News zur Bundestagswahl sensibilisieren. Denn leider sind die Produkte echter Trolle und Manipulatoren ungleich schwerer erkennbar.

Aber wer ist überhaupt anfällig für Fehlinformationen in den Sozialen Medien? Welche demographischen und psychologischen Faktoren beeinflussen, ob eine Person eher an Fake News glaubt? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung sind diesen Fragen nun nachgegangen. In seiner Untersuchung wertete das Forschungsteam Rohdaten von 31 Studien aus, die zwischen den Jahren 2000 und 2023 in den USA liefen. Darin hatte man den Versuchspersonen Schlagzeilen von Nachrichten aus Bereichen wie Politik und Gesundheit vorgelegt, die sie als wahr oder falsch identifizieren sollten.

Berücksichtigt wurden 256.337 Entscheidungen von 11.561 Versuchspersonen im Alter zwischen 18 und 88 Jahren. Die Wissenschaftler hätten mit den individuellen Daten aus jeder Studie gearbeitet, erklärt Hauptautor Mubashir Sultan, Doktorand am Forschungsbereich Adaptive Rationalität beim MPI. Auf diese Weise habe man eine erheblich aussagekräftigere Analyse erhalten als bei traditionellen Meta-Analysen, die lediglich Effektstärken aus früheren Arbeiten berücksichtigen würden.

Einige Ergebnisse mögen auf den ersten Blick überraschen: Der Bildungsgrad spielt entgegen einer verbreiteten Ansicht kaum eine Rolle bei der Frage, ob eine Person zum Glauben an Fake News neigt. Zudem waren ältere Menschen besonders gut darin, Fake News in den Schlagzeilen zu erkennen – ein erstaunlicher Befund. Die bisherige Forschung hatte wiederholt gezeigt, dass ältere Erwachsene sich häufiger mit Fehlinformationen befassen und sie auch in den Sozialen Medien teilen. In einer anderen Hinsicht bestätigte die Metaanalyse bereits Bekanntes: So erwiesen sich Republikaner als anfälliger für Fehlinformationen als Demokraten. Jedoch tendieren Menschen generell dazu, Fake News zu glauben, die der eigenen politischen Überzeugung entsprechen.

Eine zwiespältige Rolle für die Fähigkeit, Nachrichten als wahr oder falsch zu erkennen, spielt offenbar die analytische Denkfähigkeit. Wer zum analytischen Denken neigt, tut sich leichter damit, Informationen logisch zu bewerten, Muster zu erkennen und Probleme systematisch zu lösen. Beim Identifizieren von Falschnachrichten lagen diese Personen besonders oft richtig und auch allgemein tendierten sie eher dazu, Nachrichten für falsch zu halten.

Andererseits kann sich analytisches Denken auch gegen die eigene Urteilsfähigkeit richten und das Erkennen von Fake News erschweren. Menschen neigen im Allgemeinen zum Denkfehler der "parteiischen Verzerrung". Das bedeutet, sie lehnen tendenziell diejenigen Nachrichten ab, die nicht mit ihrer politischen Identität übereinstimmten. Stark analytisch denkende Personen sind davon besonders betroffen, denn ihr analytisches Denken arbeitet gegen die eigene Urteilsfähigkeit, um bestehende Überzeugungen, Werte oder politische Zugehörigkeiten vor Infragestellung zu schützen. Dieser Prozess wird auch "motivierte Reflexion" genannt.

Den größten Einfluss hatte laut Meta-Analyse die Vertrautheit mit einer Behauptung. Gaben Teilnehmer an, dass sie eine Schlagzeile schon vorher einmal gesehen hatten, dann hielten sie diese auch eher für wahr.

Die Effekte von Vertrautheit und politische Voreingenommenheit sollten auch bei Interventionen stärker berücksichtigt werden – insbesondere in den Sozialen Medien, wo diese Mechanismen verstärkt wirken, fordert Ralf Kurvers. Er ist Mitautor der Studie und Senior Research Scientist am Forschungsbereich Adaptive Rationalität beim MPI für Bildungsforschung. Die Ergebnisse seien auch angesichts des erstarkenden Rechtsextremismus hochrelevant, so Kurvers weiter. Dazu verweist er auf den "Global Risks Report 2024" des Weltwirtschaftsforums, der Fehlinformationen zu einem der größten Risiken für die Welt in den nächsten zwei Jahren zählt.

Nach Ansicht von Ralf Kurvers unterstreichen die Ergebnisse zudem die dringende Notwendigkeit, Medienkompetenz und kritisches Denken frühzeitig in die Schulcurricula zu integrieren. "Jüngere Erwachsene, die als 'Digital Natives' gelten, waren weniger in der Lage, zwischen wahren und falschen Nachrichten zu unterscheiden", so der Forscher. Er fordert deshalb effektivere und altersgerechte Programme zur Förderung der Medienkompetenz für junge Menschen.

Unterstützen Sie uns bei Steady!