Über ein halbes Jahr nach seiner Vorstellung soll der Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen heute endlich im Parlament diskutiert werden. Anlässlich dessen erinnert die Humanistische Union an ihre Forderungen und ihre inhaltliche Kritik am Vorstoß der Oppositionsparteien.
Seit vielen Jahren erhebt die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union (HU) die Forderung, die Staatsleistungen der Länder (außer Bremen und Hamburg, die keine bezahlen) an die Kirchen zu beenden. Aus Anlass der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs der Oppositionsfraktionen FDP, Grüne und Linke zur Ablösung der Staatsleistungen im Bundestag am heutigen Donnerstag hat die HU erneut darauf hingewiesen, dass die deutsche Verfassung die Ablösung seit mehr als 100 Jahren verlangt und dass Bund und Länder den Verfassungsauftrag ebenso lange ohne sachlichen Grund missachten.
Daher begrüßt die HU im Prinzip den Vorstoß der Oppositionsfraktionen. Allerdings ist nach Auffassung der HU der Vorschlag der Sache nach völlig inakzeptabel. Er sieht vor, dass die Kirchen von den Ländern das 18,6-fache der heutigen Staatsleistungen in Höhe von derzeit rund 570 Millionen Euro jährlich, also 10,6 Milliarden Euro als Entschädigung erhalten.
Zusätzlich sollen die Länder bis zur vollständigen Ablösung der Staatsleistungen, für die sie 20 Jahre Zeit haben, die bisherigen Staatsleistungen weiter zahlen. In dieser Zeit könnten die Kirchen daher noch einmal 20-mal 570 Millionen Euro, also weitere 11,6 Milliarden Euro erhalten. Dabei sind die in diesem Zeitraum zu erwartenden Steigerungen nach Maßgabe der Entwicklung der Beamtenbesoldung noch nicht einmal berücksichtigt. Der Gesetzentwurf verheißt den Kirchen damit mindestens 22 Milliarden Euro als Entschädigung. Dieses Geld soll von allen steuerzahlenden Bürger*innen ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft aufgebracht werden.
Rechtsgrund der Staatsleistungen sind alte Rechtstitel aus der Zeit vor 1919, die – von den Kirchen dem Grunde und der Höhe nach nie nachgewiesen – angeblich aus der Zeit der Reformation und dem Beginn des 19. Jahrhunderts stammen und dem Ausgleich für Enteignungen kirchlichen Vermögens durch den Staat dienen sollen. Selbst wenn diese staatliche Religionsfürsorge bis zur Revolution von 1919, dem Ende der Monarchie und der Trennung von Staat und Kirche ihre Berechtigung gehabt haben sollte, besteht ein solcher Sachgrund nach Auffassung der Humanistischen Union heute nicht mehr.
Die Kirchen sind erkennbar finanziell abgesichert durch die seit 1919 verfassungsmäßig garantierte Besteuerung ihrer Mitglieder. Das Aufkommen aus der Kirchensteuer betrug im vergangenen Jahr 12,7 Milliarden Euro. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche sind reich begütert durch Immobilien- und Finanzvermögen. Vor allem hat die öffentliche Hand durch die über 100 Jahre währende Zahlung von Staatsleistungen den Kirchen inzwischen weit mehr gewährt als jeder anderen Menschengruppe, die materielle Verluste durch Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Revolution, Zerstörung oder Inflation erlitten hat. "Das Grundsätzegesetz über die Ablösung der Staatsleistungen sollte daher unserer Auffassung nach im Kern die Aussage enthalten, dass die Ablösung als erfolgt gilt durch staatliche Zahlung seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung", so Prof. Dr. Kirsten Wiese aus dem Vorstand der Humanistischen Union.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... sollte als erfolgt gelten" - sollte; man beachte den Konjunktiv!
In der "Kirchenrepublik Deutschland" (zit. Carsten Frerk) ist das recht relativ.
Christian Kozla am Permanenter Link
Es läuft seit 2019 die Petition eines ehemaligen evang. Pastors: stop-kirchensubventionen.de
Sorgen wir dafür, dass den Pfaffen die Arroganz vergeht!
Danke.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Nicht nur das, sondern eigentlich müssten die Kirchen gerechterweise aus den Milliarden, welche diese durch Morden, Erpressen, Erbschleicherei, Betrug, Ablasshandel usw.
Joachim Stelling am Permanenter Link
Reichsbürger berufen sich auf alte Rechte, da ist Vorsicht geboten.
Himmelsreichsbürger haben ältere Rechte, da ist Rücksicht geboten.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die Kirchen wurden de facto längst überkompensiert.
Ich bin für einen Gesetzentwurf, der die Kirchen zur Rückzahlung des zu viel bezahlten Geldes auffordert, von mir aus auf 20 Jahre verteilt. Sollten diese Zahlungen wegen Versäumnissen des Staates erfolgt sein, weil der Verfassungsbefehl von keiner Regierung erfüllt wurde, dann sollten in gleicher Höhe die Steuerzahler Staatsanleihen erhalten, als Entschädigung für das ihnen zu viel aus den Taschen gezogenen Steuergeldes. Auch Kirchenmitglieder sind derart zu entschädigen, weil sie ja über die - dem Geiste der WRV nach als Ersatz für Staatsleistungen festgeschriebene - Kirchensteuer (seit 1907 flächendeckend in Deutschland) bereits ihren Mitgliedsbeitrag geleistet haben.
Alternativ könnte die gleiche Summe, die die Kirchen bekommen, auch an die humanistischen Verbände und Stiftungen in Deutschland ausgekehrt werden, da diese auch keinen Anspruch darauf haben...
Martin Franck am Permanenter Link
Genau. Mit der Einführung der reichsweiten Kirchensteuer wurden die Staatsleistungen überflüssig. Es wurde also über hundert Jahre zu viel gezahlt.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Zu viele Theologen, vom Staat auf Allgemeinheitskosten ausgebildet, übertreue Kirchenfans und die riesige Kirchenlobby werden die überfällige Ablösung wieder verhindern und verwässern?
Karin Resnikschek, Tübingen/Ammerbuch, in GBS und HVD
Christian am Permanenter Link
Leider verkennt der Artikel komplett die Rechtslage und blendet wirtschaftliche Realitäten aus. Die Folge: In einer inhaltlichen Diskussion würde so ein Beitrag binnen Minuten zerlegt und nicht ernst genommen werden.
An der Rechtmäßigkeit der Titel bestehen keine Zweifel, nur weil ein Vertrag alt ist, verliert er nicht seine Wirkung.
Die Kirchen sind reich begütert und benötigen die Leistungen daher nicht
--> Mein Vermieter ist reich begütert (besitzt mehrere Häuser) und benötigt die Miete daher gar nicht --> Also kann ich die Mietzahlungen einstellen
Der Staat hat die letzten 100 Jahre den Kirchen sehr viel Staatsleistungen gezahlt.
--> Ich selbst und meine Vorfahren haben die letzten 100 Jahre so viel Miete bezahlt, dass uns das Haus inzwischen 3x gehört. --> Also kann ich die Mietzahlungen einstellen
Die Forderungen sind älter als 1919 und die Nachweise fehlen
--> Mein Vermieter bzw. dessen Vorfahren besitzen das Haus schon seit 1650, er hat die Eigentümerschaft nie nachgewiesen --> Also kann ich die Mietzahlungen einstellen