Islamapologetik im Weser-Kurier

Am 1. November erschien im Weser-Kurier ein kurzes Interview von Justus Randt mit Murat Çelik, dem Vorstandsvorsitzenden der Schura Bremen anlässlich der islamistischen Terrorattentate in Nizza und Paris. Das Interview ist reinste Islamapologetik, bei der Çelik völlig ungehindert und ungeniert seine Botschaft in der wichtigsten Bremer Tageszeitung verkünden darf.

Schura Bremen ist seit 2013 Vertragspartner Bremens, obwohl ein Verein bei ihr Mitglied ist, der laut Bremer Verfassungsschutz Verbindungen zur Hisbollah hat. Dieser Dachverband muslimischer Moscheegemeinden in Bremen setzt sich seit langer Zeit für eine Normalisierung des konservativen Islams in Bremen ein. Die Begriffe "Islamfeindschaft" und "Islamophobie", Kampfbegriffe des iranischen Ajatollah-Regimes, werden auch gerne benutzt, um die eigenen freiheitsfeindlichen Ziele auf politischer Ebene durchzusetzen. Nun bot der Redakteur Justus Randt, der in der Zeitung über alles Mögliche von Verkehr bis Politik schreibt, dem Vorsitzenden dieser Vereinigung eine Bühne im Weser-Kurier.

Eine kritische Einordnung der Schura Bremen findet nicht statt. Stattdessen scheint der Interviewer Çelik relativ wohlgesonnen zu sein, findet er doch, dass Çelik "wichtige Botschaften, die man gar nicht of genug wiederholen kann" verbreitet. Gleich in der ersten Frage spricht Randt auch von einem "blindwütigen Islamismus", gegen den sich Frankreich nach den Attentaten von Nizza und Paris nun zur Wehr setze. Çelik nimmt das dankbar auf. Muslime – es erfolgt keine Einschränkung, also sind "alle" Muslime gemeint – seien "natürlich erschüttert und verurteilen derlei aufs Schärfste. Das Ermorden unschuldiger Menschen steht im absoluten Gegensatz zu den Wertvorstellungen des Islams." Die Vorrede, um den islamistischen Terrorismus vom Islam zu trennen: "Ich hoffe, dass wir irgendwann mal den gesellschaftlichen Reifegrad erreichen, dass auch die nichtmuslimische Gesellschaft begreift, dass Terror keine Religion kennt, und nicht reflexartig erwartet, dass die Muslime sich von solchen Terroranschlägen distanzieren."

Man muss ihm eigentlich schon zu dieser Chuzpe gratulieren. "Terror kennt keine Religion" ist eine Aussage, die praktisch jeden Tag beim Blick in die Tageszeitung widerlegt wird. Vor allem hebt dieses rhetorische Manöver darauf ab, zu behaupten, der heutige Islam sei eine Religion wie jede andere. Doch jede Religion steht in ihrem ganz eigenen Verhältnis zu Gewalt. Gewalt wird in bestimmten Fällen eingehegt, in anderen Fällen wird sie jedoch auch gefordert. Der Islam ist eine Religion, die auf Gewalt und Eroberung fußt. Ein Blick in die Geschichte des Islam zeigt, wie schnell er sich ausgebreitet hat und wie: Durch Gewalt und Terror. Aber laut Çelik sind in erster Linie ohnehin Muslime von diesem Terror bedroht, der gar nichts mit Religion zu tun habe, aber dessen Anhänger einer "Reformbewegung, die die traditionelle islamische Theologie abweist", angehören.

Weser-Kurier am 01.11.2020
Ausschnitt des Artikels des Weser-Kuriers vom 01.11.2020

Wie erklärt sich nun dieser Widerspruch, Terroristen hätten keine Religion, gehörten aber einer "Reformbewegung" innerhalb des Islams an? Çelik benutzt den Begriff "Religion" wahrscheinlich nicht in dem Sinne, in dem wir ihn gemeinhin benutzen. Der im Arabischen für Religion benutzte Begriff "Dīn" bedeutet nämlich vielmehr, es gibt eine Religion, und zwar die eine und einzig Richtige, eben den Islam. Er kennt keine Religion im Plural. So kann Çelik natürlich Religion und Terrorismus voneinander trennen, schließlich gehören die Terroristen einer "Reformbewegung" an. In dem Sinne wäre es tatsächlich schön, wenn wir den "gesellschaftlichen Reifegrad" erlangen würden, wie Çelik es so herablassend gegenüber den deutschen Nicht-Muslimen ausgedrückt hat, uns nicht von solch verdrehter Rhetorik belügen zu lassen. Aber das sind ja "wichtige Botschaften, die man gar nicht of genug wiederholen kann".

Die Schuld für die Radikalisierung der Attentäter schiebt er den sozialen Problemen Frankreichs zu. Besonders die Blitzradikalisierung des Attentäters von Nizza innerhalb von nur drei Stunden Aufenthalt in Frankreich ist schon bemerkenswert. Der Islam ist natürlich nicht das Problem. Denn eigentlich sind wir Nicht-Muslime ja selbst Schuld: Auf die Frage, ob "es eine Debatte über Mohammed-Karikaturen in der islamischen Community" gebe, erwiderte er: "Ja, die gibt es. In zahlreichen muslimischen Ländern ist das Ganze nicht gut angekommen." Aber über seinen eigenen Verein spricht er gar nicht. Warum sollte die Leser einer Bremer Lokalzeitung auch interessieren, wie sich die Bremer Muslime dazu stellen? Aber vielleicht würden uns auch Teile dieser Antworten, wie Thomas de Maizière es einmal ausdrückte, "verunsichern".

Zeichnung vom Autor
Zeichnung des Autors

Weiter im Interview. "Das ist ein reflexartiger Aktionismus. Die Leute, die das rausbringen, die wissen ganz genau, was sie damit erreichen wollen und dass sich der eine oder andere zu gewissen Reaktionen angestachelt fühlt." Schön, dass Çelik "ganz genau" die Motivation derjenigen kennt, die ihr Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit ausüben. Wenn ich oder jemand anderes in den nächsten Tagen von einem Muslim wegen dieses Textes abgeschlachtet werde, bin ich also auch selber Schuld? Nichts anderes bedeutet diese Aussage. Sollte ich den Text deswegen besser gar nicht erst schreiben und veröffentlichen? Naja, immerhin ist es keine Karikatur von Mohammed, nicht wahr?

Aber es geht noch weiter: "Diese Karikaturen, die jetzt veröffentlicht wurden, haben mich teilweise an die antisemitischen Judendarstellungen im Dritten Reich erinnert." Die Muslime sind die neuen Juden. Eine ganz perfide rhetorische Figur im Werkzeugkasten der Islamapologetiker, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Juden verlassen mittlerweile in Heerscharen Frankreich, weil dort die Situation für sie immer unerträglicher wird. Das größte Problem ist dabei der aus den muslimischen Ländern importierte Antisemitismus. Nun besitzt Çelik die Dreistigkeit, die Judenverfolgung im Dritten Reich (!) für sich zu instrumentalisieren.

"Da spielt man ganz bewusst mit den Gefühlen einer Religionsgemeinschaft." Wie können wir sowas aber auch tun. Gefühle von Muslimen sind schließlich wichtiger als unsere Freiheit. "Aus meiner Sicht sind derartige Darstellungen nicht mehr mit der Meinungs- und Pressefreiheit vereinbar, die ein sehr hohes Gut ist." Ein sehr hohes Gut kann die Meinungs- und Pressefreiheit allerdings für ihn nicht sein, wenn er sie derart einschränken möchte. Das Recht auf freie Rede macht den wesentlichen Kern unserer freiheitlichen Grundordnung, unserer offenen Gesellschaft aus. Die Reaktion auf die Karikaturen kann nicht sein, die Meinungsfreiheit noch weiter einzuschränken, sondern dafür zu sorgen, dass sie ohne Einschränkungen gilt. Ein erster Schritt dafür wäre zum Beispiel endlich die Abschaffung von Paragraph 166 StGB, des sogenannten Gotteslästerungsparagraphen.

Fassen wir also zusammen: In einem Interview zu den Terroranschlägen in Nizza und Paris hat Murat Çelik lediglich eine Floskel für die Opfer dieser barbarischen islamistischen Taten übrig. Den Rest des Interviews stellt er die Muslime als die eigentlichen Opfer dar. "Ich bedauere, dass wir als islamische Religionsgemeinschaft zu dem Thema kontaktiert werden." Dafür hat er seine ideologische Botschaft aber sehr souverän verbreitet.

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