Neuseeland stimmt für die Sterbehilfe

Im Zuge der Parlamentswahl am 17. Oktober konnten die Neuseeländer*innen nicht nur die Zusammensetzung ihres 53. Parlaments wählen, sondern auch über Referenden zur Legalisierung von Cannabis und legaler Sterbehilfe abstimmen. Nach Auszählung der meisten Stimmen steht fest, dass sich der Status von Cannabis nicht ändert, aber die begleitete Sterbehilfe im November 2021 legal wird.

Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, die Neuseeländer*innen per Post und aus dem Ausland versendet haben. Jedoch gilt bereits als gesichert, dass die legale Sterbehilfe kommen wird. 65,2 Prozent der bereits ausgezählten Stimmen haben sich für sie ausgesprochen. Das Repräsentantenhaus hatte dem bereits 2015 eingebrachten Gesetzesentwurf in der ersten Anhörung 2017 und der zweiten sowie dritten Anhörung im Jahr 2019 zugestimmt.

Angestoßen hatte den Prozess, eine lange schwelende Debatte in ein neues Gesetz zu gießen, die Juristin Lecretia Seales. Sie erkrankte 2011 an einem Hirntumor, der trotz Operation, Chemotherapie und Bestrahlung nicht verschwand. Ihre gesundheitliche Situation verschlechterte sich und Seales fürchtete unnötiges Leiden und einen Verlust der Selbstbestimmung. So verklagte sie schließlich die neuseeländische Regierung, um Straffreiheit für ihre medizinische Begleitung zu erwirken. Diese sollte im Falle von Sterbehilfe nicht wegen Mordes oder Beihilfe zum Suizid belangt werden können.

Als Seales scheiterte, klagte sie darauf, dass die Kriminalisierung von Sterbehilfe mit dem New Zealand Bill of Rights Act von 1990 nicht vereinbar sei, der Menschen davor schützen solle, des Lebens beraubt, gefoltert oder grausam behandelt zu werden. Auch diese Klage wurde negativ beschieden. Bald nach Zustellung des Urteils starb Lecretia Seales mit nur 42 Jahren.

Jedoch brachte David Seymour, Vorsitzender der Partei ACT New Zealand daraufhin einen Entwurf zur Legalisierung begleiteter Sterbehilfe ein, der nach den drei positiv beschiedenen Anhörungen und einer Stimmmehrheit im Referendum angenommen wurde.

Lecretia Seales Bemühungen zeigten auf, dass die Palliativmedizin nicht in der Lage ist, Leid in allen Fällen zu lindern, dass legale Sterbehilfe Menschen mehr Lebenszeit verschafft, indem sie frühe Suizide von Personen, die fürchten, später nicht mehr körperlich dazu in der Lage zu sein, verhindert, und dass medizinisch nichts gegen begleitete Sterbehilfe spricht.

Einzig die Frage danach, ob verletzliche oder ältere Personen durch die Möglichkeit legaler Sterbehilfe nicht getötet oder zum Suizid gedrängt werden, scheint nicht für alle zufriedenstellend geklärt. Schwer kranke Menschen, Alte und Minderheiten fürchten, als Bürde "entsorgt" oder einfach durch Vernachlässigung getötet zu werden. Um zu verhindern, dass das passiert, hat das Gesetz einige Hürden für diejenigen eingebaut, die legale Sterbehilfe suchen.

Wer sie in Anspruch nehmen möchte, muss die neuseeländische Staatsangehörigkeit haben oder zumindest dauerhaft dort wohnen, das 18. Lebensjahr vollendet haben, an einer Krankheit leiden, die das Leben wahrscheinlich ohnehin binnen sechs Monaten beenden würde und sich im fortgeschrittenen Stadium körperlicher Einschränkung befinden. Auch muss das Leiden so schlimm sein, dass es keine andere Möglichkeit zur Erleichterung für die erkrankte Person gibt. Zudem muss die Person, welche Sterbehilfe beantragt, eine informierte Entscheidung treffen können. Sprich: sie muss Informationen über das begleitete Sterben verstehen, abwägen und die Entscheidung kommunizieren. Ist das gegeben, muss der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin sowie ein*e unabhängige*r Mediziner*in zustimmen.

Matt Vickers, Witwer der Juristin Seales, begrüßte die Entscheidung, welche für seine Frau zu spät kam, jedoch in ihrem Sinne sei.

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