Kulturkampf um Nikolaus und Weihnachtsmann

Seit Jahren wirbt das Bonifatiuswerk aus Paderborn für eine "Weihnachtsmannfreie Zone". Man will damit einen Kulturkampf zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann reaktivieren, den die katholische Kirche bereits seit Jahrzehnten führt.

Noch vor einigen Jahren wurden im Dezember an staatlichen katholischen Bekenntnisschulen in NRW Logos mit einem durchgestrichenen Weihnachtsmann an die Eingangstüren geklebt, was allerdings von den meisten Schülern und Eltern als generelles Weihnachtsverbot missverstanden wurde. Also ist man dazu übergegangen, eine Popularisierung des Nikolaus' in den Vordergrund zu stellen. Schlecht nachgeredet wird dem Weihnachtsmann dabei noch immer und viele Aktivisten sind sich nicht zu schade, ihn als Erfindung der Coca-Cola-Company darzustellen. Das ist schnell widerlegt durch einen Blick in alte Kinderliederbücher: "Morgen kommt der Weihnachtsmann" von Hoffmann von Fallersleben wurde 1835 geschrieben, also 57 Jahre vor der Gründung von Coca-Cola.

Weihnachtsmann vs. Nikolaus
Zwei unterschiedliche Vorlagen mischen sich in der heute verbreiteten weihnachtlichen Figur eines alten Mannes mit weißem Rauschebart und rotem Mantel. Die eine ist der christliche Heilige "Nikolaus von Myra", der im 4. Jahrhundert lebte und dessen Gedenktag am 6. Dezember begangen wird – dem "Nikolaustag". Die andere ist der "Weihnachtsmann", der als Figur selbst bereits unterschiedliche Traditionen und nicht-christliche Vorstellungen diverser Volksglauben in sich vereinigt.  

Der Kampf der katholischen Kirche gegen den Weihnachtsmann ist alt: schon 1951 wurde in Dijon eine Puppe des Weihnachtsmanns von katholischen Kindergruppen aufgeknüpft und verbrannt, da er für eine Paganisierung des Weihnachtsfests verantwortlich gemacht wurde. Nachzulesen ist dieses Ereignis bei dem Sozialanthropologen Claude Lévi-Strauss, der das Phänomen des katholischen Hasses auf den Weihnachtsmann erklärt, indem er die symbolische Figur durchleuchtet. Es handelt sich demnach beim Weihnachtsmann und seinen Geschenken um einen Initiationsritus zwischen Erwachsenen und Kindern beziehungsweise – wie Lévi-Strauss ausführt – auf einer tieferen Ebene zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten: "Indem wir unsere Kinder in dem Glauben lassen, dass ihr Spielzeug aus dem Jenseits kommt, verschaffen wir uns ein Alibi für unsere geheime Regung, die uns in Wirklichkeit verleitet, dieses Spielzeug dem Jenseits zu schenken unter dem Vorwand, es den Kindern zu geben." Beispiele für Figuren mit Weihnachtsmann-Mentalität und seiner Funktion sieht Lévi-Strauss in fast allen vor- und außerchristlichen Religionen und Kulturen. Er vergleicht besonders mit dem Katchina-Ritual der Pueblo-Indianer, bei dem verkleidete Erwachsene ihre Kinder belohnen oder bestrafen. Die Kinder sind dabei die Nicht-Initiierten, nicht dazu Gehörenden, die das Jenseitige symbolisieren, dessen Gunst man sich verschaffen möchte.

Mit diesem Erklärungsmuster braucht es für Weihnachten keinen Gott und keine katholische Kirche. Vielmehr wird der Weihnachtsmann selbst zu einer Gottheit, die aber nur für Kinder existiert und auch nur für sie existieren soll. Schließlich wird das Geheimnis von Erwachsenen gehütet. Da es hier um ihr ureigenes Territorium der Jenseits-Deutung geht, fühlen sich strenge Katholiken wie die Aktivisten des Bonifatiuswerks vom Weihnachtsmann in ihrer Weltsicht bedroht. Wenn sie aber den Nikolaus als großes Vorbild feiern, blenden sie einiges aus: wie erklärt man einem nach Erklärungen der umgebenden Welt suchenden Kind das Kornwunder, nach dem Nikolaus aus einem Kornvorrat genommen hat, ohne dass die Gesamtmenge abgenommen hat? Und wie das Säuglingswunder: Nikolaus wollte als Säugling mittwochs und freitags nur einmal täglich gestillt werden. Dies kann als harmlose Mythenbildung abgetan werden, gefährlich ist aber der Antisemitismus in der Legende, dass Nikolaus einen Juden bekehrt hat, indem er Dieben, die ihn bestohlen haben, im Traum gut zugeredet hat, auf dass sie reuig zurückgaben. Nikolaus taugt also als Vorbild ganz gewiss nicht. Den Weihnachtsmann im Umkehrschluss zu einer Figur der Aufklärung zu machen, wäre sicherlich falsch. Aber zumindest hat er das Potenzial, Menschen verschiedenster Anschauungen an einem Fest teilhaben zu lassen, das viel älter als das Christentum ist, für das die Kirche aber viel zu lange eine Hoheit proklamierte.

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