BERLIN. (hpd) Eine fast geschenkte Apple Watch scheint es wert zu sein, auf den Schutz der eigenen Daten zu verzichten. Das nutzen Krankenkassen schamlos aus.
Zuerst hieß es, dass die AOK Nordost einen Zuschuss in Höhe von 50 Euro alle zwei Jahre geben würde. Die Krankenkasse gab bekannt, dass "dieser Zuschuss […] für sämtliche Geräte gewährt [wird], die Herzfrequenz, Streckenlänge, Höhenmeter, Geschwindigkeit, Kalorienverbrauch usw. dokumentieren, also für Fitnessarmbänder und Smartwatches – auch die Apple Watch."
Vor drei Tagen hieß es auf Nachfrage des Magazins Gründerszene von der mitgliederstärksten gesetzlichen Krankenversicherung Deutschlands, der Techniker Krankenkasse, noch: "Nein, das machen wir nicht." Nur zwei Tage später die Nachricht: die Techniker Krankenkasse zahlt sogar 250 Euro zu beim Kauf einer Apple Watch. Das allerdings ist an Bedingungen geknüpft: Wer diese Zuzahlung haben möchte, muss nachweisen, dass er sich sportlich betätigt, Früherkennungs- oder Vorsorgeuntersuchungen wahrnimmt und mindestens zwei Gesundheitskurse besucht. Insgesamt gibt es 9 Punkte, die der Apple-Watch-Interessent, die in der preiswertesten Ausführung 399 Euro kostet, befolgen (und nachweisen) muss.
Man nennt diese Aktionen der Krankenkassen auch Nudging: Mit Anreizen sollen die Mitglieder durch einen sanften Stups – Englisch: Nudge – zu einem gesünderen Leben angehalten werden.
Es gibt jedoch noch einen Haken an der Sache: Nicht nur, dass es sich bei diesem Geschäft für den Versicherten um ein Verlustgeschäft handeln könnte und er letztlich für die Kurse und Nachweise mehr zahlt, als die knapp 400 Euro; es bleibt vor allem die Frage: welches Recht hat der Versicherte an seinen sehr persönlichen Daten?
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, wies bereits Mitte letzten Monats auf die Gefahren hin: "Allen Anwendern, die Fitness-Apps freiwillig herunterladen, rate ich, nicht unbedacht mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und die kurzfristigen finanziellen Vorteile, welche die Datenoffenbarung vielleicht mit sich bringt, gegen die langfristigen Gefahren abzuwägen".
Denn die Apps, mit denen der Nutzer seine Fitness- und Gesundheitsdaten aufzeichnet, speichert und ggf. verarbeitet, gehören großen Unternehmen. Erst gestern wurde bekannt, dass Adidas das Unternehmen Runtastic für 220 Millionen Euro gekauft hat. Eine ähnliche Zusammenarbeit zwischen Softwareunternehmen und Sportartikelherstellern gibt es auch mit Nike, die ein sogenanntes "Sportkit" im Angebot haben.
Nur: Wer außer der Nutzer selbst, noch an die erfassten Daten herankommt, kann im Moment niemand so genau sagen. Muss erst der Versuch, eine Lebensversicherung abzuschließen, scheitern, weil dem Vertreter bekannt ist, dass die Apple Watch-Daten auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hinweisen?
8 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
So blöd kann doch einer alleine gar nicht sein, sich auf so etwas einzulassen. Zudem scheint mir fraglich, ob das Ganze nicht eher als Veruntreuung von Kassenmitgliedsbeiträgen einzustufen ist.
Es gibt schon lange gesundheitsökonomische Untersuchungen, aus denen folgt, dass es auch für die Kassen besser ist, sich auf ihr Kerngeschäft, die reine Gesundheitsversorgung, zu konzentrieren (bezog sich damals auf die umfangreiche Förderung von Fitnesskursen und dergl. durch die Barmer). Ins Rollen gekommen sind diese Entwicklungen durch die unsägliche Einführung von "Wettbewerb" zwischen den gesetzlichen Krankenkassen durch Ulla Schmidts x-te Gesundheitsreform.
Welche Prognosen die Kassenschlaumeier zu diesen Aktionen aufgestellt haben, würde mich sehr interessieren... Schließlich sind die erhobenen Daten ja, wie der Artikel schon verdeutlicht, Gold wert... Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Dirk N. am Permanenter Link
Die Ulla hat mit der Einführung des Wettbewerbs in der GKV ausnahmsweise mal nicht so viel zu tun. Der beruht nämlich auf dem Lahnstein-Kompromiss von 1994 und trat zum 01.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
>>Ins Rollen gekommen sind diese Entwicklungen durch die unsägliche Einführung von "Wettbewerb" zwischen den gesetzlichen Krankenkassen <<
Korrekt. Andererseits frage ich mich wieso die Betriebskrankenkassen, nachdem diese geöffnet wurden für Mitglieder jenseits der entsprechenden Betriebe, noch eine Existenzberechtigung habe?
Schliesslich wurden Sie als Ausnahme zur Versicherung bei der AOK eingeführt um die Solidargemeinschart zwischen Mitarbeitern eines Betriebs zu ermöglichen. Da dies nicht mehr der Fall ist, sollten sie konsequenterweise in der AOK aufgehen und nicht weiter existieren.
Da die Leistungen der Krankenkassen nicht diese entscheiden, sondern durch das SGB geregelt sind - ist also unter demokratischer Kontrolle stehen - wäre es auch kein Nachteil einen Monopolisten AOK wiederherzustellen und so den absurden Wettbewerb mit fragwürdigen Prämien zu beenden.
Rico am Permanenter Link
Natürlich ist die Speicherung solcher Daten, die das potentielle Risiko der gesundheitlichen Überwachung der Versicherten birgt, fragwürdig und sollte zu diesem Zwecke nicht genutzt werden.
Bei all dem Misstrauen gegenüber solchen Technologien, sollten man als humanistisch-wissenschaftlich orientierter Mensch auch ein Auge auf das positive Potential solcher Neuerungen haben und nicht ausschließlich kritisieren.
Mfg R.
Paula Ina am Permanenter Link
"dass die Apple Watch-Daten auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko hinweisen"
Wie das? Warum sollte das der Fall sein?
Und gibt es eigentlich die Möglichkeit solche Apps so zu entwickeln, dass nur der Nutzer auf seine 'Sport-Daten' zurückgreifen kann? Sicherlich oder? Gibt es Hersteller die so etwas machen?
Ich muss sagen - ich bin selbst Mitte Zwanzig aber könnte echt einen Kurs zum Thema Datenschutz und Internet gebrauchen... :)
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Ja, es wäre technisch denkbar ein Smartphone oder ähnliches zu bauen das nicht von Haus aus den Nutzer ausspäht.
Da alle US Hersteller Backdoors für die NSA einbauen müssen, und die NSA nicht nur um Sicherheit besorgt ist, sondern auch Wirtschaftsspionage betreibt, ist fraglich wem die Daten mittelbar zugänglich werden.
In der EU bzw. Deutschland haben wir die strengsten Datenschutzstandards weltweit. Aber mit Siemens und Nokia haben wir alle Mobiltelefon und Smartphonehersteller verloren. Ein Gerät, das diese hohen Standards einhalten muss gibt es damit de facto nicht mehr. Selbst wenn Nokia nächstes Jahr wieder Smartphones herstellen wird, verwenden sie vermutlich wie auch zuletzt ein Betriebssystem einsetzen, das sie von außerhalb der EU zukaufen.
Gern würde ich Smartphones und ähnliche Geräte von einem Hersteller aus Deutschland oder der EU erwerben bei dem die Hardware und das Betriebssystem entwickelt werden, und der zumindest rechtlich belangt werden kann wenn er unerlaubt ausspäht.
A propos unerlaubt - meistens ist das Ausspähen von den ausgespähten je explizit erlaubt worden. Gegen die Dummheit der Menschen jedweden Geschäftsbedingungen zuzustimmen, die jedwede Verwendung von Daten erlaubt hilft das natürlich auch nicht. --- Der einzig praktikable Rat ist also bei kostenlosen Angeboten auch mal nein zu sagen und zu verzichten. Ob es die Smartphone Taschenlampen App ist die auf das Adressbuch zugreifen will, oder kostenloser Onlinespeicherplatz bei dem sich der Anbieter Verwertungsrechte an den dort gespeicherten Daten einräumen läßt. Man bezahlt immer, wenn nicht mit Geld, dann indem man sich selbst zu Ware macht mit deren Daten Geld verdient werden kann.
Julius Schmitt am Permanenter Link
Aber ehrlich: Wer für ein paar Kröten seine Daten an Konzerne verkauft, dem ist nun wirklich nicht mehr zu helfen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das Problem aller sinnvollen elektronischen Datenübermittlungssystemen ist nicht der vernünftige Gebrauch der Daten, sondern der Missbrauch.
Und da wir an irgendeiner Stelle immer Menschen sitzen haben, denen die Daten quasi durch die Finger laufen, ist Missbrauch (weil menschlich) nicht nur nicht auszuschließen, sondern vorprogrammiert.
Regelmäßig berichten die Medien in folgender Reihenfolge:
1. Hurra, ein neues, ganz sinnvolles und tolles Datenübermittelungssystem wird vorgestellt.
2. Die Öffentlichkeit findet das ganz sinnvoll und toll, auch, weil es einen hohen Spielwert besitzt - oder zumindest einen scheinbaren finanziellen Anreiz.
3. Der Verdacht wird laut, dass der Verkäufer des Systems oder Personen/Institutionen im Übermittlungsweg die Daten missbrauchen könnten.
4. Hacker schalten sich ein, der Verdacht wird zur Gewissheit und nun werden eilig Gesetze gestrickt, um dem wenigstens Einhalt zu gebieten (oft genug den Hackern und nicht den Urhebern).
5. Politik und Justiz kapitulieren, der Bürger lacht und freut sich, weil er das Problem gar nicht checkt, und irgendwelche Firmen verdienen sich mit unseren Daten dumm und dämlich.
6. Bürger erleiden persönliche Nachteile, weil ihre Daten frei verfügbar sind - Das Netz vergisst nichts...
Ich denke, damit müssen wir uns arrangieren. Auch Humanisten können den Menschen nicht neu erfinden. Jede weitere Stufe vernetzter Bürger macht uns durchsichtiger und abhängiger - letztlich kontrollierbarer. Eine moderne Religion, diesmal mit einem Gott, der wirklich alles sieht! Optimierungseffekte für den Einzelnen werden durch Mitnahmeeffekte der Konzerne aufgefressen - wie bei heutigen Religionen.
Wir wollen unsere Privatsphäre wieder? Zu spät...