Weihnachten oder der Wunsch nach Licht in der dunklen Jahreszeit

Wir erleben derzeit die kürzesten Tage des Jahres, draußen ist es kalt und unwirtlich. Natürliche menschliche Reaktionen darauf sind Rückzug ins Warme und die künstliche Erzeugung von Licht. Grundbedürfnisse, die ins religiös-rituelle umgedeutet und somit überprägt wurden. Was feiern konfessionsfreie Menschen um diese Zeit? Sollen oder dürfen sie überhaupt "Weihnachten" feiern, obwohl sie sich zu keiner offiziellen Religion bekennen? Sollten sie es anders nennen? Eine Reflexion.

Der aktuelle Papst Franziskus wird mit den Worten zitiert: "Ohne Jesus gibt es kein Weihnachten; es gibt ein anderes Fest, aber kein Weihnachten." Ein anderes Fest also. Immerhin. Doch was feiern dann die Menschen in Deutschland, wo sich bald mehr als die Hälfte der Menschen weder dem katholischen noch dem evangelischen Glauben formal zugehörig fühlen?

Was jedenfalls allen Bewohnern der nördlichen – und auch der südlichen – Hemisphäre bekannt sein dürfte: Die Wehmut, wenn die Tage immer kürzer werden, wenn das leichte sommerliche Lebensgefühl dem Herbstblues weicht, wenn die Pracht der Vegetation vergeht und das Wetter kalt, ungemütlich und grau wird – das schlägt (manchen) aufs Gemüt. Einen vorläufigen Tiefpunkt erfährt man als Mitteleuropäer am letzten Oktoberwochenende, wenn nach der Zeitumstellung die Dämmerung schlagartig gleich eine ganze Stunde früher einsetzt. Auch wenn es der ein oder andere sonnige Tag vorher noch gelegentlich verdrängbar machte, jetzt ist klar: Der Winter kommt.

Richtung Dezember wird es dann immer spürbar früher dunkel – täglich spürbar. In der ersten Monatshälfte geht die Sonne so früh unter wie im ganzen Jahr nicht, die spätesten Sonnenaufgänge folgen in den letzten Tagen des Jahres. Der rechnerisch kürzeste Tag ist der 21. Dezember. Er hat in Flensburg nur gut sieben und in Garmisch-Partenkirchen knappe achteinhalb Stunden Tageslicht.

Wie begegnet man dem als Mensch, der fühlt, aber nicht glaubt? Ein nachvollziehbares, natürliches Bedürfnis scheint und schien den Menschen zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel zu bringen, durch Kerzen, später auch durch Lichterketten, durch Schmuck, der das trübe Braun-Grün-Grau oder einfarbige Weiß der Landschaft bunter macht. Glühwein zum Aufwärmen, ein (geschmückter) immergrüner Baum, dessen "Blätter" als Tannennadeln der Kälte trotzen, wird als Natursymbol ins Haus geholt und verströmt dort wie draußen seinen Duft in einer sonst auch weitgehend geruchlosen Winterlandschaft. Man "kuschelt sich zusammen" mit nahestehenden Menschen, zieht sich gemeinsam zurück ins behaglich Warme, zeigt einander Wertschätzung durch Geschenke. Wer mag, darf dazu etwas "glauben", erforderlich ist das jedoch nicht – auch wenn viele Mitmenschen, Medien und oft auch die Politik uns Gegenteiliges suggerieren möchten.

Nach dem 21. Dezember werden die Tage wieder länger – "es geht aufwärts"! Ein Grund für Zuversicht, ein Grund zum Feiern! Religionen machten sich dieses Bedürfnis nach Helligkeit zu eigen: Aus dem buchstäblichen Licht-ins-Dunkel-Bringen wurde die Metapher des "Guten", das das "Böse" vertreibt. Auch heute noch gibt es Brauchtümer, die den Winter symbolisch "austreiben". Die Kirche platzierte die Geburt ihres Religionsführers – marketingtechnisch geschickt – genau dort, wo nach dem julianischen Kalender die Wintersonnwende festgelegt war: am 25. Dezember. Um dieses Ereignis mit der damals neuen Religion zu verknüpfen und vorzugeben, dies sei der eigentliche Grund des Feierns, machte sie sich das bestehende "heidnische" Sonnwendfest zu eigen – ein Erfolgsrezept missionierender Glaubensgemeinschaften.

Konfessionsfreie Menschen brauchen sich von diesem Schachzug nicht in die Irre führen lassen. Ja – auch Atheisten, Agnostiker und Menschen, die sich ihren privaten Glauben nicht von institutionalisierten Religionen vorschreiben lassen wollen, dürfen "Weihnachten" feiern, ohne schlechtes Gewissen und ohne umständliche Wortneuschöpfungen. Denn der eigentliche Grund dieses Jahresendfestes ist einer, der alle Menschen vereint – egal welcher Konfession oder Religion sie sich zugehörig fühlen: ein Naturereignis. So stiften wir ein Gemeinschaftsgefühl in der Gesellschaft, statt religiöse Separation zu betreiben. Wer dabei zusätzlich die Geburt eines Gottessohns feiern will, mag das tun, genauso wie diejenigen, die keinen religiösen Grund zum Feiern brauchen. Also: Feiern wir nun das Fest, das der Papst meint, oder ein anderes? Ist das nicht egal? Feiern wir doch einfach! Gemeinsam.

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