(hpd) Die Bibel, die aus dem Alten und dem Neuen Testament besteht, galt und gilt bei vielen Menschen generell als moralischer Leitfaden für ihr Denken und Handeln. Dabei haben die allermeisten von ihnen dieses Buch gar nicht gelesen. Wenn überhaupt kennen sie höchstens einige von ihrem Pastor ausgewählte Textstellen.
Tatsächlich beschreibt speziell das Alte Testament immer wieder einen grausamen Kriegsgott, der ganze Völker vernichten lässt, für den Nächstenliebe ein Fremdwort ist, dessen Moralvorstellungen mit unserer Moral des 21. Jahrhunderts nicht vereinbar sind.
Trotzdem sollen, so sagen vor allem christlich orientierte Politiker gerne, die Gesetze, die das Zusammenleben unserer Gesellschaft erst möglich machen, auf den 10 Geboten des Alten Testaments basieren. Unser demokratisch ausgerichtetes Staatssystem soll so letztlich auf einer gottgewollten Ordnung beruhen. Nun, da den Gott der Christen noch niemand gesehen hat (mit einer Ausnahme, siehe weiter unten) oder wenigstens gehört hat, und dieser nachweislich noch nie irgendetwas Positives für die Menschen getan hat, ist die Bibel die einzige Möglichkeit, ihn näher kennen zu lernen.
Die zehn Plagen
Ein zentraler Punkt im Alten Testament ist der Auszug der Israeliten aus Ägypten (2 Mo 7 – 12). Dabei ist es strittig, ob er überhaupt je stattfand, und wenn ja wann er stattfand und in welcher Form. Hier soll es allein darum gehen, was darüber im Alten Testament steht und was damit von der Katholischen Kirche autorisiert ist.
Die Israeliten waren Sklaven des ägyptischen Pharaos, und Jahwe – der Name des alttestamentlichen Gottes – hatte ihnen das Land der Kanaaniter versprochen. Um sie zu befreien, verfolgte er einen Plan. Zunächst wollte er das Herz des Pharaos verhärten und ihn damit unempfindlich für normale Regungen machen. Dann schickte er dem ägyptischen Volk 10 Plagen, wobei die ersten 9 den Pharao nicht erweichen konnten, weil es Jahwe so wollte, denn er hatte ja das Herz des Pharao verhärtet. Solch ein Plan ist nicht nur hinterhältig, sondern er zeigt auch wie so oft im Alten Testament, dass Friedfertigkeit und Nächstenliebe offenbar keine göttlichen Eigenschaften sind. Denn er brachte unnötiges Leid über viele Menschen, um damit einen einzigen, nämlich besagten Pharao, zu treffen. Jahwe war der eindeutige moralische Verlierer in diesem Spiel.
Um was für Plagen handelte es sich? Da ließ Jahwe zunächst vor den Augen des Pharao – es war eher ein Machtbeweis – einen Stab zu Boden werfen, und siehe da, dieser Stab verwandelte sich zu einer Schlange. Nun, dass solch ein göttliches Wunder im Alten Testament steht, ist eigentlich zu erwarten. Was aber nicht zu erwarten ist, steht im daran anschließenden Text. Denn daraufhin, so steht geschrieben, kamen ägyptische Wahrsager und taten das Gleiche: Aus Stäben wurden Schlangen. Und die Zaubergeschichten gehen weiter. Jahwe verwandelte das Wasser des Nils in Blut, aber der Pharao war auch dadurch nicht zu beeindrucken. Denn seine Wahrsager taten mit Hilfe ihrer Zauberkunst das Gleiche. Allerdings musste vorher, um das beurteilen zu können, der Nil sozusagen wieder blutfrei sein, was der Autor des Berichtes über diese Plage nicht erwähnte. Auch eine Froschplage, die Jahwe als Nächstes schickte, konnten die Wahrsager ebenfalls über Ägypten kommen lassen, wobei man nur die vielen Frösche bei der Frage, wer sie geschickt hat, auseinanderhalten musste. Erst als Jahwe eine Plage von Stechmücken über Ägypten kommen ließ, mussten die Wahrsager passen, denn das gelang ihnen nicht. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann… An dieser Stelle könnte man das Alte Testament ruhig beiseitelegen und ein anderes Märchenbuch zur Hand nehmen.
Für die zehnte Plage kündigte Jahwe an (2 Mo 12,12): In dieser Nacht gehe ich durch Ägypten und erschlage in Ägypten jeden Erstgeborenen bei Mensch und Vieh. Er erschlug den Erstgeborenen des Pharaos genauso wie den Erstgeborenen eines Gefangenen im Kerker oder die Erstgeburt eines Viehs.
Um seine Ziele durchzusetzen, kannte er keinerlei Skrupel, auch vor Massenmord schreckte er nicht zurück. Die Häuser der Israeliten ließ er sie mit dem Blut von Tieren kennzeichnen, damit er nicht einen der ihren erschlagen würde. Daran kann man sehen, dass die Allwissenheit Gottes erst viel später von der Kirche als Dogma eingeführt wurde. Denn noch war er nicht allwissend, sonst hätte er die Häuser nicht kennzeichnen lassen müssen. Er hat die Ägypter nicht nur getötet, er hat sie nach eigener Auskunft brutal erschlagen.
Das galt auch für die Tiere, worüber man nur noch den Kopf schütteln kann. Da dies in einer einzigen Nacht allein nicht zu schaffen war, muss er sich zu diesem Zweck grausamer Engel bedient haben, obwohl Mose davon nichts berichtete.
Wie so oft kann man erkennen, dass das Alte Testament als Leitfaden für ein moralisches Leben nicht taugt, obwohl sehr viele Menschen vom Gegenteil überzeugt sind. Jedenfalls ließ der Pharao nun die Israeliten ziehen, sein Herz war eben bei der zehnten Plage nicht mehr verhärtet, dafür sorgte Jahwe. Und der nahm die 10. Plage zum Anlass, ab jetzt von den Israeliten stets die Erstgeburt, ob bei Mensch oder Vieh, zu fordern, sie sollte ihm gehören. Mose hatte dann diese Worte gegenüber dem israelischen Volk präzisiert (2 Mo 13,12 – 13). Jeder erstgeborene Sohn, nicht eine Tochter, musste ausgelöst werden, wie das geschehen sollte, sagte er aber nicht. Und alle männlichen Erstlinge des Viehs gehörten ebenfalls Jahwe. Was das eigentlich bedeutete, ließ er offen. Jeder Erstling vom Esel sollte durch ein Schaf ausgelöst werden, andernfalls sollte dem Esel das Genick gebrochen werden. Diese Worte hat Jahwe später selbst wiederholt (2 Mo 34,19 – 20), der Autor des Textes hat wohl die zeitliche Reihenfolge der Äußerungen durcheinander gebracht. Immer wieder fällt auf, wie friedfertig das Alte Testament doch ist.
Der Auszug aus Ägypten
Beim Auszug aus Ägypten handelte es sich um 600.000 Männer, die auszogen, hinzu kamen nach der katholischen Bibel noch die Kinder, nach der Lutherbibel noch die Frauen und die Kinder. Die Lutherbibel ist in dem Punkt also fortschrittlicher.
Insgesamt waren es deshalb über 3 Millionen Menschen, die sich auf den Weg machten, fast doppelt so viel wie die heutige Großstadt Hamburg Einwohner zählt. Hinzu kommt, dass der Auszug dieser Menschenmenge 40 Jahre gedauert haben soll. Jedem ist sofort klar, dass dies aus praktischen Gründen unmöglich war, denn die logistischen Anforderungen einer solch riesigen Menschenmenge wären nicht zu bewältigen gewesen. Nimmt man beispielsweise an, dass pro Person täglich nur 1 Liter Trinkwasser verbraucht worden wäre, in Anbetracht der auf der Sinai-Halbinsel herrschenden Temperaturen sicherlich eine viel zu geringe Menge, so kommt man bei 3 Millionen Menschen auf eine insgesamt täglich notwendige Wassermenge von 3.000 Kubikmetern. Und der Wasserverbrauch wäre noch höher gewesen, denn natürlich musste darüber hinaus täglich gekocht werden, und auch die Kleidung musste immer wieder gewaschen werden. Man sieht, dieser beschriebene Auszug aus Ägypten hat die Qualität eines Märchens.
Zum Dank dafür, dass Jahwe sein Volk befreit hatte, ließ er die Israeliten zu seinen Ehren (zum ersten Mal) das Pascha-Fest feiern. Mose und auch dessen Bruder Aaron teilte er seine genau präzisierten Verzehrvorschriften mit, in denen er akribisch festlegte, wie ein Lamm an diesem Festtag gegessen werden sollte. Auch war es Jahwe sehr wichtig, gesäuertes von ungesäuertem Brot zu unterscheiden. Niemand durfte in den 7 Tagen des Festes gesäuertes Brot essen, tat er es doch, so sollte er aus der Gemeinde Israel ausgemerzt werden. Eine angemessene Strafe!
Aber auch das war Gottes Wort, und für die religiösen Juden ist dies heute noch die Begründung dafür, dass sie beim Pascha-Fest eine Woche lang nur ungesäuertes Brot essen. Nicht deswegen, weil es Mose gesagt haben soll, sondern weil es Jahwe gesagt haben soll. Und Jahwe sprach weiter, dass ein Sklave nur dann am Pascha-Fest teilnehmen durfte, wenn er beschnitten war. Er sagte nicht, dass sich ein Mensch nie andere Menschen als Slaven halten durfte, sondern dass ein Sklave beschnitten sein musste, nur dann durfte er mitessen. Demzufolge ist die Sklavenhaltung nach dem Alten Testament göttlich legitimiert. Abgesehen davon, dass kein Theologe durch eine Textinterpretation diesen Sachverhalt wegdiskutieren kann, stellt sich die Frage, wie jemand, der viele Jahre lang ein Sklave war, von heute auf morgen selbst Sklaven haben konnte.
Aber Jahwe war nicht damit zufrieden, dass er die Sklavenzeit der Israeliten beendet hatte, er wollte auch noch den Ägyptern seine Macht beweisen. Da der Pharao kein Interesse zeigte, mit seiner Streitmacht die Israeliten zu verfolgen, sorgte Jahwe dafür, dass er es dennoch tat. Am Schilfmeer angekommen, ließ Jahwe das Meer sich teilen, sodass die Israeliten trockenen Fußes hindurch ziehen konnten. Als dann die Ägypter das Gleiche tun wollten, ließ Jahwe das Meer zurückfluten, und alle Ägypter ertranken. Auf diese Weise zeigte Jahwe den Ägyptern, wie zu lesen ist, seine Herrlichkeit. Eine Herrlichkeit, die dazu führte, dass alle Ägypter grausam sterben mussten. Hätte Jahwe das Herz der Ägypter nicht verhärtet, wie es hieß, wären sie gar nicht auf die Idee gekommen, die Israeliten zu verfolgen. Wieder kann man solch ein Verhalten nur als hinterhältig bezeichnen.
9 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Schöner Bericht zur "Logik" des AT. Die Begründung, warum dies so unlogisch ist, ist für mich die interessantere.
Hans Schulze am Permanenter Link
Uwe Hillebrandt hat einige Anekdoten aus dem Alten Testament berichtet und den Lesern mitgeteilt, dass (manche) Christen die alten Geschichten für bare Münze nehmen.
wird wohl eher nicht aus Christen bestehen, die durch derartige Artikel
"aufgeklärt" oder "bekehrt" werden müssten.
Interessant wäre ein Artikel gewesen, der hinterfragt hätte, was bei den alten Geschichten (zum Beispiel über die "sieben Plagen") tatsächlicher Hintergrund gewesen sein könnte (in der Literatur werden Vulkanausbrüche, Tsunamis, Epidemien usw. genannt) und weshalb diese damals wissenschaftlich nicht erklärbaren Naturvorgänge in der Fassung verarbeitet worden sind, wie sie uns im Alten Testament vorliegen. Gab es für die Alten schon damals andere Erklärungsmuster, die sie hätten verwenden können oder konnte nur das Konstrukt von Göttern Fragen der Menschen nach dem Warum von Naturvorgängen befriedigen? Über welche Entwicklungsstufen konnte es dann zu der angeblich zusammenhängenden Saga über die Plagen und den Auszug der Israeliten aus Ägypten kommen?
Interessant gewesen wäre auch zumindest ein Versuch der Erklärung, warum es der Figur des einzig wahren Gottes bedurfte? War das für die Identitätsstiftung eines Volkes wichtig oder sogar zwingend, oder gab es damals schon Alternativen dazu? Viele interessante Fragen stellen sich uns heute auf dem modernen Wissenstand. Keine davon wird thematisiert
oder beantwortet.
Der hpd sollte Aufklärung und rationale Erklärung liefern und nicht Anekdoten.
Welcher Hund soll heute noch mit einem Vulgäratheismus hinter dem Ofen hervorgelockt werden?
Apropos: der Kommentar von Uwe Hillebrandt zum Artikel über Ahmad Mansour ist einseitig reduziert auf Stellen im Koran, die von Kampf, Vernichtung usw. berichten. Die anderen Stellen fallen schlechterdings unter den Tisch. So kann man die Problematik kaum erfassen geschweige denn einen Beitrag zur Lösung eines höchst aktuellen Problems liefern. A
Uwe Hillebrand am Permanenter Link
Hier geht es schlicht um die Tatsache, dass die christliche Kirche nach wie vor behauptet, die Bibel und damit auch das Alte Testament sei das Wort Gottes.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Und die 9 weiteren wären? Die bzgl. Frauenkleider und Mischgewebe etc? - Mir reichen ja schon die ersten 10, die heute irrelevant bzw. Gemeinplätze sind.
Wolfgang am Permanenter Link
Ein Gott, bestehend aus einer Oblate und einem Schluck Wein ist doch die lächerlichste Erfindung von Menschen, die sich obendrein noch einen Glauben zurecht biegen, wie er ihnen am besten in den eigenen Kram passt.
Was für ein Glaube, was für eine Dummheit. Geboren wurde nicht ein Gott sondern die Scheinheiligkeit.
Uwe Hillebrand am Permanenter Link
Weiterhin wurde kritisiert, dass im Artikel über Ahmad Mansour der Koran durch das Zitieren einiger weniger Suren von mir einseitig dargestellt worden wäre.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nun, die "Heiligen" Schriften sind anekdotisch aufgebaut.
Uwe Hillebrand am Permanenter Link
Wenn Sie, Herr Schulze, ein möglicherweise naturwissenschaftlicher Hintergrund der geschilderten Zauberstücke interessiert, so empfehle ich Ihnen folgendes Buch: Vitus B.
Dr. Richard Bar... am Permanenter Link
Märchen bleiben eben Märchen, ja, es ist der Gehalt der Märchen.
Aber im Ernst: ich habe das Alte Testament nie als eine 1:1-Geschichte empfunden, sondern als eine für einfache Gemüter aufbereitete "Geschichte über (von Menschen) Erdachtes" - also ein Märchen, nie eine Wahrheit.
Tut "man" dem alten Testament nicht zu viel Ehre an, wenn "man" es als einen Report über Geschehenes akzeptiert ? Ehestens ein Gemälde aus einer Art von Erinnerung der Verfasser . . . ., denn ein einziger Verfasser war es ja auch nicht,
meint
Dr. Richard Barabasch