Derzeit drückt die Politik hinsichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen erneut auf die Bremse. Doch jetzt ist nicht die Zeit zum Verzagen, findet Jurist Johann-Albrecht Haupt vom Bündnis altrechtliche Staatsleistungen abschaffen (BASTA), denn hinsichtlich einer möglichen Ablösung der Staatsleistungen hat sich in den vergangenen Jahren weit mehr getan als in den Jahrzehnten zuvor.
In letzter Zeit habe ich immer wieder an Veranstaltungen zum Thema Staatsleistungen und ihrer Ablösung teilgenommen, analog wie digital, in denen sich die Teilnehmer kritisch, überwiegend sachkundig, engagiert, ausdauernd mit dem Thema "Ablösung der Staatsleistungen" auseinandergesetzt haben, am Ende aber frustriert, ratlos und enttäuscht auseinandergegangen sind mit dem Eindruck: es rührt sich nichts, wir können nichts bewegen, wir finden keinen Hebel. Ich will dagegenhalten: die Lage ist keineswegs aussichtslos und besser als die Wahrnehmung.
Positive Entwicklung der öffentlichen Diskussion
Wer vor vielen Jahren die Abschaffung der Staatsleistungen, ihre Ablösung forderte, wurde verständnislos, befremdet, bestenfalls spöttisch oder mitleidig angesehen. Kaum jemand, kirchenangehörig oder nicht, wusste, wovon die Rede war. In der Öffentlichkeit niemand, unter den Politikern und bei den Journalisten ebensowenig. Und das, obwohl die Länder zwischen 1955 (Niedersachsen) und 2009 (Schleswig-Holstein) nicht weniger als 22 Staatskirchenverträge mit der evangelischen und der katholischen Kirche geschlossen haben, in denen es durchweg auch um die Staatsleistungen an die Kirchen ging. Politisch war das kein Thema. Noch 2003 befand die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage, sie sehe – in Übereinstimmung mit den Ländern – keinen Handlungsbedarf (BT-Drucksache 15/1612 S.7). Die Spezial-Juristen des Staatskirchenrechts, überwiegend in den oder für die Kirchen tätig, meinten wie eh und je unisono: alles rechtens, kein Änderungsbedarf. Es gab bundesweit einige wenige Kritiker, übriggeblieben aus der Zeit des vernunftprallen "Kirchenpapiers" der FDP vom Anfang der 1970er Jahre. Ein bemerkenswertes Papier, heute leider – auch in der FDP – so gut wie vergessen.
Die Lage hat sich aber inzwischen deutlich verändert. Mit Blick auf die Skandale innerhalb der Amtskirchen – Misswirtschaft, sexuelle Übergriffe, finanzielle Unregelmäßigkeiten – nahmen die Kirchenaustrittszahlen zu. Laizistische, säkulare Gruppierungen – die es immer schon gegeben hat – sind sichtbar hervorgetreten. Quer durch die Gesellschaft gibt es zunehmend kirchenkritische Meinungen, die sich auch mit der privilegierten Kirchenfinanzierung befassen. Dies wie auch die fortlaufende Veröffentlichung der jährlichen Staatsleistungen durch die Humanistische Union seit 2010 fand in der Presseberichterstattung zunehmend Beachtung. Das Bewusstsein, in Sachen Kirchenfinanzierung laufe etwas schief, hat sich deutlich verstärkt. Die Kirchen, denen das Thema unangenehm war, erklärten öffentlich, sie seien durchaus mit der gebotenen Ablösung der Staatsleistungen einverstanden – natürlich nur bei "angemessener" Entschädigung.
Im Jahr 2012 gab es erstmals einen Gesetzentwurf (der Linken) zur Ablösung der Staatsleistungen im Bundestag, der – natürlich – noch von allen anderen Parteien abgelehnt wurde, mit allerhand absurden Argumenten, für die sich die Redner heute schon teilweise schämen würden. Seitdem ist das Thema wiederholt Gegenstand von Anfragen und Initiativen sowohl im Bundestag wie in den Länderparlamenten gewesen, was in den Jahren von 1949 bis etwa 2000 so gut wie nie der Fall war. Die seriöse Presse und dann auch Radio und Fernsehen nahmen sich der Fragen an, wie die Kirchen sich eigentlich finanzieren, wofür und warum der Staat den Kirchen Geld zukommen lässt und was diese mit dem Geld eigentlich machen.
Im Jahr 2020 haben in einer einzigartigen Aktion die Fraktionen der FDP, der Linken und der Grünen dem Bundestag den gemeinsamen Entwurf eines Ablösungsgrundsätzegesetzes vorgelegt. Das Angebot an die Kirchen war verlockend: 10,5 Milliarden Euro Ablösungsentschädigung plus bis zu 20 Jahre Weiterzahlung steigender Staatsleistungen, was zusätzlich bis zu circa 14 Milliarden Euro gekostet hätte. Der Entwurf wurde von der großen Koalition im Prinzip gelobt und zugleich abgelehnt: die Länder seien nicht ausreichend eingebunden gewesen.
Schon ein Jahr später aber versprach die Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Berlin in ihrem Koalitionsvertrag ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen, allerdings ohne Details zu nennen. Folge war und ist eine beachtliche journalistische Berichterstattung zu dem Thema, zahlreiche Kommentare, zustimmender ebenso wie besorgter und ablehnender Natur. Sogar bei den staatskirchenrechtlichen Juristen (wichtig bei diesem Thema) ist ein Umdenken zu beobachten. Inzwischen haben sie alle nicht nur – zu ihrer Überraschung – gemerkt, dass es sich um einen zwingenden, bis heute nicht erfüllten Verfassungsauftrag handelt; viele nehmen sogar allmählich deutlich Abstand von den kirchlichen Forderungen nach vollständiger Entschädigung für angebliche Verluste und manche halten sogar eine Anrechnung der bisherigen Zahlungen für geboten.
Betrachtet man die geschilderte Geschichte, kann man wohl konstatieren, dass das Thema in erstaunlicher Schnelligkeit in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist. Die Kenntnis der Problematik hat zugenommen, die zahlreichen kritischen Stimmen werden wahrgenommen und bilden heute ein spürbares Gegengewicht zu der allerdings noch immer überwiegenden "amtlichen" Meinung, die in der Politik (alle Parteien, alle Staatsebenen), von den Kirchen und ihren "Experten" vertreten wird. Insgesamt also können diejenigen kritischen Geister, die sich fragen, warum es immer noch Staatsleistungen gibt und immer noch keine Ablösung erfolgt ist, durchaus eine Erfolgsgeschichte besichtigen, die man als Folge der hartnäckigen kritischen Beschäftigung von sachkundigen Gruppen und Menschen mit dem Thema in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten betrachten darf. Also kein Grund zur Verzweiflung. Im Gegenteil: wir haben viel erreicht und dürfen jetzt nicht nachlassen.
Was erfordert die heutige Situation?
Die Regierungskoalition will die Ablösung der Staatsleistungen voranbringen. Es trifft zwar zu, dass die Gefahr besteht, dass ein Ablösegesetz beschlossen wird, welches den Kirchen eine mehr oder weniger gewaltige Ablöseentschädigung beschert oder das die Länder verpflichtet, jeweils eine solche hohe Entschädigung vorzusehen. Richtig ist aber auch: Wenn es jetzt weiterhin nicht zu dem von der Ampelkoalition versprochenen Grundsätzegesetz über die Ablösung kommt, wird das Thema absehbar auf die ganz lange Bank geschoben (so offenbar die Länder derzeit) mit der Folge, dass in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten unverändert weiterhin wachsende Staatsleistungen gezahlt werden und am Ende die Ablöseentschädigung zusätzlich droht. Es liegt also unverändert im Interesse aller Steuerzahler, dass der Bundestag auf jeden Fall schnell, noch in dieser Legislaturperiode, ein Gesetz über die Ablösung der Staatsleistungen auf Bundesebene beschließt.
6 Kommentare
Kommentare
Helge Meves am Permanenter Link
"Wenn es jetzt weiterhin nicht zu dem von der Ampelkoalition versprochenen Grundsätzegesetz über die Ablösung kommt, wird das Thema absehbar auf die ganz lange Bank geschoben (so offenbar die Länder derzeit) mit
Genau hier ist das Problem: In der Koalitionsvereinbarung der Ampel ist vorgesehen, dass „im Dialog mit den Ländern und den Kirchen ein fairer Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ geschaffen wird. Diese Beteiligung ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich und ermöglicht Ländern wie Kirchen, den Aushandlungsprozess zu verlangsamen, wenn nicht zu blockieren. Der Koalitionsvertrag fällt hinter den früheren Gesetzentwurf von FDP, LINKE und Grünen zurück.
E. Steinbrecher am Permanenter Link
Allein der Sinn oder Irrsinn, das wir uns den Luxus von Amtskirchen leisten hat sich mir logisch nie erschlossen. Wer diese Art Vereine braucht, soll auch für deren Unterhalt aufkommen.
Das diese von der Allgemeinheit getragenen Zuwendungen Hypotheken an die nächsten Generationen darstellen, scheint keinen verantwortlichen Politiker zu interessieren.
Und wenn wirklich einmal einer damit Ernst machen sollte? Möglich das dessen Karriere schnell beendet ist.
A.S. am Permanenter Link
Die Ablöse der Staatsleistungen an die Kirchen ist im Interesse der Bürger/Steuerzahler.
Das Problem sind meines Erachtens die viel zu vielen kirchentreuen Parlamentarier und Ministerpräsidenten, denen im Zweifel die Interessen "Ihrer" Kirche wichtiger sind als die Interessen ihrer Bürger.
Ich für meinen Teil wähle keine PolitikerInnen, die der Kirche in den A.... kriechen - soweit das in unserem Parteiensystem geht.
bernd kockrick am Permanenter Link
Die Kirchen haben ihr Vermögen überwiegend durch moralische Erpressung, Drohungen oder gemeinen Betrug (Konstantinsche Schenkung) erworben.
Klaus Bernd am Permanenter Link
In dem anbei verlinkten Kontraste-Beitrag fallen einige Unstimmigkeiten auf, die offenbar nicht auszurotten sind und einseitig die Argumentation der Kirchen widerspiegeln:
2. Es wird immer wieder vorausgesetzt, dass die Grundsatzregelung des Bundes eine genaue Höhe der Ablösung enthalten müsse. Warum, erschließt sich mir nicht. Zumal die Länder mit dem Argument kommen, sie seien nicht genügend eingebunden gewesen. Die Grundsatzregelung könnte ja auch so aussehen, dass es im Großen und Ganzen Sache der Länder ist, bis, sagen wir 2025, die Ablösung zu realisieren, und dass das „Bewertungsgesetz“ nicht anwendbar ist. Punkt. Weitere Staatsleistungen sind als Ratenzahlung einer Ablösesumme gutzuschreiben. Ich möchte das Bundesland sehen, das dann nicht die Belastungen so gering wie möglich zu halten sucht.
3. „Es müsse eine Ablösung erfolgen“ wird immer wieder vorausgesetzt, und auch dass deren Höhe auf jeden Fall die finanziellen Möglichkeiten der Länder übersteigen würde. Eine Ablösung müsste nur erfolgen, wenn die Kirchen noch nicht vollständig für evtl. Vermögensverluste entschädigt worden wären. Da aber eine einigermassen genaue Aufstellung solcher Verluste nicht vorliegt, sind evtl. Ansprüche auch nicht gerechtfertigt. Die 11 Mrd Euro die H. Strasser von der FDP vorschlägt sind also keineswegs angemessen. Das angeführte „Bewertungsgesetz“ kann mangels dieser Aufstellung von Immobilien gar nicht greifen. Sollte man sich notgedrungen auf einen schmutzigen Kompromiss einigen müssen, dann wäre ein eher symbolischer Betrag angemessen, z.B. 1.-€ !!!
4. Besonders frech finde ich den Kommentar von Matthias Kopp, dem Sprecher der DBK, der als Motivation den „gesellschaftlichen Druck“ anführt und nicht den Anspruch an gerechtes und moralisches Handeln, den man von der KK erwarten könnte. Zum anderen führt er an, dass man „irgendwas“, was man bisher mit den Staatsleistungen gemacht habe, fortführen müsse. Zum einen legen die Kirchen gar keine Rechenschaft darüber ab, was sie mit dem Geld machen, trotzdem ist zum anderen ja bekannt, dass damit hauptsächlich die Gehälter von Bischöfen und anderen hochrangigen Kultbeamten bezahlt werden.
5. Sehr befremdlich auch die Aussage von Jörg Mielke, SPD, der einfach die Argumentation der Länder übernimmt, dass die Ablösesumme so hoch sein müsse, dass sie von den Ländern nicht zu stemmen sei.
Das wäre vergleichbar mit einem Kreditnehmer, der weiterhin einen überteuerten Kredit bedient, den er aber evtl. sogar schon längst abbezahlt hat.
6. Geradezu lächerlich die Argumentation von Ministerpräsident Kretschmann, die teilweise von B. Pieroth widerlegt wird. Dass etwas der Weimarer Republik nicht gelungen ist, ist nun wahrlich keine Rechtfertigung dafür, dass es der BRD nicht gelingt. Und er verstrickt sich wieder in den Widerspruch, man könne die Staatsleistungen nicht einsparen, weil man kein Geld dafür habe.
7. Das Angebot einer Ratenzahlung ist insoweit unseriös, dass es ebenfalls von einem Betrag ausgeht, der von den Ländern auf einmal nicht zu stemmen wäre.
Fazit für mich:
1. die fehlende Liste der „enteigneten“ Vermögenswerte wird viel zu wenig betont. Es wäre ja Sache des „Bestohlenen“ diese vorzulegen, und Sache des Leistungserbringers, diese anzufordern.
2. die Inhalte der Grundsätze, die der Bund formulieren soll, werden viel zu konkret verstanden.
3. Auf jeden Fall sollte man festlegen, dass die Staatsleistungen ab sofort als „Ratenzahlung“ einer noch festzulegenden Ablösesumme zu verrechnen sind, und demzufolge gegebenenfalls auch zurückzuzahlen sind (mit Zins und Zinseszins !).
wolfgang am Permanenter Link
Die Kirche hat zwei Hände: eine zum Nehmen und die andere zum Festhalten!