Einseitig, aber nicht falsch

Noam Chomskys Kritik der US-Außenpolitik

BONN. (hpd) Der bekannte Linguist Noam Chomsky, der als vehementer Kritiker der US-Außenpolitik noch berühmter wurde, legt mit "'Weil wir es so sagen'. Texte gegen die amerikanische Weltherrschaft im 21. Jahrhundert" mit Einwänden gegen die Politik seines Landes vor. Die 30 Texte formulieren zwar einseitige, aber nicht falsche Einwände gegen die Doppelstandards in der imperialen Machtpolitik der USA auch unter Obama vor, mehr Differenzierung und Genauigkeit wären dabei aber wünschenswert gewesen.

Noam Chomsky gehört den bekanntesten Intellektuellen und Wissenschaftlern in der Welt. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe: Der frühere Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Tchnology (MIT) in Boston entwickelte einflussreiche sprachwissenschaftliche Theorien. Weit über Fachgrenzen hinweg wurde Chomsky indessen als scharfer Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik bekannt. Der 1928 Geborene hatte die ersten einschlägigen Beiträge in diesem Sinne – auch und gerade mit Anklagen gegen den Opportunismus vieler US-amerikanischer Intellektueller - schon gegen den Vietnam-Krieg veröffentlicht. Seit dem erschien eine Fülle von Artikeln, Aufsätzen und Büchern, die auch die Entwicklung des Kapitalismus oder die Politik des Staates Israel heftig kritisierten. Mit "'Weil wir es so sagen'. Texte gegen die amerikanische Weltherrschaft im 21. Jahrhundert" liegt ein neuer Sammelband mit 30 Kommentaren zu den unterschiedlichsten Aspekten vor, welche zwischen Dezember 2011 und September 2014 erschienen.

Der zunächst etwas irritierend wirkende Titel wird von Chomsky in einem der Beiträge wie folgt erläutert: "Was immer die Welt denken mag, die Handlungen der USA sind gerechtfertigt. Weil wir es so sagen. Dieses Prinzip wurde von dem bedeutenden Staatsmann Dean Acheson im Jahr 1962 verkündet, als er die American Society of International Law darüber belehrte, dass kein rechtliches Problem daraus erwachse, wenn die Vereinigten Staaten auf eine Herausforderung ihrer 'Macht, Stellung und Prestige' reagieren" (S. 142). Die damit einhergehende selbstgefällige Legitimation einer imperialen Politik ist Chomsky ein Dorn im Auge und findet als roter Faden durch alle Texte seine scharfe Kritik. Dabei weist er auch immer wieder auf Manipulationen in der Medienberichterstattung hin. Bereits im ersten Beitrag beklagt er denn auch die Klimapolitik, welche die Obama-Adminstration zunächst ganz anders angehen wollte. Und dann findet auch immer wieder die Politik gegenüber den Ländern in Lateinamerika oder dem Nahen Osten kritische Aufmerksamkeit.

Über deren Ausgangspunkt, nämlich die politische Situation im eigenen Land, heißt es: "Die USA sind noch immer ein Einparteienstaat, in dem die Partei der Unternehmer herrscht. Diese hat aber nur mehr eine Fraktion: die gemäßigten Republikaner, die sich jetzt Neue Demokraten nennen ..." (S. 139). Kurzum, Chomsky leitet die Gründe für die imperiale Machtpolitik der USA aus dem politischen Einfluss der Superreichen ab. Dafür kann er auch immer wieder Beispiele als Belege vortragen. Besondere Aufmerksamkeit findet in den Artikeln häufig Edward Snowden, der für ihn ein Held unserer Zeit ist. In einem Beitrag heißt es: "Man erinnere sich … daran, dass die Verteidigung des Grundrechts der Privatsphäre einer der Auslöser der amerikanischen Revolution gewesen ist." (S. 184). Und weiter heißt es zur Doktrin der Sicherheit und hinsichtlich einer Hinterfragung der staatlichen Politik: "Sicherheit für wen und Verteidigung gegen welche Feinde? Die Enthüllungen von Snowden unterstreichen ... die Antworten auf diese Fragen" (S. 185).

Der Band mit den 30 aktuellen Kommentaren ist ein typischer Chomsky. Er nimmt eine einseitige, aber nicht falsche Position ein. Einseitig ist die Darstellung, weil der Autor das Handeln der USA häufig isoliert sieht und den internationalen Kontext als Bedingungsgeflecht nicht genügend berücksichtigt. Tatsächlich schürt eine verfehlte US-Außenpolitik häufig genug Konflikte in anderen Regionen der Welt. Gleichwohl können nicht alle negativen Entwicklungen auf Einflüsse der USA zurückgeführt werden. Gleiches gilt für Chomskys scharfe Kommentare zum Staat Israel, der bei ihm angesichts der Differenzen unzutreffend nur als Vasall der USA erscheint. Eine Behauptung wie Israel habe sich "der Vernichtung Palästinas verschrieben" (S. 194) ist so nicht zutreffend. Indessen sind viele Kritiken nicht sachlich falsch. Auch macht Chomsky immer wieder auf die interessengeleitete Motivation und die manipulative Legitimation der US-Politik aufmerksam. Mehr Differenzierung und Genauigkeit wären dabei aber auch nicht schlecht gewesen.

Noam Chomsky, "Weil wir es so sagen". Texte gegen die amerikanische Weltherrschaft im 21. Jahrhundert, Wien 2015 (ProMedia-Verlag), 202 S., 17,90 Euro