Die Mitzeichnungsfrist für die Bundestagspetition zur Streichung des Paragrafen 166 StGB ist abgelaufen. Nun liegt es in den Händen der Politik, ob dieser Impuls der Zivilgesellschaft aufgegriffen wird oder nicht. Im hpd-Interview spricht der Initiator der Petition, Michael Schmidt-Salomon, über die Mythen, die der Abschaffung des Paragrafen im Weg stehen, sowie über sinnvolle und weniger sinnvolle Wege, den Gefahren des Antisemitismus entgegenzutreten.
hpd: Mehr als 3.200 Personen haben die aktuelle Petition zur Streichung des "Gotteslästerungsparagrafen" 166 StGB mitgezeichnet. 2015, als du schon einmal eine derartige Petition beim Bundestag eingereicht hattest, waren es über 11.000 Unterzeichner. Hat dich das aktuelle Ergebnis enttäuscht?
Michael Schmidt-Salomon: Nein, das war zu erwarten. Vor neun Jahren, kurz nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo, war das Thema groß in den Medien und die Absurdität des Paragrafen für viele offensichtlich. Immerhin hätten die überlebenden Mitglieder der Charlie Hebdo-Redaktion nach deutschem Recht ja verurteilt werden müssen, da ihre Zeichnungen Islamisten dazu animierten, Terrorakte zu begehen.
Heute ist die Erinnerung an die Solidaritätsbewegung "Je suis Charlie" leider verblasst und damit auch das Bewusstsein dafür, warum der alte Zensurparagraf 166 StGB abgeschafft werden müsste.
Allerdings ist die Zahl der Mitzeichner für den Erfolg einer Petition nicht ausschlaggebend, entscheidend sind vielmehr die Verhältnisse im Bundestag beziehungsweise im Petitionsausschuss. 2015 hätten wir selbst mit 200.000 Mitzeichnern unser Ziel nicht erreicht, da die Befürworter des Paragrafen 166 StGB in der Mehrheit waren. Heute jedoch könnten SPD, FDP, GRÜNE und LINKE die Streichung des Paragrafen durchsetzen, ja: müssten es sogar, wenn sie ihre Parteiprogramme ernst nehmen würden.
Die Giordano-Bruno-Stiftung hat unlängst in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann in einem gemeinsamen Aufsatz mit Finanzminister Christian Lindner die Abschaffung des Paragrafen 166 StGB gefordert hat. In diesem Artikel aus dem Jahr 2015 haben sich die beiden FDP-Politiker sogar explizit auf die Argumente bezogen, die du damals gegen den Paragrafen vorgebracht hast.
Dieser Verweis hat uns auch erstaunt, als wir den Beitrag in der Deutschen Richterzeitung entdeckt haben. Erfreulicherweise ließen Buschmann und Lindner 2015 in ihrem Aufsatz keinen Zweifel daran aufkommen, dass Paragraf 166 StGB gestrichen werden muss. Dabei zeigten sie sehr prägnant die "fatale Anreizwirkung" auf, die von dem Paragrafen ausgeht. Denn Paragraf 166 räumt religiösen Fanatikern die Möglichkeit ein, den Aktionsradius Andersdenkender schon allein dadurch einzuschränken, dass sie bloß androhen, auf Religionskritik mit gewaltsamen Aktionen zu reagieren.
Mit Blick auf das Attentat auf Charlie Hebdo zogen Buschmann und Lindner daraus eine rechtspolitische Konsequenz, die berücksichtigt werden sollte: "Wer die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Presse einschränken will, dem sollten wir mit mehr und nicht mit weniger Freiheit antworten. Wem diese Botschaft wichtig ist, dem steht ein deutliches Symbol zur Verfügung: die Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen 166 StGB."
Warum legt Buschmann denn nun in seiner Funktion als Justizminister nicht einfach einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Paragrafen vor?
Das ist eine interessante Frage. Eigentlich sollte man ja erwarten, dass man das, was man als Oppositionspolitiker vernünftigerweise gefordert hat, auch umsetzt, wenn man Regierungsverantwortung übernommen hat. Aber das ist offenkundig nicht so. Als Buschmanns Ministerium im November 2023 ein Eckpunkte-Papier zur Modernisierung des Strafgesetzbuches vorlegte, fehlte erstaunlicherweise die Streichung von Paragraf 166 StGB, worauf der Arbeitskreis sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) vor einigen Tagen kritisch hingewiesen hat.
Was hindert Bundesjustizminister Marco Buschmann daran, seine alte Forderung in die Tat umzusetzen?
Möglicherweise ist er besorgt, dass dies negative Reaktionen bei den Religionsgemeinschaften hervorrufen würde. Zudem herrschen im politischen Raum, wie wir erfahren haben, seltsame Mythen vor, die für eine Beibehaltung des Paragrafen sprechen sollen. Das wohl wirkmächtigste politische Argument pro Paragraf 166 StGB lautet, dass er angeblich ein Bollwerk gegen antisemitische Propaganda darstellt, aber das ist völlig verfehlt. Denn: Paragraf 166 schützt Antisemiten – er schützt nicht vor Antisemitismus! Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass der jahrhundertealte Judenhass vornehmlich aus religiösen Schriften gespeist wurde.
Es ist tragischerweise so, dass Judenhass für Abermillionen Menschen weltweit zu ihrem religiösen Glaubensbekenntnis dazugehört. Und hier liegt das Problem: Paragraf 166 StGB versucht zu verhindern, dass man diesen religiösen Irrsinn in der notwendigen Schärfe kritisiert. Schließlich könnten sich Islamisten durch diese Kritik ja so beleidigt fühlen, dass es zu einer Störung des öffentlichen Friedens kommt. Tatsächlich ist diese Gefahr auch nicht von der Hand zu weisen, da religiöse Fanatiker es nie gelernt haben, auf Kritik in angemessener Weise zu reagieren.
Das liegt nicht zuletzt an den in der islamischen Welt weitverbreiteten Blasphemie-Gesetzen, die jede Islamkritik im Keim ersticken. Am liebsten würden Islamisten diese Form der Kritik- und Kritikervernichtung auch im säkularen Europa etablieren. Das gelingt ihnen zwar nicht, aber mit Paragraf 166 StGB haben sie zumindest ein Einfallstor gefunden. So sind Islamisten in Hamburg dazu übergegangen, ihre Kritiker mithilfe des deutschen Blasphemie-Paragrafen anzuzeigen. Wer für die Beibehaltung von Paragraf 166 plädiert, sollte sich daher vor Augen führen, dass er sich damit an die Seite der iranischen Mullahs, der Muslimbrüder und der Hamas stellt.
"Das wohl wirkmächtigste politische Argument pro Paragraf 166 StGB lautet, dass er angeblich ein Bollwerk gegen antisemitische Propaganda darstellt, aber das ist völlig verfehlt. Denn: Paragraf 166 schützt Antisemiten – er schützt nicht vor Antisemitismus!"
Besteht nicht auch ein besonderes Problem darin, dass Paragraf 166 StGB zwar das religiöse Bekenntnis des Judentums vor scharfer Kritik schützt, nicht aber jüdische Menschen?
Das ist ein entscheidender Punkt, zumal ja viele "Juden" nicht gläubig im Sinne der jüdischen Religion sind. Viele von ihnen kommen aus Familien, die mitunter schon seit Generationen säkular sind, weshalb die Atheisten- und Agnostiker-Quote unter Jüdinnen und Juden besonders hoch ist. Dies erklärt, warum sich der Hass der Rechtsextremen im 20. Jahrhundert gerade auch gegen religionskritische Juden wie Marx, Freud und Einstein richtete. In der Zeit des Nationalsozialismus galt der Atheismus sogar als Ausdruck einer "jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung".
Freigeistigen jüdischen Intellektuellen bot der Paragraf 166 deshalb zu keiner Zeit Schutz, er stellte vielmehr eine zusätzliche Bedrohung dar. Schon im Kaiserreich wie auch in der Weimarer Republik richteten sich religiös-nationalistische 166er-Kampagnen vornehmlich gegen "jüdische Literaten, die ihr Gift gegen die erhabensten Gestalten der christlichen Religion verspritzen", wie es in einer zeitgenössischen Quelle heißt. Nicht ohne Grund waren es vor allem jüdische Intellektuelle wie Kurt Tucholsky, die sich vehement für die Abschaffung des Straftatbestands der Blasphemie engagierten. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, dass Paragraf 166 StGB ein Bollwerk gegen Antisemitismus sein könne, grotesk. Wer eine solche Haltung vertritt, hat offenbar nur wenig Kenntnis von der Geschichte dieses Zensurparagrafen, der unverhältnismäßig oft gegen jüdische Intellektuelle eingesetzt wurde.
Allerdings hat Paragraf 166 mit der großen Strafrechtsreform Ende der 1960er Jahre eine weltanschaulich neutrale Formulierung erhalten. Bedeutet das nicht, dass die Weltanschauungen säkularer Juden genauso geschützt werden wie die Bekenntnisse religiöser Juden?
Nein, denn trotz des veränderten Wortlauts wird Paragraf 166 in der Praxis nur zur Verteidigung religiöser Weltanschauungen angewendet. Wie wir unter anderem auf der Website der Kampagne "Free Charlie!" dargelegt haben, gab es in der gesamten Geschichte des Paragrafen keine einzige Verurteilung aufgrund der Beleidigung einer säkularen Weltanschauung. Warum nicht? Weil religionsfreie Menschen den öffentlichen Frieden nicht stören, wenn man ihre Anschauungen kritisiert oder karikiert.
Paragraf 166 StGB richtete sich daher stets gegen säkulare Religionskritik, insbesondere, wenn sie Mittel der Satire einsetzte, denn religiöse Fanatiker verstehen in der Regel überhaupt keinen Humor. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil die Satire seit jeher eine wichtige aufklärerische Funktion in der Gesellschaft erfüllt. Und so lässt sich der Freiheitsgrad einer Gesellschaft noch immer daran bemessen, wie groß der Spielraum ihrer Satiriker ist. Interessant dabei: Unter Satirikern sind säkulare Juden überdurchschnittlich stark vertreten – Menschen wie der französische Comiczeichner Georges Wolinski, der bei dem Anschlag auf Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 ums Leben kam.
Wie gesagt: Nach deutschem Recht hätte Wolinski verurteilt werden müssen, wenn er den Anschlag überlebt hätte. Paragraf 166 aufrechtzuerhalten, würde bedeuten, diese Täter-Opfer-Umkehr als rechtmäßig anzuerkennen – ein fataler Akt der Solidaritätsverweigerung gegenüber den jüdischen wie nichtjüdischen Opfern der Pariser Anschläge.
Dennoch könnte es nach einem Wegfall des Paragrafen dazu kommen, dass mehr Karikaturen erscheinen, welche die jüdische Religion satirisch auf die Schippe nehmen, oder?
Ja, aber das sollte eine moderne Offene Gesellschaft durchaus verkraften können. Mehr noch: Mit Blick auf die schrecklichen Vorgänge im Gazastreifen und im Westjordanland sollte man es sogar begrüßen, wenn die religiöse Fiktion des "auserwählten Volkes", das vermeintlich über allen anderen Völkern, insbesondere den Palästinensern, steht, deutlicher kritisiert würde. Denn nicht jede Kritik am jüdischen Fundamentalismus, an der ultraorthodoxen Siedlerbewegung oder an der Politik Netanjahus ist unbegründet und von antisemitischen Vorurteilen geprägt. Auf diesem Gebiet müssten wir sehr viel stärker im Sinne der "Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus" differenzieren.
Klar ist jedenfalls: Wer für die Beibehaltung des Paragrafen 166 StGB plädiert, schützt nicht "die" Juden, sondern setzt sich für eine Strafrechtsnorm ein, die de facto säkulare Juden für weniger schützenswert hält als religiöse Juden. In gewisser Weise positioniert man sich damit gegen die demokratische, antifundamentalistische Protestbewegung in Israel und unterstützt stattdessen den religiös-nationalistischen Wahn der ultraorthodoxen Siedler sowie der Regierung Netanjahu.
Ich halte dies für einen schwerwiegenden Fehler, denn diese rechtspopulistischen, mitunter offen rechtsextrem auftretenden Kräfte in Israel haben im Hinblick auf die eskalierende Gewalt in Nahost ähnlich katastrophale Wirkungen wie die Hamas oder die Hisbollah. Das wird aktuell besonders deutlich an dem brutalen Vorgehen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, allerdings handelt es sich dabei keineswegs um ein neues Phänomen. Ich erinnere nur daran, dass Jitzchak Rabin, der israelische Ministerpräsident, der sich in den 1990er Jahren für die Aussöhnung mit den Palästinensern und die "Zwei-Staaten-Lösung" einsetzte, nicht von einem Muslim ermordet wurde, sondern von einem rechtsradikalen Anhänger der ultraorthodoxen Siedlerbewegung…
"Klar ist jedenfalls: Wer für die Beibehaltung des Paragrafen 166 StGB plädiert, schützt nicht 'die' Juden, sondern setzt sich für eine Strafrechtsnorm ein, die de facto säkulare Juden für weniger schützenswert hält als religiöse Juden."
Kommen wir zurück zur Situation in Deutschland: Du hast in der Begründung deiner Bundestagspetition ausgeführt, dass der Schutz vor strafwürdiger Beschimpfung sowie der Schutz des öffentlichen Friedens auch ohne Paragraf 166 StGB gesichert sind, nämlich durch die Straftatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB), der üblen Nachrede (§ 186 StGB), der Verleumdung (§ 187 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB).
Richtig. Volksverhetzung (§ 130 StGB) wäre auch die einschlägige Strafnorm, mit der man auf juristischem Gebiet gegen Antisemitismus vorgehen kann. Paragraf 166 StGB ist dazu, wie gesagt, völlig ungeeignet, da der Paragraf säkulare Juden überhaupt nicht schützt. Er macht sie unter Umständen sogar zur Zielscheibe staatlicher Angriffe, insbesondere dann, wenn sie auf dem Gebiet der Satire arbeiten.
Offensichtlich scheint dieser Verweis auf den Straftatbestand der Volksverhetzung vielen Leuten nicht zu genügen. Denn erstaunlich viele Diskussionsbeiträge, die man auf der Website des Petitionsausschusses lesen kann, fordern, dass prinzipiell alle Äußerungen unterbleiben sollten, die von religiöser Seite als beleidigend aufgefasst werden könnten. Was meinst du dazu?
Das würde nicht weniger als das Ende der Meinungsfreiheit und der Offenen Gesellschaft bedeuten! Über die vielen freiheitsfeindlichen Diskussionsbeiträge auf der Website des Bundestags habe ich mich auch gewundert. Offenbar ist die Haltung, dass man alles verbieten sollte, was einem selbst nicht gefällt, erschreckend weit verbreitet. Dahinter verbirgt sich ein grundlegendes Unverständnis gegenüber den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates. Denn das Strafrecht ist das "schärfste Schwert des Rechtsstaats", das nur im Notfall eingesetzt werden darf, falls bedrohte Rechtsgüter auf andere Weise nicht geschützt werden können.
Ein Recht auf das Ausbleiben von Kritik an der eigenen Weltanschauung gibt es aber nicht. Im Gegenteil: In pluralen Gesellschaften besteht die zivilisatorische Grundanforderung an die Bürgerinnen und Bürger darin, auch empfindlich abweichende Meinungen ertragen zu können. Diejenigen, die diese Fähigkeit zur Toleranz nicht erworben haben, sollten für dieses Defizit nicht noch belohnt werden, etwa durch besondere Rücksichtnahme auf ihre religiösen Borniertheiten, die man auf diese Weise bloß zementiert. Insofern wäre die Abschaffung des Paragrafen 166 StGB in der Tat ein "unmissverständliches Signal für die Freiheit" – und zwar nicht nur an die Adresse religiöser Fundamentalisten, sondern auch an die Adresse jener "besorgten Bürgerinnen und Bürger", die sich aus "Furcht vor der Freiheit" (Erich Fromm) einen umfassenden Zensur- und Obrigkeitsstaat zurückwünschen.
Die Streichung des Paragrafen könnte daher eine gute Gelegenheit dafür sein, um in der Bevölkerung ein größeres Bewusstsein dafür zu wecken, was den demokratischen Rechtsstaat in seinen Grundfesten auszeichnet und wodurch er sich nicht nur von seinen vordemokratischen Vorgängern, etwa dem deutschen Kaiserreich, unterscheidet, sondern auch von den religiös-nationalistischen Regimen der Gegenwart. Und das scheint mir gegenwärtig besonders wichtig zu sein, denn diese Regime werden das "säkulare Europa" in den kommenden Jahren vermutlich noch stärker unter Druck setzen. Schon allein deshalb sollten wir endlich den Mut aufbringen, die Werte der Aufklärung mit etwas mehr Rückgrat zu verteidigen. Der Abschied von Paragraf 166 StGB wäre dafür ein längst überfälliger Schritt.
Vielen Dank für das Gespräch!
18 Kommentare
Kommentare
malte am Permanenter Link
"Denn nicht jede Kritik am jüdischen Fundamentalismus, an der ultraorthodoxen Siedlerbewegung oder an der Politik Netanjahus ist unbegründet und von antisemitischen Vorurteilen geprägt."
Einverstanden. Das wäre aber entschieden glaubwürdiger, wenn der Urheber dieser Zeilen nicht im selben Atemzug einen Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen die Hamas und der Vorstellung eines "auserwählten Volkes" herstellen würde. Wie kommt man bitte zu so einer Verbindung?
Roland Fakler am Permanenter Link
Ich fühle mich durch die ständigen Höllendrohungen religiöser Menschen in meinem atheistischen Denken und Fühlen bedroht, zumal diese sich lediglich auf modrige Texte und nicht-existierende Geister berufen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dieses Interview mit MSS ist Satz für Satz richtig und wichtig für den Erhalt der Demokratie in der BRD und legt nahe, dass der § 166 müsste schleunigst aus dem Gesetzbuch gestrichen werden muss, dieser verursacht meh
Sollte dieser nicht umgehend ersatzlos gestrichen werden, sehe ich schwarz für den Frieden im Lande.
Jeder religiöse Glaube kann dadurch geschützt werden und Kritik wird unmöglich gemacht.
Dies kommt einem Freibrief für, angeblich gläubige Extremisten gleich, ihre Weltanschauung mit Gewalt zu verbreiten.
Das Zögern des Bundesjustizministers Marco Buschmann ist allen logisch denkenden Menschen rätselhaft, ist dieser auch schon infiziert von dem Gedanken sich jeglichem Glauben unterzuordnen, anstatt sich an den Tatsachen zu orientieren und den § 166 StGB
baldmöglichst ersatzlos zu streichen?
Arnulf Hopf am Permanenter Link
Zitat: "Offensichtlich scheint dieser Verweis auf den Straftatbestand der Volksverhetzung vielen Leuten nicht zu genügen.
Das würde nicht weniger als das Ende der Meinungsfreiheit und der offenen Gesellschaft bedeuten! Über die vielen freiheitsfeindlichen Diskussionsbeiträge auf der Website des Bundestags habe ich mich auch gewundert. Offenbar ist die Haltung, dass man alles verbieten sollte, was einem selbst nicht gefällt, erschreckend weit verbreitet. Dahinter verbirgt sich ein grundlegendes Unverständnis gegenüber den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates. Denn das Strafrecht ist das "schärfste Schwert des Rechtsstaats", das nur im Notfall eingesetzt werden darf, falls bedrohte Rechtsgüter auf andere Weise nicht geschützt werden können." (Zitat Ende).
HIER WIRD "Meinungsfreiheit" praktisch bis zur beleidigenden Verhöhnung inhuman ausgedehnt, was nicht meinem Toleranzverständnis in menschlichen Beziehungen entspricht . Die G.-Bruno-Stiftung/ M. Schmidt-Salomon zementieren dadurch unnötigerweise die Widerstände gegen aufklärenden Atheismus.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Hätten nicht auch Luthers Schriften gegen
den Paragraphen 166 StGB verstoßen?Wäre nicht letztlich der Protestantismus als Reformbewegung gegen den dogmatischen
Klerikalismus der katholischen Kirche
demokratischen Rechtsstaat aus, der weiterhin am Paragraphen 166
festhält?
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Sehr viel - er kennt weder die Religionsgeschichte noch die religiösen bzw. "heiligen" Schriften einigermaßen...!
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Besten Dank, Assia Harwazinski, für das ausführliche, informative Feedback. Nur über Sekundärliteratur bin ich über tiefergehende religiöse Fragen informiert. Der Paragraph 166 StGB gibt m. E.
Haben nicht v.a religionspolitische Problemlagen des letzten Jahrzehnts im Zusammenhang mit der Massenmigration aus der muslimischen Welt für starke Irritationen in D gesorgt: Wie soll erfolgreiche Integration erfolgen können, wenn zu viele, zu schnell in Europa, in D, anlommen. Zwar stellen sie demographisch eine Bereicherung dar. Nicht aber was den Facharbeitsbereich, was ihre affektive, ihre politische Sozialisation betrifft.
Kurz: Es fehlt an Massenintegration für Massenmigration. Ob aufgrund sehr unterschiedlicher Religion/Kultur und politischer Sozialisation überhaupt ein Bedürfnis besteht, europäische Lebensweise wertzuschätzen, scheint überdies fraglich.
Was Susanne Schröter dazu ausführt, lässt berechtigte Zweifel aufkommen, zumal islamische Moscheen und Verbände offensichtlich ihren eigenen politischen Zielen folgen.
Schützt der 166er in diesem Kontext nicht vielleicht sogar diejenigen, die bürgerlich - emanzipatorische Freiheiten des Westens verachten?
Freuen würde ich mich, wenn Sie mich über Ihre Arbeit auf dem Laufenden halten würden, mich auf Ihren Verteiler setzen würden.
Gruß aus Aachen
Klaus D. Lubjuhn
David Z am Permanenter Link
Wann wurde der Paragraf das letzte mal angewendet bzw welche Kritik wurde damit unterbunden? Das könnte ein Hinweis darauf geben, wie relevant das Thema tatsächlich ist.
malte am Permanenter Link
Sie stellen diese Frage schon zum wiederholten Male - dabei ist die Antwort sehr leicht auf der Website zur Kampagne in Erfahrung zu bringen:
"Vor zwei Jahren hat die Giordano-Bruno-Stiftung einen Exiliraner unterstützt, der in Stuttgart erstinstanzlich verurteilt worden war, weil er nach einer kritischen Bemerkung über Mohammed von einem gläubigen Muslim auf offener Straße attackiert wurde. Die Schläge des Täters führten also zur Verurteilung des Opfers. Solche Fälle sind allerdings selten. Die größte Wirkung entfaltet der Paragraf im juristischen Vorfeld, etwa wenn religionskritische Beiträge in den sozialen Medien gelöscht werden. So wurde ein Bild von zwei küssenden Männern vor dem Hintergrund der Kaaba in Mekka als „Hassbotschaft“ interpretiert und von Facebook sowie Instagram gelöscht."
https://free-charlie.de/
David Z am Permanenter Link
Ich stelle die Frage, weil ich bisher keine Antwort auf die Frage erhalten habe.
Dem kann ich nicht zu zustimmen. Selbst ohne den Paragraph würde das juristische Vorfeld durch die sozialen Medien eingeschränkt.
Es bleibt also, dass es so gut wie keinen sachlichen Grund gibt (abgesehen von der Absurdität des Paragraphs an sich), gegen diesen Paragraphen wie gegen Windmühlen anzukämpfen. Oder gibt es vielleicht doch einen spezifischen Grund, der sich mehr und mehr aufdrängt, wenn man zB nach England schaut?
malte am Permanenter Link
Von "den letzten Jahrzehnten" war nirgendwo die Rede, der besagte Fall ist zwei Jahre alt. Ein anderer Leser hat noch einen weiteren Fall erwähnt, es gibt sicher noch mehr.
Es handelt sich hier bestimmt nicht um das drängendste Problem unserer Zeit. Aber das Argument "Wir haben nun wirklich andere Probleme" fand ich noch nie besonders überzeugend, damit kann man so gut wie jedes Anliegen zerreden. Und so ganz irrelevant scheint die Sache ja auch für Sie nicht zu sein, immerhin lesen Sie regelmäßig Artikel zu dem Thema und machen sich die Mühe, diese zu kommentieren...
David Z am Permanenter Link
Nun, ich finde schon, dass man Prioritäten setzen muss im Leben, wie käme man sonst vorwärts. Deshalb meine Frage nach der Dringlichkeit basierend auf der Anzahl und Art der Fälle.
Ja, Sie haben Recht, ich bin nicht traurig, wenn der Paragraph weg ist, im Grunde ist es eine emotionslose Sache für mich, da ich wie gesagt die Dringlichkeit (noch) nicht erkenne. In die Zukunft gerichtet mit der zu erwartbaren Bevölkerungsentwicklung sehe ich die Dringlichkeit schon eher. Aber das wird von den Aktivisten, soweit ich das sehe, nicht als Argument verwendet. Daher meine Skepsis. Es sieht für mich eher wie der klassische Kampf von Atheismus-Aktivisten gegen die "böse" Kirche aus.
malte am Permanenter Link
Ich sehe nicht, dass es hier ausschließlich gegen die Kirche gehen würde.
SG aus E am Permanenter Link
Michael Schmidt-Salomon ist ein exzellenter Rhetoriker. Umso genauer sollte man seine Argumentation betrachten.
[A] Er behauptet zwar, "die überlebenden Mitglieder der Charlie Hebdo-Redaktion [hätten] nach deutschem Recht ja verurteilt werden müssen". Aber stimmt das überhaupt? Ein Nachweis fehlt. Nehmen wir Kurt Westergaard, den Zeichner einer der bekannten dänischen Mohammed-Karikaturen. Der wurde nicht nur nach dänischem Recht nicht verurteilt (1), in Deutschland erhielt er sogar Preise (2). Gestritten wurde zwar über Sinn oder Unsinn der Veröffentlichung der Karikaturen, nicht aber über deren Zulässigkeit.
[B] Dass der § 166 vornehmlich der Abwehr des Antisemitismus diene, ist mir neu. Dass er säkulare Juden nicht vor antisemitischen Angriffen schützt, ist zwar zutreffend, aber auch nicht Aufgabe des Paragraphen; dazu gibt es § 130 (Volksverhetzung).
[C] § 166 StGB behandelt auch nicht Religionskritik, sondern die "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen". Vielleicht möchte jemand vom Fach dem Publikum den Unterschied zwischen 'kritisieren' und 'beschimpfen' erklären?
[D] Da 'David Z' danach fragte: In einem der letzten Fälle, in denen § 166 zur Anwendung kam, ging es um Klopapier. Ein Mensch (ob säkular eingestellt oder christlich, ist mir unbekannt) in Nordrhein-Westfalen hatte solches "mit einem Stempel 'Koran, der heilige Qur’an' bedruckt und es zusammen mit einem Schreiben, das den Koran unter anderem als 'Kochbuch für Terroristen' bezeichnete, an Moscheen und Fernsehsender verschickt" (3). Für die Diskussion um den Paragraphen 166 ist nun wichtig: a) Sollen Moscheegemeinden solcherart 'Religionskritik' ertragen müssen? und b) reicht der Volksverhetzungsparagraph 130 in seiner derzeitigen Form aus, solche Aktionen mit Strafe zu bewehren?
[E] Ich persönlich finde interessant, wie ein Paragraph, der einst die feudale Gesellschaftsordnung schützen sollte (Stichwort: von Gottes Gnaden), sich heute, in der postmigrantischen Gesellschaft, zum Schutz für unbeliebte Minderheiten wandelt.
[F] Im Wikipedia-Eintrag zur Volksverhetzung findet sich der Satz: "Das Leugnen des Holocaust beleidige jeden einzelnen Juden" (4). Ob das auf Religionen übertragbar ist? Wäre es so, könnte man eventuell Verständnis dafür haben, dass Muslime sich angegriffen fühlen, wenn man ihre Religion verächtlich macht. Wie gesagt: Beschimpfung ist nicht Kritik. Die muss man ertragen können.
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PS: Bei meiner kurzen Recherche zum Thema fand ich folgenden Text, der die Eingangsfrage klar beantwortet und auch sonst lesenswert ist:
"Die Mohammed-Karikaturen, welche die Redakteure von Charlie Hebdo am Mittwoch das Leben kosteten, wären nach dem Maßstab des § 166 StGB nicht zu beanstanden. Denn die Vorschrift stellt darauf ab, wie ein neutraler, auf Toleranz bedachter Betrachter die Äußerung verstehen würde. Es geht gerade nicht um die Sichtweise eines betroffenen, möglicherweise streng religiösen Anhänger des beschimpften Bekenntnisses." (5)
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(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammed-Karikaturen#Juristische_Auseinandersetzung
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Westergaard
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Beschimpfung_von_Bekenntnissen,_Religionsgesellschaften_und_Weltanschauungsvereinigungen#Beispiele
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Volksverhetzung
(5) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/charlie-hebdo-karikaturen-strafbar-beschimpfung-bekenntnisse-166-stgb/
malte am Permanenter Link
[D] Ja, Moscheegemeinden sollten solche Aktionen ertragen müssen.
[E] Das sehe ich nicht so. Niemand muss vor Kritik geschützt werden.
Zum LTO-Artikel: Das ist die Meinung einer einzigen Rechtsanwältin, ob das allgemeiner juristischer Konsens ist, ist damit noch nicht gesagt. Es gibt da immer einen Interpretationsspielraum, und ob eine Karikatur als strafbar erachtet wird, hängt im Zweifelsfall davon ab, ob der zuständige Richter gerade schlecht geschlafen hat.
Kurt Westergaard ist ein schlechtes Beispiel. Der Zeichner wurde in Dänemark attackiert, die "öffentliche Ordnung" in Deutschland wurde dadurch also nicht gestört. Außerdem muss erst einmal Strafanzeige gestellt werden, damit jemand wegen einer solchen Karikatur verurteilt werden kann. Mir ist nicht bekannt, dass das bei Westergaard der Fall war.
Michael Schmidt... am Permanenter Link
Zunächst einmal herzlichen Dank für das freundliche Lob meiner rhetorischen Fähigkeiten! ;-) Und natürlich haben Sie völlig Recht damit, dass man sich Argumente stets genau anschauen sollte.
A. Es stimmt, dass Kurt Westergaard in Deutschland mit Preisen ausgezeichnet wurde. Dies war allerdings nur möglich, weil (auch mit unserer Unterstützung) die öffentliche Debatte in Richtung Kunst- und Meinungsfreiheit gelenkt wurde. (Ursprünglich hatte die CDU/CSU vor, § 166 StGB nach dem "Karikaturenstreit" von 2006 noch einmal zu verschärfen!) Außerdem ist nicht geklärt, wie der Fall Westergaard juristisch behandelt worden wäre, wenn der Zeichner unter deutsches Recht gefallen wäre.
B. Sie schreiben: "Dass der § 166 vornehmlich der Abwehr des Antisemitismus diene, ist mir neu." Ja, das war es mir auch, kommt aber deutlich in dem Gespräch rüber, das Philipp Möller unlängst auf dem YouTube-Kanal des "Zentralrats der Konfessionsfreien" mit den Sprecherinnen des AK "Säkularität und Humanismus in der SPD" geführt hat. Das obige hpd-Interview war eine Reaktion auf diese Hinweise.
C. Jede "Kritik" kann als "Beschimpfung" ausgelegt werden, insbesondere, wenn sie satirische Elemente enthält. Gerade in religiösen Dingen ist es jedoch mitunter schwierig bis unmöglich, keine Satire zu schreiben, wenn man den Dingen auf den Grund geht. "Difficĭle est, satĭram non scribere", sagten dazu die alten Lateiner.
D. Ja, es gibt mitunter geschmacklose Formen der Kritik. Aber es gehört nun einmal zu den Grundvoraussetzungen einer offenen Gesellschaft, auch empfindlich abweichende Meinungen ertragen zu können. Die damit verbundene staatsbürgerliche Tugend nennt man "Toleranz". Säkulare Menschen und liberale Gläubige haben sich diese Fähigkeit inzwischen einigermaßen angeeignet, Fundamentalisten nicht. Dieses Defizit sollte nicht noch durch das Strafgesetzbuch geschützt werden.
E. § 166 StGB schützt religiöse Fundamentalisten, nicht "unbeliebte Minderheiten" an sich. Ein persönliches Beispiel dazu: Als mein Stück "Das Maria-Syndrom" 1994 mithilfe des Paragrafen verboten wurde, zählte ich zu der damals sehr "unbeliebten Minderheit" der scharfen Religionskritiker. Die Morddrohungen, die ich damals von christlichen Fundamentalisten erhielt, wurden nicht verfolgt, stattdessen wurde die Aufführung und Verfilmung meines Stücks verboten.
F. Genau diese identitäre Sicht auf die Probleme sollten wir überwinden. "Die" Muslime werden durch Kritik nicht beleidigt, es sind bestimmte Teile der muslimischen Community, die sich durch jede noch so harmlose Kritik beleidigt fühlen - Männer, die es mit einem fröhlichen Grinsen hinnehmen, wenn vor ihren Augen eine Frau gesteinigt wird, die aber in einem Weinkrampf zusammenbrechen, sobald ihr "Prophet" karikiert wird. Darf man das nicht "verächtlich machen"?! Ich meine, man MUSS es verächtlich machen, da es auf dem Boden der Menschenrechte schlichtweg verachtenswert ist!
Zum P.S.: Sie beziehen sich hier auf einen Meinungsartikel von Pia Lorenz aus dem Jahr 2015. Die Autorin gibt selbst zu, dass diese sehr spezielle Interpretation des § 166 StGB strittig ist. (Wie gesagt: Der heutige Justizminister Buschmann hat 2015 die gegenteilige Position vertreten.) Ich frage mich, ob Frau Lorenz diesen Artikel heute noch so schreiben würde. Denn die Rechtslage hat sich inzwischen geändert, u.a. durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das § 166 StGB explizit aufführt, wenn es darum geht, welche Äußerungen im Netz gelöscht werden sollen (§ 1 Abs.3, NetzDG). Das hat zu vielen Fällen geführt, in denen religionskritische Kommentare (u.a. von Hamed Abdel-Samad), Bilder oder Karikaturen von Facebook & Co. getilgt wurden, weil sich religiöse Dogmatiker dadurch beleidigt fühlten. Wir mussten gegen diese Zensurmaßnahmen mehrere aufwändige Prozesse führen. Einige Beispiele dafür haben wir auf der Website https://free-charlie.de/ (Rubrik "Materialien") aufgelistet.
SG aus E am Permanenter Link
Michael Schmidt... schrieb: "Dies gilt allerdings auch für Ihren Kommentar".
Selbstverständlich :-) Allerdings soll nicht ich überzeugt werden, sondern der Petitionsausschuss des Bundestages.
Man vergegenwärtige sich: Für eine Verurteilung nach § 166 StGB muss dem Täter zweierlei nachgewiesen werden: erstens eine Beschimpfung und zweitens eine daraus entstandene Gefährdung des öffentlichen Friedens.
Ich versuchte unter [C] auf den Unterschied zwischen 'Kritik' und 'Beschimpfung' aufmerksam zu machen. Auch der Petitionsausschuss sieht diesen Unterschied als essenziell an:
"Für ein Beschimpfen im Sinne des § 166 StGB genügen die bloße Verneinung oder Ablehnung eines Bekenntnisses bzw. einer religiösen oder weltanschaulichen Institution außerdem ebenso wenig wie scharfe Kritik. Vielmehr muss es sich für die Annahme des Beschimpfens gerade um eine besonders verletzende rohe Äußerung der Missachtung handeln." (1)
Michael Schmidt... schrieb jedoch: "Jede 'Kritik' kann als 'Beschimpfung' ausgelegt werden, insbesondere, wenn sie satirische Elemente enthält. Gerade in religiösen Dingen ist es jedoch mitunter schwierig bis unmöglich, keine Satire zu schreiben, wenn man den Dingen auf den Grund geht."
Ob das den Petitionsausschuss überzeugen wird? Man erinnere sich an das, was Pia Lorenz im oben verlinkten Artikel geschrieben hatte:
"Denn die Vorschrift stellt darauf ab, wie ein neutraler, auf Toleranz bedachter Betrachter die Äußerung verstehen würde. Es geht gerade nicht um die Sichtweise eines betroffenen, möglicherweise streng religiösen Anhänger des beschimpften Bekenntnisses" (2).
Diese Perspektive des neutralen Betrachters gilt auch für das zweite Tatmerkmal, das erfüllt sein muss: die 'Gefährdung des öffentlichen Friedens'. Aber was, bitteschön, soll der 'öffentliche Frieden' bzw. dessen Störung sein? Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages zitiert aus einem Strafrechtskommentar:
"Die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens ist nicht erst mit dem Entstehen eines Klimas offener oder latenter Feindschaft anzunehmen, das sich jederzeit in Gewalt und Gegengewalt entladen kann, sondern liegt schon dann vor, wenn Menschen nicht mehr in einer Gesellschaft leben können, ohne befürchten zu müssen, um ihres Glaubens usw. willen diskriminiert zu werden und Schmähungen ausgesetzt zu sein, gegen die sie sich letztlich nicht wehren können. Erforderlich ist eine konkrete Eignung zur Friedensstörung. Dafür genügt es, wenn das Beschimpfen nach den konkreten Fallumständen die begründete Befürchtung rechtfertigt, dass das Vertrauen der Betroffenen in die Respektierung ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung erschüttert oder jedenfalls beeinträchtigt werden kann oder dass bei Dritten die Intoleranz gegenüber Anhängern des beschimpften Bekenntnisses gefördert wird (Lencker/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 116, Rn. 12)." (3)
Liegt eventuell hier der Konflikt zwischen den Petenten und dem Bundestag? In der Respektierung religiöser Überzeugungen? In der 'zeit' wurde deren Notwendigkeit von säkularer Seite einst infrage gestellt:
"Respekt? Wovor denn? – Respekt vor religiösen Gefühlen!, heißt es allenthalben. Michael Schmidt-Salomon hält es für falsch, auf die Befindlichkeiten von Gläubigen groß Rücksicht zu nehmen." (4)
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(1) https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2018/_06/_09/Petition_80756.abschlussbegruendungpdf.pdf (S. 3)
(2) a.a.O.
(3) https://www.bundestag.de/resource/blob/553350/f3cebd34327c88d9f03f721d40a3e3a0/wd-7-050-18-pdf-data.pdf (S.1)
(4) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-09/religion-ideologie-respekt
David Z am Permanenter Link
Soweit ich das sehe, sind die zitierten Passagen weit davon entfernt, spezifisch zu sein und belegen damit vielmehr den juristischen Interpretationsspielraum, den MSS angedeutet hat und der Religionen unnötigerweise s
Ich bringe es mal pathetisch auf einen Nenner:
Die einzige Gesellschaft, in der es sich lohnt zu leben, ist jene, in der deine tiefsten Gefühle und Überzeugungen verletzt werden können. Klingt im ersten Moment gemein, ist es zu Ende gedacht aber keinesfalls. Wir können in Schottland grade live mit ansehen, wo der absurde Gedanke, Gefühle schützen zu wollen, hinführt.