Die Kommunikationsprobleme der katholischen Kirche
Als eine Widerspieglung der Kommunikationskrise der Kirche stellt die Studie „Religion und Mediennutzung 2004“, (eine gemeinsame Untersuchung der Universität Kassel und der Medienforschung des Hessischen Rundfunks), beispielsweise „die weitgehende Irrelevanz der kirchlichen Verkündigungssendeplätze im Radio wie im Fernsehen“ fest. Selbst die „klassisch Kulturorientierten“, ein den Kirchen traditionell nahestehendes Publikum, „erwarten demnach im Kirchenprogramm kaum mehr Impulse für die persönliche Lebensführung.“ Und um wieder Herr Verst zu zitieren: „Religion im Fernsehen hat es schwer in Deutschland. Keine Stars, kaum »Action« und zu gewinnen gibt es auch nichts. Vor allem private Fernsehveranstalter winken gerne ab, wenn der Kirchenbeauftragte mit neuen Demos in den Sender kommt. (…) Religiöse Bekenntnisse und kirchliche Lehren scheinen nur schwer vermittelbar zu sein.“
Andeutungsweise gibt er auch die Erklärung dafür: „Die tief gehenden gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 40 Jahre haben dazu geführt, dass Katholiken und Protestanten nicht mehr nur einem bestimmten soziokulturellen Milieu angehören, sondern so verschieden sind wie die Gesellschaft selbst. Im Moment erreicht die Kirche nur die Mitglieder der bürgerlichen Mitte (17 % der Bevölkerung), die Traditionsverwurzelten (12 %) und die Konservativen mit hohem Einkommen (5 %). Das sind aber nur 34 % der Bevölkerung. (…) Die „Modernen Performer“ (12 %) leben, wenn sie verheiratet sind, in den Neubaugebieten um die Großstädte herum, finden aber wohl kaum den Weg zur Kirche im alten Ortskern. Dies zeigt, dass eine neue Konzeption der Seelsorge und mit ihr eine flexible, adressatenbezogene Publizistik notwendig ist, wenn sich die Kirchen nicht mit den Traditionsverwurzelten und einem Teil der bürgerlichen Mitte als „Kundschaft“ begnügen wollen.“
Das Problem ist aber, das eine „adressatenbezogene“ Kommunikation der Kirche dann auch offen und kritisch sein muss und die konservativen, traditionellen Glaubensbekenntnisse auflösen muss. Aber, so Verst: „Glaubensbekenntnisse gibt es im Fernsehen – außerhalb der Übertragung von Gottesdiensten – in Form von Bekenntnissen zu einer Kirche. Es wird die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche bekannt – und dies vor allem durch Prominente in Talkshows. Von Biolek, Beckmann, Gottschalk, Kerner, Schmidt und auch von Jürgen von der Lippe wissen wir: Sie alle waren früher einmal Messdiener in der katholischen Kirche. Man darf darum auch vermuten, dass sie (immer noch?) an einen Gott glauben, mit der Kirche jedoch Probleme haben.“
Michael Broch testet die kritische Offenheit und scheitert am System
Gerade dieses Spannungsfeld Kirche – Gott wäre heute publizistisch interessant, wäre als Thema eines kommunikativen Freiraums zur Anpassung des kirchlichen Systems passend. Und das hat der geistliche Direktor des ifp mit einem 50-Prozent-Deputat, Michael Broch (67), ausprobiert. Der Rottenberger Diözesanpriester und Rundfunkpfarrer, der einst bei Joseph Ratzinger sein Examen abgelegt hat, gab am 22. Mai, als Abschiedsinterview für seine Heimatzeitung, der Leonberger Kreiszeitung ein Interview, das einige Bewertungen der kirchlichen Lage und zuspitzende Aussagen enthielt. Im Kontext mit den letzten Skandale in der Kirche hatte er in dem Interview das Heiratsverbot für Priester kritisiert: „Das System Kirche darf nicht von ein paar zölibatären Männern beherrscht werden. Es gibt neben dem Zölibat noch andere Lebensmodelle - wir müssen da offener werden.“ Noch kritischer seine Äußerung, dass der Papst die Kirche an die Wand fahre, sowie die Bewertung der "Bunkermentalität mancher Bischöfe" und die "antiquierte Sexualmoral" der katholischen Kirche überhaupt.
Der Interviewtext war ihm zwei Tage vor dem Erscheinungstermin vorgelegt worden. Laut Mitteilung der Zeitung hat er in einem Telefongespräch mit der Redaktion, in dem er auch auf die Brisanz der Aussagen hingewiesen worden war, den Abdruck seiner Aussagen in vollem Umfang befürwortet und sich im SWR-Studio Tübingen zur Illustration des Interviews fotografieren lassen.
Sofort reagierte der konservative Mechanismus und verdammte diesen offenen Kommunikationsversuch. Angefacht vor allem von wertkonservativen, ehemaligen IFP-Absolventen, die offensichtlich schnell die Verbindungen zu konservativen Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz geknüpft hatten. Da fand offenbar vor allem der Kölner Kardinal Joachim Meisner, dass jemand, der so über die Kirche redet, keine kirchenfinanzierte Journalistenschule leiten kann. Gerüchte besagen, dass er sich mit Unterstützung aus Rom gegen den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, den Münchner Erzbischof Reinhard Marx und den Medienbischof Gebhard Fürst durchsetzte, die Broch gern gehalten hätten. Nun aber musste der am 15. August seinen Rücktritt erklären.
Unfähigkeit der Anpassung des katholischen Kommunikationssystems
Dieser Beweis der offensichtlichen Unfähigkeit des katholischen Kommunikationssystems, sich an die Umwelt anzupassen, äußert sich zwar vorerst nur als Störung im Kommunikationssystem selbst, wird aber längerfristig zur Katastrophe des Gesamtsystems katholische Kirche beitragen.
Als Reaktion auf den Rücktritt Brochs legten der Vorsitzende des Aufsichtsrats des ifp, der SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann und sein Stellvertreter, Hermann Glandorf, ihre Ämter nieder. Sein "Vertrauensvorrat" gegenüber der Bischofskonferenz sei verbraucht, sagte Hermann. Er habe daher seine Funktion im Aufsichtsrat des ifp ebenso niedergelegt wie die als Berater in der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Der Südwest Presse sagte Hermann: "Ich bedauere zutiefst, dass Broch aus dem Amt scheidet, aber er musste wohl auf Druck seines Bischofs so reagieren." Broch habe sich für seine "einmalige verbale Entgleisung" entschuldigt. "Wenn Bischöfe sich in ihrer Mehrheit als Repräsentanten eines gnadenlosen Systems gerieren, will ich mit denen als katholischer Christ nichts mehr zu tun haben.“ Auch die Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) bezeichnete es als "fatales Signal für die Gesprächskultur in der Kirche", wenn eine offen geäußerte Kritik zu solchen Konsequenzen führe. Für die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann zeigt sich, „wie schwer sich die Amtskirche mit Kritik aus den eigenen Reihen tut“. Viele Bischöfe hielten dies für „Nestbeschmutzung“. Dabei hätten sie im Zuge der Missbrauchsdebatte zu mehr Transparenz und Kritik aufgerufen.
Insgesamt zeigt der Rauswurf Brochs einen Mechanismus, der von der Finanzkrise genau bekannt ist: Bunkermentalität! Abschotten, offene, wahrheitsgetreue Analysen der Krise verhindern bzw. manipulieren, Maßnahmen treffen die nichts ändern, zusammenhalten und warten, bis der Sturm vorüber ist. Und wer da nicht mitmacht, wird zur Seite geschoben: Gleichschaltung auf römisch-bischöfliche Art. Das scheint das Credo der Kirchenfürsten zu sein.
Sie haben bewiesen, dass ihnen an offene Kommunikation und Diskussion nicht gelegen ist, an Reformen schon gar nicht. Insofern widerspiegeln sie auf ihrer Art in der Tat das Verhinderungsverhalten unserer finanzkapitalistischen Elite. Mit dieser Haltung kann die Kirche ihre Krise nicht bewältigen und es stellt sich genau wie bei den Institutionen der Finanzregulierung die Frage, ob ihr systemeigenes Wesen überhaupt fähig ist, angepasste Kommunikationsstrukturen zu ertragen. Ob diese Verhaltensähnlichkeit nicht auch eine Ähnlichkeit der wesentlichen Bewegungsgesetze der beiden beweist? Der Fall Broch ein Moment der gesellschaftlichen Krisen insgesamt?
R. Mondelaers