BERLIN. (hpd) Im Rahmen einer Veranstaltung des FORUMs Gemeinsames Wertefach
für Berlin mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) wurde gestern Abend, 20. Mai, die Initiative Pro Ethik zur Unterstützung des gemeinsamen Ethikunterrichts in Berlin mit etwa 65 TeilnehmerInnen gestartet.
Zur Eröffnung der Veranstaltung betonte der Sprecher des FORUMs, Dr. Gerhard Weil, dass der gemeinsame Ethikunterricht in der Weltstadt Berlin unverzichtbar ist, da hier Menschen vieler unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Weltanschauungen leben. Angesichts dessen ist die Förderung von gegenseitigem Verständnis, von gemeinsamen Werten und von Toleranz eine Kernaufgabe der Schule. Dem dient der Ethikunterricht in den Klassen 7 bis 10 in besonderer Weise.
Über den Ethikunterricht hinaus haben alle Schülerinnen und Schüler von der 1. Klasse an die Möglichkeit, zwischen Unterrichtsangeboten von Religionsgemeinschaften und vom Humanistischen Verband (HVD) frei zu wählen. Mit Verweis auf den Aufruf der Initiative Pro Ethik sagte Dr. Weil:
„Ethische Allgemeinbildung ist für alle Schülerinnen und Schüler wichtig, unabhängig davon welcher Religion oder Weltanschauung sie sich zugehörig fühlen. Für die Entwicklung von gegenseitigem Verstehen, von Akzeptanz und Respekt voreinander ist das integrative Berliner Ethikfach unverzichtbar.
Deshalb hat unser Forum die Initiative Pro Ethik gestartet und wird den gemeinsamen Ethikunterricht gegen alle Marginalisierungsversuche verteidigen und zu seiner weiteren Entwicklung beitragen. Das Volksbegehren des Vereins Pro Reli e.V. ist rückwärtsgewandt und lediglich an konfessionellen Interessen orientiert.
Die Verteidigung des gemeinsamen Ethikunterrichts durch die Initiative geht einher mit Vorschlägen für die weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für Ethik wie z.B. zur Bereitstellung von Grundausstattungen mit fachspezifischen Lehr- und Lernmitteln und zur beschleunigten Einführung von Weiterbildungsstudiengängen.
In unserer Initiative arbeiten bereits jetzt die bildungspolitischen Sprecher von SPD, Linkspartei und Bündnis 90/Die Grünen, die GEW, der Bundesfachverband Ethik, die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union und der Humanistische Verband mit.“
Den Hauptvortrag zur Bedeutung des gemeinsamen Ethikunterrichts „Miteinander sprechen lernen. Von ethischer Verpflichtung und religiös-weltanschaulicher Wahlfreiheit“ hielt Prof. Dr. Michael Bongardt, Direktor des Instituts für Vergleichende Ethik an der FU Berlin. Er sprach von der doppelten Notwendigkeit, die Sprachfähigkeit der Schüler zu fördern. Denn zum einen kennen die meisten Schüler die Sprache ihrer eigenen Tradition kaum -- sei sie religiös, agnostisch, humanistisch. Hier sei der konfessionelle Unterricht gefordert. Zum anderen aber herrscht auch bei Schülern jene Sprachlosigkeit, die heute zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft herrscht. Sie zu überwinden, kann nur der Ethikunterricht helfen. Denn nur dort sind die verschiedenen Gruppen aufgefordert, miteinander zu sprechen. Bongardt zog den Schluss: „Das geltende Berliner Schulgesetz trägt dieser doppelten Lehraufgabe in überzeugender Weise Rechnung. Denn es ermöglicht das Erlernen der je eigenen Sprache -- und es fordert die Mühe, mit den Anderen zu sprechen.“
Der Bundesvorsitzende des Fachverbandes Ethik e.V., Peter Kriesel, befürwortete in seinem Beitrag die im Schulgesetz vorgesehene Kooperation des Ethikunterrichts mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Denn „so erhalten die Schüler im Ethikunterricht die Möglichkeit zur Begegnung mit der authentischen Selbstdarstellung von Positionen unterschiedlicher Bekenntnisgemeinschaften.“ Dabei ist Vielfalt zu gewährleisten. Privilegierungen einzelner Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften sind schulgesetz- und verfassungswidrig, wie etwa eine überproportionale Beteiligung evangelischer Lehrkräfte an der Hälfte der Ethikstunden an ca. 60 Schulen, nach Angaben aus Kirchenkreisen. Seitens der Schulverwaltung sollten Kooperationsbemühungen von Ethiklehrkräften stärker als bisher gefördert werden durch finanzielle Mittel für Referentinnen, durch geeignete Unterrichtsmaterialien und eine vollwertige Qualifizierung der Ethiklehrkräfte zu den wichtigsten Weltreligionen und Weltanschauungen.
Die Berichte der drei Ethiklehrkräfte aus der Schulpraxis, Gabriele Lützenkirchen (Kreuzberg), Rotraud Bergner (Treptow) und Norbert Böhnke (Tempelhof) zeigten nachdrücklich die Erfolge des Ethikunterrichts, gerade auch in Schulen sozialer Brennpunkte. Als wichtig wurde generell die Möglichkeit bewertet, zu einer gemeinsamen Sprache, zum Dialog zu finden. Norbert Böhnke: „Ein gemeinsames Fach wird gebraucht -- wir brauchen alle.“
In ihren die Veranstaltung abschließenden Statements betonten die bildungspolitischen SprecherInnen der SPD, der Linkspartei und von Bündnis 90/Die Grünen, die Vorsitzende der GEW Berlin sowie Vertreter des Ethik-Bundesverbandes, des Humanistischen Verbandes und der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union ihre aktive Unterstützung für die Initiative Pro Ethik und ihre Überzeugung, dass der gemeinsame Ethikunterricht in Berlin erfolgreich gestärkt wird.
Koordinierungskreis: Dr. Felicitas Tesch MdA, Steffen Zillich MdA, Özcan Mutlu MdA, Dr. Elke Brosow, Ursula Schenk-Mekonen, Roland Otte, Siglinde Schaub, Dr. Bruno Osuch, Gerd Eggers und Dr. Gerhard Weil (Sprecher), Peter Kriesel.
Anschrift: Wertefach-Forum, c/o Dr. Gerhard Weil, Alt-Lichtenrade 52 a, 12309 Berlin, Tel. 030 / 745 29 22.
Ansprechpartner: Gerd Eggers, Tel. +49 30 38106904, E-Mail
Im Anhang finden Sie den Aufruf der Initiative Pro Ethik vom 20. Mai 2008 nebst Argumentationspapier eine Auseinandersetzung mit den Argumenten von Pro Reli e.V.
Ein juristisches Gutachten zu Problemen der Kooperation des Ethikunterrichts vor allem mit der evangelischen Kirche kann angefordert werden vom Wertefach-Forum bei Gerd Eggers oder von der Autorin, der Juristin Dr. Kirsten Wiese.