(hpd) Das Buch reiht sich nahtlos in die moderne Rechtfertigungsliteratur der Theologie ein. Nach dem gescheiterten Versuch
von Kissler, die Vernunft zu bemühen ("Der aufgeklärte Gott") und dem haarsträubenden Versuch von Tipler die Physik für das Christentum zurechtzubiegen ("Die Physik des Christentums") wird in dem vorliegenden Werk nun die Logik solange gequält bis Gott angeblich bewiesen ist.
Der Gottesbeweis geht in dem Buch nur bis Seite 32. Danach kommen von dem Philosophen Rolf Schönberger ein Kommentar dazu und ein kurzer historischer Überblick der Gottesbeweise. Bis Seite 30 befasst sich Spaemann allerdings immer noch mit einleitendem theologischen Geschwafel. Dazu zählt unter anderem der Versuch den Wahrheitsbegriff und die Erkenntnismethoden der Naturwissenschaften madig zu machen, nach dem Motto, wenn wir schon keine brauchbaren Methoden der Erkenntnis haben, so habt ihr sie auch nicht. Aber dann kommt er doch noch, der Gottesbeweis.
Die Grundidee des Gottesbeweises ist im Prinzip recht simpel. Man nimmt an, dass die Gegenwart absolut wahr ist. Wenn es aber in ferner Zukunft keine bewussten Wesen mehr geben sollte in unserer Welt, könnte die Existenz der Vergangenheit nicht mehr festgestellt werden und sie wäre damit nicht mehr wahr. Also muss die Information über die Vergangenheit für immer einem bewussten Wesen d.h. Gott zur Verfügung stehen damit was in der Gegenwart wahr ist auch für alle Ewigkeit wahr bleibt.
Man muss hier zwei Möglichkeiten unterscheiden, entweder es gibt eine von bewussten Beobachtern unabhängige Realität bzw. Wahrheit oder es gibt sie nicht. In der ersten Variante ist Spaemanns Gottesbeweis unbrauchbar, weil weder Gott noch Menschen zwingend notwendig sind für die absolute Wahrheit. In der zweiten Variante sind die Wahrheit und die Realität von der Existenz von bewussten Wesen abhängig. Gibt es diese nicht mehr, haben die Begriffe der Wahrheit und der Realität aber keine Bedeutung mehr. Dann verliert allerdings auch die Forderung nach Gott ihre Bedeutung. Wahrheit und Realität erfordern hier die empirische Erfahrung. Aber Aussagen über empirische Erfahrungen, die die Empirie selbst ausschließen, sind nicht möglich, sondern sie sind absurd! Bezogen auf Spaemanns Gottesbeweis gilt daher: wenn es keine Menschen oder sonstige intelligente Wesen mehr gibt in unserer Welt, dann gibt es auch keinen mehr, der irgendwelche unsinnige Fragen über die Vergangenheit stellen kann und es gibt auch keinen mehr, dem es Kopfzerbrechen macht, ob es überhaupt eine Vergangenheit gab.
Wenn Spaemann meint, man könne sich eine Gegenwart, die irgendwann nicht mehr wahr ist, nicht denken, so begeht er einen Fehler. Denken kann man sich das schon, man kann es sich vielleicht nicht vorstellen. Aber wir können uns vieles nicht vorstellen, was wir aber dennoch als Realität anerkennen müssen. Die gesamte moderne Physik widerspricht unserem Vorstellungsvermögen. Wir haben keinen Zugang zu absoluten, ewigen Wahrheiten, sondern wir können nur Modelle der Realität konstruieren, die die Realität mehr oder weniger gut für die Gegenwart beschreiben. Bessere Modelle liegen näher an der Wahrheit. Wir können zwar unser Weltbild in die Ewigkeit transzendieren, aber was dabei herauskommt sind bestenfalls Hypothesen.
Im Übrigen begeht der Autor den Fehler, dem viele Philosophen aufsitzen. Sie glauben, sie könnten Aussagen über die Realität alleine aufgrund von Logik und Vernunft machen. Das mag zwar manchmal gelingen, aber es geht auch häufig schief. Ein Musterbeispiel ist die Quantentheorie. Man hätte sie unmöglich alleine mit Logik und Vernunft konstruieren können, denn sie widerspricht unserer Alltagslogik und Vernunft. Sie hat sozusagen ihre eigene Logik. Der entscheidende Prüfstein aller Hypothesen über die Realität ist die empirische Erfahrung bzw. die Beobachtung und das Experiment.
Ein weiterer Fehler der unmittelbar daraus folgt ist, dass Spaemann über Dinge wie Zeit und Information redet, die letztlich Gegenstand der Physik sind. Begriffe wie Gegenwart und Vergangenheit sind Teil der speziellen Relativitätstheorie. Schon Immanuel Kant ist an den physikalischen Begriffen Zeit und Raum aus heutiger Sicht gescheitert. Der Verlust von Information in unserer Welt hängt sehr eng mit der Theorie der Schwarzen Löcher zusammen und darüber wird noch geforscht. Wenn man versucht, den Begriff der Zeit von der Physik abzutrennen, begibt man sich auf sehr dünnes Eis.
Auch die Geschichte der Gottesbeweise von Schönberger im zweiten Teil des Buches zeigt, dass es bisher keinen einzigen wirklich überzeugenden Gottesbeweis gibt und wenn der von Spaemann der letzte Gottesbeweis sein soll, dann ist er letztlich eine Bankrotterklärung der Theologie und er bestätigt das Vorurteil, dass die Theologie die Kunst ist, etwas zu beweisen, was es nicht gibt und was auch Keiner wirklich braucht und aus diesem Grunde sollte man die Theologie von den Universitäten verbannen, denn sie ist das Gegenteil von Wissenschaft.
Bernd Vowinkel
Robert Spaemann: „Der letzte Gottesbeweis". Pattloch (August 2007), 127 Seiten, 12,95€. ISBN-10: 3629021786.