Nazis im Talar

nazi_priests-salute.jpg

Foto: euro-med.dk

(hpd) Als Papst Benedikt XVI. seinen Besuch in Großbritannien plante, hat er sich offenbar auf die alte Devise verlassen, dass Angrif die beste Verteidigung sei. Denn seine Verwicklung in den Missbrauchsskandal erwähnte er mit keiner Silbe. Stattdessen ging er sogleich in die Offensive und warnte vor den verheerenden Folgen des wachsenden Atheismus.

Von Edgar Dahl

Wenn uns das 20. Jahrhundert irgendetwas gelehrt habe, meinte er, dann sei es die Einsicht, dass Gesellschaften, die sich von Gott abwenden und der Kirche den Rücken kehren, der Unmenschlichkeit zum Opfer fallen. Der Nationalsozialismus und der Bolschewismus, fügte er hinzu, sollten uns auf immer daran gemahnen, dass der "Ausschluß von Gott, Religion und Tugend aus dem öffentlichen Leben uns letztlich zu einer verkürzten Vision des Menschen und der Gesellschaft führt und damit zu einer herabwürdigenden Sicht des Menschen und seiner Bestimmung".

Nach dieser einfachen Logik sollten uns also der Glaube an den christlichen Gott und das Festhalten an der katholischen Kirche vor einer inhumanen Behandlung unserer Mitmenschen und einer barbarischen Gesellschaftsordnung bewahren.

Wie simplistisch Joseph Ratzingers Sicht ist, lässt sich gut an einem Beispiel der jüngeren Geschichte demonstrieren. Die Bildung des Unabhängigen Staates Kroatien am 10. April 1941 zeigt, dass der Katholizismus die Menschen keineswegs vor der Verübung von Barbareien und der Errichtung von Diktaturen feit.

Als die Wehrmacht am 6. April 1941 ihren Balkanfeldzug begann und Jugoslawien und Griechenland überrollte, gestattete Hitler den Kroaten, einen unabhängigen Staat zu bilden. Die Grenzen dieses neuen Staates umfassten nicht allein Kroatien, sondern auch Bosnien, Slowenien, Dalmatien und die Herzegowina.

Ein "rein" katholisches Kroatien

Zum "Führer" dieses Vasallenstaates wurde der von Benito Mussolini protegierte Rechtsanwalt und Politiker Ante Pavelic ausgerufen. Pavelic befand sich seit 1929 im italienischen Exil, von wo aus er die kroatische Befreiungsbewegung "Ustascha" leitete. Der Ustascha (ein Begriff, der sich von dem Verb ustati ableitet und "sich erheben" bedeutet) ging es um die Schaffung eines "rein" katholischen Kroatiens.

Gleich zu Beginn seiner Herrschaft begann Pavelic damit, Konzentrationslager nach deutschem Vorbild einzurichten. Die ersten Opfer des neuen Regimes waren programmgemäß orthodoxe Serben, Juden und Zigeuner.

Die Art und Weise, wie die neue Regierung ihre Feinde bekämpfte, war so brutal, dass sich selbst Außenminister Joachim von Ribbentrop beschwerte. "Man folterte die Serben, bevorzugt bei nächtlichen Orgien, man schnitt ihnen die Kehle durch, pfählte und vierteilte sie. Man stach ihnen lebend die Augen aus, schnitt ihnen die Ohren ab und kreuzigte sie. Die Italiener fotografierten einen Ustaschen, der um seinen Hals zwei Ketten aus menschlichen Zungen und Augen trug." (Karlheinz Deschner Memento! Rowohlt, Hamburg 1999, S. 228.)

Nach Aussagen des britischen Historikers John Cornwell befindet sich im italienischen Außenministerium eine detaillierte Dokumentation der Grausamkeiten: "Frauen mit abgeschnittenen Brüsten, ausgestochenen Augen und und verstümmelten Geschlechstteilen." (John Cornwell Pius XII. Beck, München 1999, S. 300)

Alles in allem sind im Unabhängigen Staat Kroatien etwa 490.000 orthodoxe Serben, 45.000 Juden und 27.000 Zigeuner umgebracht worden.

Eine "erbauliche" Audienz des Pius XII.

Dieser Völkermord hat Pius XII. nicht daran gehindert, diplomatische Beziehungen zu dem Ustascha-Regime aufzunehmen. Am 18. Mai 1941 empfing er Ante Pavelic zu einer "erbaulichen" Audienz und benannte Ramiro Marcone zum päpstlchen Legaten von Zagreb. Am 28. Juli 1941 begrüßte er 100 Mitglieder der kroatischen Polizei. Und am 6. Februar 1942 empfing er Vertreter der Ustascha-Jugend.

Der Erzbischof von Kroatien, Alojzije Stepinac, machte Pavelic bereits am 16. April 1941 seine Aufwartung. Das Gespräch überzeugte ihn von den hehren Zielen der Ustascha. Den "Poglavnik" oder Führer bezeichnete er als "einen aufrichtigen Katholiken".

"Am 28. April, dem Tag, an dem 250 Serben in Bjelovar massakriert worden waren, wurde von allen katholischen Kanzeln des Landes ein Hirtenbrief verlesen, in dem vom Klerus gefordert wurde, am Werk des Kroaten-Führers mitzuarbeiten." (Cornwell, S. 300)

Viele Priester haben diesen Aufruf durchaus wörtlich genommen. So waren vor allem Franziskaner in viele Gräueltaten verwickelt. "Ein gewisser Pater Bozidar Bralow, der stets ein Maschinengewehr bei sich trug, wurde später angeklagt, bei Alipasin-Most einen Tanz um die Leichen von 180 exekutierten Serben aufgeführt zu haben." (Cornwell, 300).

Am berüchtigsten ist zweifellos der Militär-Kaplan der Ustascha - Miroslav Filipovic. Im Februar 1942 führte er eine Bande von Schlächtern an und führte sie in eine serbische Schule. Nachdem er eigenhändig ein Mädchen mit dem Messer erstach, rief er seine Kumpanen mit dem Schlachtruf "Ich nehme eure Sünden auf mich!" zum Massaker an den restlichen Kindern auf.

"Bruder Satan"

Im März 1942 wurde ihm die Leitung des Konzentrationslagers Jasenovac übertragen. Seine Grausamkeiten, die er bevorzugt in seiner Franziskaner-Kutte ausführte, brachten ihm dort schnell den Titel "Bruder Satan" ein. Der Gefangene Josip Riboli erinnert sich an eine Wette, die Filipovic mit zwei anderen KZ-Wächtern abgeschlossen hatte: "Gemeinsam mit Marinko Polic und Jerko Marici wettete er, wer der beste Schlächter sei. Die Opfer mussten sich hinknieen und mit ihrem Kopf den Boden berühren. Daraufhin töteten sie die Gefangenen mit einem Genickschuss. Falls einer den Schuss mit der Kugel überlebte, griffen sie zu einem Messer, um ihnen die Kehle durchzuschneiden.“

Obgleich es sich bislang nicht beweisen lässt, dürfen wir doch davon ausgehen, dass Papst Pius XII. über die Gräueltaten der Ustascha und seiner Kleriker von Anfang an informiert war. Denn schon am 6. März 1942 berichtete der fränzösische Kardinal und Experte für slawische Angelegenheiten, Eugéne Tisserand: "Ich weiß, dass die Franziskaner selbst, wie zum Beispiel Pater Simic aus Knin, an den Angriffen auf die orthodoxe Bevölkerung und an der Zerstörung orthodoxer Kirchen teilgenommen haben. Ich weiß auch ganz sicher, dass sich die Franziskaner in Bosnien-Herzegowina elend aufgeführt haben, und das tut mir weh. So etwas darf nicht einmal von einer wohlerzogenen, gebildeten Zivilperson begangen werden, um wieviel weniger von einem Priester." (Cornwell, 306)

Statt die Nazis im Talar zu exkommunizieren, schwieg der Papst jedoch. Nach dem Krieg, als Miroslav Filipovic und seine Hel-fershelfer in Belgrad vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt wurden, öffnete der Vatikan sogar seine Tore, um den auf der Flucht befindlichen Mitgliedern der Ustascha im Kolleg San Girolamo in Rom Unterschlupf zu gewähren und mit falschen Pässen zu einer Ausreise nach Südamerika zu verhelfen. Pater Krunoslav Draganovic, der das Kolleg in der Via Tomacelli leitete, hat nachweislich nicht nur dem "Schlächter von Lyon", Klaus Barbie, sondern auch dem Ustascha-Führer Ante Pavelic die Flucht in das von Juan Peron regierte Argentinien ermöglicht.

Kaum ein Nazi exkommuniziert

Überhaupt hat der Vatikan kaum einen Nazi exkommuniziert. Nicht nur Adolf Hitler blieb vom Stellvertreter Christi unbehelligt, sondern auch Heinrich Himmler, Hans Frank, Oswald Pohl und Franz von Papen. Die einzige Ausnahme bildete Joseph Goebbels. Er ist tatsächlich exkommuniziert worden. Aber nicht wegen seiner Verantwortung am Dritten Reich und dem Holocaust, sondern weil er eine Protestantin zu ehelichen gewagt hatte.

Was soll man angesichts dieser historischen Fakten und der bewussten Geschichtsfälscherei des Papstes sagen? Ich denke, das Beste, was sich sagen lässt, ist bereits von dem amerikanischen Nobelpreisträger Steven Weinberg ausgesprochen worden: "Es gibt gute Menschen und böse Menschen. Aber dafür, dass gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion."