Ein Leitfaden zum Kopftuch-Verbot

4.  Der Schleier, Argumente pro und contra
 
a.  Argumente pro.

Wer muslimische Frauen fragt, warum sie den Hijab tragen, bekommt immer die folgenden Antworten. (i) "Gott verlangt dies von mir: Das Kopftuch ist ein Fundament und eine Verpflichtung für alle Muslima." Hierbei nehmen sie Bezug auf die oben zitierten Verse (2. a.). "Mein Kopftuch ist ein objektives Symbol für eine bestimmte Haltung gegenüber dem Koran." (ii) "Ich trage diese für mich selbst, um zu verhindern, dass Männer mich mit Hintergedanken anschauen: Die meisten Männer sehen ja Frauen als Sexobjekte." (iii) "Ich trage den Hijab völlig freiwillig, aber nach Sure 103, 3, muss man andere ermutigen, Gutes zu tun und so gilt das auch für das Tragen des Kopftuchs." (iv) Das Ablegen des Hijabs würde bedeuten, dass ich Abstand von meiner Identität nehme, es ist, als ob ich mein Herz abgeben würde. "(oder "meine Hose ausziehen"). (Diese Aussagen sind Briefen von Muslima entnommen).
 
b. Einwände gegen diese Argumente.

Es gibt keinen Grund, an der Aufrichtigkeit dieser Mädchen zu zweifeln. Sie sind repräsentativ für mindestens einen Teil der Träger eines Kopftuches. Wie repräsentativ, das ist ohne Überprüfung schwer zu schätzen. Auf jeden Fall geht es um tugendhafte, fromme und tapfere Mädchen, die unsere volle Achtung verdienen. Ihre Briefe geben oft Zeichen von Höflichkeit und Freundlichkeit, wovon einige Kolumnisten und "Mainstreamautoren“ immer noch viel lernen können.
Es ist daher schmerzhaft ihnen erklären zu müssen, dass sie seit der Kindheit, wahrscheinlich durch ihre Eltern, vor allem aber durch Imame und Religionslehrer indoktriniert worden sind. Es ist ihnen Folgendes nicht weiter erklärt:
 
(1) Kleidungsvorschriften, die für die Kultur einer Wüste im siebenten Jahrhundert adäquat waren, sind zwangsläufig zeit- und ortsgebunden und können daher keine allgemeine Tragweite haben.

(2) Die islamischen Gelehrten und die verschiedenen islamischen Kulturen, haben diese Texte unterschiedlich interpretiert und es ist daher normal, dass auch unsere muslimischen Frauen, sich an die hier gängigen Gebräuche anpassen. Niemand wird es ihnen verdenken, wenn sie hierbei, in Treue zu ihrem Glauben, etwas Bescheidenheit und Schlichtheit, zum Beispiel beim Make-up und Parfüm, anwenden.

(3) Wer, dem Geist des Koran und Sunna folgend, nicht zu stark die Aufmerksamkeit erregen will, dann geschieht dies am besten dadurch den Hijab nicht zu tragen, denn nichts ist auffallender als das Kopftuch.

(4) Der Verweis auf die "Fitna", nachdem der Reiz vom unbedeckten Kopf der Frau ausgehen würde und die Sinne der Männer durcheinanderbringt, impliziert - abgesehen von der Lächerlichkeit dieses Argument - dass wieder einmal die Frau  für möglich unanständiges Verhalten der Männer verantwortlich gemacht wird. Übrigens verändert das, was „Reiz“ ist, sich von Kultur zu Kultur.

(5) In Übereinstimmung damit: Nach der traditionellen Sunna, muss der Körper des Mannes vom Nabel bis zum Knie bedeckt sein. Merkt man davon viel in Schwimmbädern und auf Sportplätzen? Oder sind wieder mal nur die Frauen an Regeln gebunden?

(6) "Fitna" hat auch die Bedeutung der Störung, Unordnung, Zwietracht. Der aktuelle Zank, der das hartnäckige Festhalten am Schleier verursacht, ist eine Form von "Fitna", die nicht das gegenseitige Verständnis zwischen Muslimen und anderen fordert.

(7) Es ist wahr, dass einige muslimische Frauen das Kopftuch freiwillig tragen, aber das ist nur ein Aspekt der ganzen Angelegenheit. Eine Umfrage der flämischen Wochenzeitschrift Humo (2007) ergab, dass 35% der islamischen Männer dafür sind, das Tragen des Hijabs verpflichtend zu machen. Diese Männer als Vater, Ehemann oder Bruder, können einen mehr oder weniger subtilen Druck auf mindestens dreimal so viele Frauen auszuüben. Es gibt Frauen, die das nach einiger Zeit demütig akzeptieren. Aber man ist ratlos, wenn einige Feministinnen dieses Spiel der ungleichen Machtverhältnisse als Modell für die Emanzipation der Frauen darstellen. (Siehe auch oben: '2 g (2) und '1 d (3) (IV-V)).

(8) Dass der Verzicht auf ein bestimmtes Kleidungsstück für einige Zeit ein Gefühl der Entfremdung verursachen kann, ist wahr, aber das dauert höchstens einen Monat. Übrigens gilt dies insbesondere, wenn das Tragen des Hijabs seit der Kindheit geschah, aber so etwas kann per Definition nicht eine freie Wahl gewesen sein.

(9) Schließlich, für diejenigen, die glauben, sie würden einem göttlichen Gebot untreu, wenn sie den Schleier abnehmen, können wir daran erinnern, dass die allgemeinste Eigenschaft Gottes im Koran die Barmherzigkeit ist: Bismillahi rahmani rahim (im Namen Gottes, der Barmherzige, der sich Erbarmende). Wenn der Koran eine Verpflichtung erwähnt, die, wegen der Umstände oder aufgrund von Druck von außen nicht befriedigt werden kann, dann gibt es die tröstliche Zugabe "Gott ist barmherzig." Der Respekt für den Islam würde sich deutlich erhöhen, wenn diese Grundaussage des Koran mehr berücksichtigt würde.