Menschenrechtsaktivist David Kato ermordet

Die beiden ugandischen Großkirchen verwahren sich damit zwar gegen die Todesstrafe für Homosexuelle. Die bereits heute fatale rechtliche Situation Homosexueller in Uganda wird jedoch als unproblematisch angesehen, im Wesentlichen eine weitere Verschärfung dieser Situation sogar als erwünscht betrachtet und in keinem Fall das Leben Homosexueller als solches, also mit eigener, selbstbestimmter und gelebter Sexualität, als gesellschaftlich oder juristisch tolerierbar angesehen.

Ugandas Kirchen sind zu einem hohen Grade für die Stigmatisierung Homosexueller mitverantwortlich. Durch die Propagierung einer Sexualethik, gemäß welcher Homosexualität als „krankhaft“ und als etwas der „menschlichen Natur Zuwiderlaufendes“ angesehen wird, wird eine „Outgroup“ definiert und als krank, unsittlich und unnatürlich geächtet. Den Rest erledigen politische, religiöse und mediale Demagogen aller Art. Das Bewusstsein, mit ihrer Sexualethik als geistig-moralische Brandstifter fungiert zu haben, scheint den Kirchen dabei komplett zu fehlen. Angesichts des Umstands, dass die Kirchen ihre (Sexual)Moral aus der Bibel ableiten und die Bibel sich mehrfach sehr eindeutig gegen Homosexualität ausspricht, ist das auch nicht weiter verwunderlich. Sogar bei der Beerdigung Katos am Freitag bezeichnete der anglikanische Dorfpfarrer die anwesenden Homosexuellen als „Sünder, die vernichtet gehören“ (Die Presse, „Uganda: Homosexuelle als Hassobjekte“, 29.01.2011). “Gott begrüße keine Männer im Himmel, die andere Männer lieben“, predigte er ins Mikrofon (taz, 30. Jan 2011, „David Kato in Uganda beigesetzt“ ).

Christliche Homophobie in Uganda - Implikationen für Deutschland

Angesichts der moralischen Mitschuld der Vertreter christlicher Religionen an den bestürzenden Lebensumständen Homosexueller in Uganda stellt sich die Frage, ob und welche Konsequenzen sich daraus für die moralische Legitimität der christlichen Kirchen in Deutschland ergeben. Denn zweifellos ist ein wesentlicher Faktor, der die Misere Homosexueller in vielen Afrikanischen Ländern bedingt, auch der mangelhafte Zugang zu Bildungschancen, weit verbreiteter Analphabetismus und die damit einhergehende Anfälligkeit für Demagogen. Ist die Misere Homosexueller in Uganda also letztlich lediglich eine Folge der regionalen sozio-ökonomischen Faktoren (Bildung, wirtschaftliche Unsicherheit)? Wird in Uganda möglicherweise die Bibel fehlinterpretieret, während in Europa das Christentum „richtig“ im Sinne einer „Religion der Nächstenliebe“ verstanden und gelebt wird?
Sicherlich nicht, und dafür sprechen eine Reihe von Gründen:

  1. Die katholische Kirche genießt im vergleichsweise säkularen Deutschland und erst recht in stark religiös geprägten Staaten wie Uganda noch immer hohen Einfluss. Diesen nutzt sie auch nach Kräften, wenn es darum geht, legale Abtreibungen, eingetragene Partnerschaften und aktive Sterbehilfe zu verhindern, und jedem aufmerksamen Beobachter sind die Positionen der katholischen Kirche hierzu bekannt. Dieser Einfluss wird jedoch konsequent nicht genutzt, um Gruppen, die durch die christliche Sexualethik an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, vor religiös und politisch motivierten Hetzreden zu schützen. Das lange und unüberhörbare Schweigen des Papstes zu den Äußerungen des Holocaust-Leugners Williamson findet seine tägliche Entsprechung im Schweigen des Vatikans zu den Diffamierungen Homosexueller durch katholische Prediger in vielen Ländern Afrikas. Eine Organisation, die ihre Pfarrern und Bischöfen zur zölibatären Lebensweise verpflichten kann, sollte dazu in der Lage sein, Bischöfe und Pfarrer, die im Namen dieser Organisation Thesen verbreiten, die menschenverachtend sind oder in absehbarer Weise die soziale Ausgrenzung von Minderheiten bewirken, entsprechend zu reglementieren. Dies erfolgt aber ganz offensichtlich nur dann, wenn zu befürchten steht, dass die in den säkularen Industriestaaten verbliebenen (und zahlungskräftigen) Mitglieder auszutreten drohen. Ist dies – wie in diesem Fall – nicht zu befürchten, weil die Rechtslage einer sexuellen Minderheit in einem afrikanischen Staat in Deutschland – im Gegensatz zur Holocaustproblematik (Williamson) - nur die wenigsten interessieren bzw. zum Kirchenaustritt animieren dürfte, so stört sich der Vatikan offensichtlich nicht an den Botschaften, die seine Vertreter in afrikanischen Ländern unter das Volk bringen.
     
  2. Die Bibel enthält mehrere Stellen (Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10), in welchen Homosexualität explizit verurteilt, teils als todeswürdige Sünde bezeichnet wird. Oftmals wird von christlichen Apologeten angeführt, diese Stellen würden sich nur auf homosexuelle Handlungen, nicht auf die Orientierung selbst beziehen, oder man dürfe die Bibel nicht wörtlich nehmen und solle sich vielmehr am Gedanken der Nächstenliebe orientieren, welcher ebenfalls in der Bibel zum Ausdruck käme. Hierzu ist zu sagen: Wer ein Buch, in welchem mehrfach und explizit Mord und Folter an Andersdenkenden und Anderslebenden als der göttlichen Vorsehung entsprechend verherrlicht wird, anderen Menschen als moralisch normgebendes Werk empfiehlt, macht sich mitschuldig daran, wenn zumindest ein Teil dieser Menschen diese Botschaften auch ernst nimmt und in die Praxis umsetzt. Insbesondere dann, wenn die Bibel Menschen als moralische Leitlinie empfohlen wird, die aufgrund mangelnder Bildungsmöglichkeiten keinen Zugang zu alternativen Informationsquellen (über Menschen- und Verfassungsrechte und über wesentliche politische, ökonomische und biologische Bedingungen der eigenen Existenz) verfügen.
     
  3. Die anglikanische Kirche ist eine weltweite christliche Kirchengemeinschaft. Anders als die katholische Kirche ist sie nicht zentralistisch bzw. streng hierarchisch organisiert, sondern besteht aus mehreren selbstständigen Landeskirchen bzw. Provinzen. Auch wenn den anglikanischen Kirchen eine zentrale Steuerungsinstanz analog der des Vatikans fehlt, liegt es auch hier letztlich in der Verantwortung jeder einzelnen (und damit auch der deutschen!) Landeskirche, ob sie weiterhin Mitglied der weltweiten anglikanischen Kirche bleiben will, wohl wissend, dass im Namen der anglikanischen Kirche Ugandas und anderer afrikanischer Staaten Priester und Bischöfe agieren, welche sich durch übelste Polemik an der Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten schuldig machen und die sich durch Stützung von Gesetzentwürfen wie etwa dem Anti-Homosexuellen Gesetzentwurfes an der Erodierung basalster rechtsstaatlicher Standards schuldig machen. Auch jeder Einzelne, der hier in Deutschland Mitglied der anglikanischen Kirche ist, sollte sich fragen, ob er sich durch eine globale Dachorganisation vertreten sehen möchte, die oben zitierte Positionen in den Reihen führender Landesvertreter dieser Organisation akzeptiert.
     
  4. Die weitgehende Akzeptanz von Homosexuellen von einfachen Kirchenmitgliedern in Deutschland darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Führungsgremien insbesondere in der katholischen Kirche, in welcher die Laien ohnehin kein Mitwirkungsrecht hinsichtlich religiöser Lehrinhalte haben, nach wie vor ganz offiziell Positionen vertreten, die schlicht als homophobe Demagogie bezeichnen werden müssen.

So finden sich im Katechismus der Katholischen Kirche folgende Aussagen zum Thema Homosexualität:

  • Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“ KKK 2358: 1997 (lat.) / 2003 (dt.)

Nachdem also Homosexualität und damit entsprechend auch Homosexuelle zunächst als „objektiv ungeordnet“ diskreditiert werden, die angeblich an ihrer Neigung leiden würden (was angesichts der Tatsache, dass außer denjenigen, die als Kind eine Erziehung im Sinne der christlichen Sexualmoral „genossen“ haben und dadurch in Gewissenskonflikte mit ihrer Homosexualität kommen, niemand an seiner Homosexualität leidet, an argumentativer Infamie kaum zu überbieten ist), werden nun Homosexuellen gegenüber verächtlich-paternalistische Töne angestimmt: Den vom Schicksal beschwerten und „Geprüften“ sei also mit „Mitleid“ zu begegnen.

Wer jetzt aber meinen sollte, die Katholische Kirche hätte sich mit der Verwahrung gegen „ungerechte Zurücksetzung“ gegen Diskriminierung im heute allgemein verwendeten Wortsinn ausgesprochen, irrt sich, denn abgelehnt wird hier nur die „ungerechte“ Zurücksetzung. Was der Unterschied zwischen einer „gerechten“ und „ungerechten“ Zurücksetzung sein soll, wird nicht weiter erläutert und unterliegt wohl der Meinung der katholischen Kirche. Dafür ist der Katechismus an anderen Stellen umso klarer:

  • „...die homosexuellen Handlungen (sind) in sich nicht in Ordnung". Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“ […] Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, […] können und sollen sie sich – […] der christlichen Vollkommenheit annähern“. (Quelle: Katechismus 1997)

Wer es noch deutlicher haben möchte, möge sich ein Schreiben der Kongregation für Glaubenslehre der katholischen Kirche (Kardinal Ratzinger) vom Juli 1992 an die US-amerikanischen Bischöfe zu Gemüte führen, in welchem die katholische Vorstellung von der Rolle Homosexueller in unserer Gesellschaft etwas konkreter und lebenspraktischer ausformuliert ist. Darin heißt es, die Rechte Homosexueller Menschen könnten aufgrund ihres Verhaltens, das als objektiv ungeordnet zu bezeichnen sei, zu Recht eingeschränkt werden:

  • There are areas in which it is not unjust discrimination to take sexual orientation into account, for example, in the placement of children for adoption or foster care, in employment of teachers or athletic coaches, and in military recruitment.

Es wird hier also die Auffassung vertreten, bei der Einstellung von Menschen sei bei bestimmten Berufsgruppen eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung legitim, ja wohl sogar moralisch geboten. Im Klartext erklärt die Glaubenskongregation in diesem Schreiben Homosexuelle für ungeeignet, als Lehrer, Sportlehrer oder Soldat zu arbeiten. Die Beschränkung der Rechte von Homosexuellen wird dabei analog der Beschränkung der Rechte geistig Kranker legitimiert:

  • Homosexual persons, as human persons, have the same rights as all persons including the right of not being treated in a manner which offends their personal dignity (cf. No. 10). Among other rights, all persons have the right to work, to housing, etc. Nevertheless, these rights are not absolute. They can be legitimately limited for objectively disordered external conduct. This is sometimes not only licit but obligatory. This would obtain moreover not only in the case of culpable behavior but even in the case of actions of the physically or mentally ill. Thus it is accepted that the state may restrict the exercise of rights, for example, in the case of contagious or mentally ill persons, in order to protect the common good.“ (Quelle: Some Considerations Concerning the Response to Legislative Proposals on Non-discrimination of Homosexual Persons, 23. Juli 1992; veröffentlicht im L'Osservatore Romano am 24. Juli 1992)

Das Schreiben der Glaubenskongregation fordert implizit den Ausschluss einer gesellschaftlichen Gruppe von mehreren Berufszweigen, bzw. stilisiert diese Gruppe zur gesellschaftlichen Gefahr, deren Rechte man – in bester Absicht – analog zum Schutz der Bevölkerung vor ansteckenden Geisteskrankheiten – beschränken könne und ggf. auch sollte. Eine Begründung, was die katholische Kirche dazu veranlasst, Homosexualität in die Nähe einer gefährlichen ansteckenden Krankheit zu stellen, wird selbstredend nicht genannt.

Zwar wird in dem zitierten Schreiben physische Gewalt gegen Homosexuelle explizit verurteilt. Gleichzeitig werden aber kräftig Vorurteile geschürt, die in vielen Ländern gerade die Ursache für eben diese Gewalt darstellen. So findet sich in besagtem Schreiben – ohne irgendeine nachvollziehbare Begründung – auch der folgende Satz: “Even when the practice of homosexuality may seriously threaten the lives and well-being of a large number of people, its advocates remain undeterred and refuse to consider the magnitude of the risks involved".

Wie oben gezeigt, beruht die Homophobie in Uganda zu einem erheblichen Teil auf Argumentationsmustern, wie sie (mit etwas anderer Rhetorik) auch in Europa bzw. Deutschland von christlichen Religionsgemeinschaften vertreten werden, die sich auf die Bibel als normative Quelle berufen. Hinzu kommen noch organisatorische Verflechtungen mit den jeweiligen Ugandischen Landeskirchen. Insofern hat die Situation Ugandas durchaus Implikationen für die Bewertung z.B. der katholischen Kirche hierzulande: Uganda zeigt, wohin gesellschaftlich und politisch aktiv gelebte christliche (Sexual) Moral in letzter Konsequenz führt, wenn diesen Gedanken keine aufgeklärte Öffentlichkeit und gefestigte rechtsstaatliche Strukturen entgegenstehen.