BESSLICH. (hpd) In dem soeben erschienenen Buch „Leibniz war kein Butterkeks“ gehen Michael Schmidt-Salomon und seine Tochter Lea auf die Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lebens. Dem hpd gaben sie dazu ihr erstes gemeinsames Interview.
hpd: Laut Verlagsankündigung startet euer Buch mit einer Erstauflage von 25.000 Exemplaren. Das ist beachtlich für ein philosophisches, humanistisches Buch...
Michael Schmidt-Salomon: Ja, ich finde das auch bemerkenswert. Natürlich hoffen wir, dass die Erwartungen des Verlags auch erfüllt werden, doch das kann natürlich niemand vorhersehen. Für das Buch spricht sicherlich, dass es einen sehr lockeren, humorvollen Ton hat. Es ist insgesamt viel leichter zu lesen als meine sonstigen philosophischen Veröffentlichungen, etwa das „Manifest des evolutionären Humanismus“ oder „Jenseits von Gut und Böse“. Trotzdem ist es von seinen Inhalten her keineswegs flach. Immerhin behandeln wir einige der fundamentalen Fragen des Lebens. Zu vielen Themen, die wir in dem Buch diskutieren, habe ich mich zuvor auch noch nie öffentlich geäußert – schon allein deshalb, weil mich niemand danach gefragt hat.
Im Vorwort beschreibt ihr, wie es zur Entstehung des Buchs kam: Lea hatte vergeblich versucht, „Jenseits von Gut und Böse“ zu lesen.
Lea Salomon: Stimmt. Ich war über das Buch richtig verärgert! Warum, fragte ich mich, verstehe ich meinen Vater sofort, wenn er mit mir spricht – und verstehe nur noch „Bahnhof“, sobald er ein Buch über das gleiche Thema schreibt? Irgendwann habe ich ihn dann gefragt, ob er nicht einmal ein Buch machen will, in dem er genauso einfach und verständlich schreibt, wie er mit mir spricht. Die Idee hat ihm auf Anhieb gefallen - und zum Glück auch dem Verlag
„Leibniz war kein Butterkeks“ ist ja ein recht ungewöhnlicher Titel für ein Buch, das sich den großen Fragen der Philosophie widmet. Wie kam es dazu?
Michael: Nun, am Anfang unserer Zusammenarbeit hatte ich Lea gefragt, welche Themen sie denn interessieren würden. Ich war sehr überrascht, als sie gleich zu Beginn mit der wohl dunkelsten aller dunklen metaphysischen Fragen ankam: Gibt es einen Grund dafür, dass wir existieren? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Das erinnerte mich an die Philosophen Heidegger und Leibniz…
Lea: Dummerweise war mir Leibniz aber bis dahin nur als Butterkeks bekannt...
Michael: Was ich wiederum ziemlich witzig fand. Also habe ich den Gag im Buch verarbeitet. Offenbar hat das auch den Leuten vom Verlag gefallen. Jedenfalls schlugen sie den Titel „Leibniz war kein Butterkeks – Den großen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur“ vor. Ursprünglich lautete unser Arbeitstitel: „Vom Sinn und Unsinn des Lebens – Über uns Menschen, das Universum und den ganzen Rest“.
Das klingt nach Douglas Adams…
Michael: Der Humor von „Per Anhalter durch die Galaxis“ war ja auch eine wichtige Inspirationsquelle für unser Buch! Neben Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Marx oder Darwin haben wir sehr bewusst auch auf die Lebensweisheiten von Woody Allen, Karl Valentin und Monty Python zurückgegriffen. Wir wollten zeigen, dass Philosophie keine dröge Veranstaltung für angestaubte Akademiker ist, sondern dass es wirklich Spaß machen kann, sich auf das „Abenteuer Philosophie“ einzulassen.
Dennoch behandelt ihr im Buch einige sehr ernste Themen wie Suizid, Sterbehilfe, Mord, globale Armut, industrielle Tierhaltung, um hier nur einige wenige zu nennen.
Lea: Klar! Denn das gehört ja zum Leben dazu. Wir wollten kein Buch schreiben, das an der Oberfläche bleibt. Es sollte neben den schönen Dingen auch die Probleme ansprechen, die Menschen belasten, zum Beispiel Krankheit und Tod. Mich hat auch das Thema „Gerechtigkeit“ interessiert: Was ist denn überhaupt „gerecht“? Früher hätte ich auf solche Fragen keine Antwort gewusst. Durch die Gespräche, die wir führten, habe ich viel dazu gelernt. Vor allem haben mir auch die „Wissensinseln“ geholfen, die mein Vater als Ergänzung zu den Gesprächen geschrieben hat. Durch sie bekommt man einen schönen Einblick in die Welt der Philosophie. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass manche Philosophen schon vor 2500 Jahren sehr moderne Ansichten vertreten haben.
Wie sah denn eure Zusammenarbeit konkret aus? Habt ihr wirklich gemeinsam am Schreibtisch gesessen und das Buch verfasst?
Lea (lacht): Nein, ich bin doch schon froh, wenn ich meine Hausarbeiten für die Schule ordentlich hinkriege! Im eigentlichen Sinne hat also mein Vater das Buch geschrieben. Zuvor haben wir jedoch Gespräche geführt, die er dann in den einzelnen Kapiteln verarbeitet hat. Wenn er mir dabei etwas in den Mund gelegt hat, was ich so nie und nimmer gesagt hätte, habe ich mich natürlich gewehrt.
Die Gespräche im Buch sind also nicht absolut authentisch?
Lea: Nee, ansonsten würde man auf jeder zweiten Seite ein „Hä?“, „Puh!“ oder „Echt?“ lesen. Ich drücke mich nicht so gewählt aus, dass man es gleich in einem Buch abdrucken könnte.
Michael: Wer tut das schon? Auch ich bin im wahren Leben längst nicht so eloquent, wie es im Buch rüberkommt. In unseren Gesprächen habe ich schon häufiger den Faden verloren, hin und wieder musste ich auch irgendwo nachschauen, weil mich mein Gedächtnis mal wieder im Stich gelassen hatte. Derartige Hänger wollten wir den Lesern natürlich ersparen. Das Buch enthält also „idealisierte Gespräche“: So hätten wir miteinander gesprochen, wenn wir beiden ein gutes Stück klüger wären – oder zumindest etwas weniger vergesslich.
Auf der Website zum Buch erfährt man ja einiges über euch – unter anderem, dass auch Lea ziemlich vergesslich ist. Hat sie das von dir geerbt?
Michael: Ja, ich fürchte, ich habe ihr ein paar meiner Gamma-Gene vererbt. Tut mir echt leid…
Lea: Schon gut. Du hättest mir sicherlich bessere Gene vererbt, wenn du sie bloß gehabt hättest…
Michael: Ist auch wieder wahr…
Wenn man euch so reden hört, würde man nicht meinen, dass so etwas wie eine „kulturelle Kluft“ zwischen euch liegt. Auf der Website zum Buch heißt es aber: „Er sammelt Bücher – Sie sammelt Schuhe“. Außerdem erfährt man, dass sich Lea zum 15. Geburtstag eine weiße Damentasche mit einem kleinen Hund darin gewünscht hat, weil sie das bei Paris Hilton gesehen hatte. Du, Michael, hattest an deinem 15. Geburtstag eine Schopenhauer-Gesamtausgabe auf dem Wunschzettel …
Lea (lacht): Wir wollten auf witzige Weise die Unterschiede zwischen uns zum Ausdruck bringen, die es ja tatsächlich gibt. Allerdings ist das mit meiner Schuhsammlung schon schwer übertrieben. Mein Vater hat sicherlich 500mal mehr Bücher als ich Schuhe habe. Und aus der Paris-Hilton-Phase bin ich auch schon längst herausgewachsen…
Michael: Glücklicherweise! Damals war ich jedoch ziemlich konsterniert: Ich habe mir ernsthaft überlegt, ein Buch mit dem Titel „Das Drama der begabten Eltern“ zu schreiben – gewissermaßen das Gegenbuch zu Alice Millers „Drama des begabten Kindes“.
Lea: Dabei war das, was ich damals wollte, völlig normal für mein Alter. Sich mit 15 Jahren eine Schopenhauer-Ausgabe zu wünschen, ist dagegen völlig schräg! Sowieso würdest du bei einer Wahl zum „schrägsten Vogel“ mit Sicherheit einen der vorderen Plätze belegen. Das wird jeder bestätigen, der einmal gesehen hat, wie du hin und her rennst, wenn du einen Text formulierst. Wenn der Boden gepflastert ist wie bei euch im Wintergarten, dann sieht das exakt so aus wie Jack Nicholson in seiner Rolle als Zwangsneurotiker in „Besser geht’s nicht“.
Michael (lacht): Ja, das gebe ich zu.
Zurück zum Buch: Hin und wieder gibt es da religionskritische Passagen, vor allem in den Kapiteln „Was können wir wissen?“, „Gibt es einen Gott?“ und „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“. Insgesamt aber scheint das Thema „Religionskritik“ mehr in den Hintergrund zu rücken als in deinen letzten Büchern.
Michael: Stimmt, allerdings war Religionskritik auch in „Jenseits von Gut und Böse“ nur ein Randthema. Im Grunde ist zum Thema „Religionskritik“ ja auch alles Wesentliche schon gesagt worden – und ich habe keine Lust, mich andauernd zu wiederholen. Zudem sollte klar sein, dass Humanismus viel mehr meint, als sich bloß vom Zwangskorsett der Religion zu befreien. Ich denke, das kommt in dem neuen Buch ganz gut zum Ausdruck.
Im Umfeld der Giordano-Bruno-Stiftung wurde in den letzten Jahren ja immer wieder angemahnt, dass Veröffentlichungen zum evolutionären Humanismus auch für Jugendliche interessant sein sollten. Ist „Leibniz war kein Butterkeks“ nun so eine Art „Jugendbuch-Ausgabe“ des „Manifests“, also eine „U18-Grundlagenschrift“ der gbs?
Michael: Natürlich ist das Leibniz-Buch aus der Perspektive des evolutionären Humanismus heraus geschrieben und ich denke auch, dass das Leibniz-Buch gerade für Jugendliche nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam ist. Im eigentlichen Sinne ist es aber sicherlich kein Jugendbuch. Es richtet sich vielmehr an Menschen jeden Alters. An die, die sich schon lange mit Philosophie beschäftigen, wie auch an jene, die normalerweise kein Philosophie-Buch freiwillig anfassen würden. Schließlich gehen die Themen, die wir in dem Buch behandeln, jeden Einzelnen an. Ich bin überzeugt, dass wir uns alle hin und wieder die Frage stellen, was das Ganze eigentlich soll, wofür sich all der Aufwand lohnt, der mit dem Leben Tag für Tag verbunden ist. Ich will ja nicht behaupten, dass wir in dem Buch die ultimative Antwort auf die Frage nach dem „Leben, dem Universum und den ganzen Rest“ gefunden haben, aber als kleine Orientierungshilfe im Dschungel der Philosophie ist „Leibniz war kein Butterkeks“ sicherlich gut geeignet. Vor allem auch, weil das Buch zeigt, dass man der Frage nach dem „Sinn und Unsinn des Lebens“ keineswegs nur mit „gesundem Menschenverstand“ begegnen sollte, sondern auch mit einer ordentlichen Prise Humor…
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Fiona Lorenz
Auf der „Website zum Buch“ gibt es weiterführende Informationen zum Buch und den Autoren. Dort erfährt man auch die Termine der Buchlesungen. Im April sind u. a. Lesungen in Frankfurt, Heidelberg, Hamburg und Osnabrück geplant.