ERLANGEN. (hpd/bfg) „Der Titel des Vortrags lautet: Menschenrechte oder Gottesstaat? Wohin führt der Weg der arabischen Revolution? ... Ich habe keine Ahnung.“ So die erfrischend ehrlichen einleitenden Worte von Hamed Abdel-Samad bei seinem Vortrag in Erlangen, zu dem der Bund für Geistesfreiheit und die Regionalgruppe Mittelfranken der Giordano-Bruno-Stiftung eingeladen hatte.
Hamed Abdel-Samad, der einem breiteren Publikum durch die Fernsehserie „Entweder Broder - Die Deutschland Safari“ bekannt wurde, stammt aus Ägypten und hat die Revolution auf dem Tahrir-Platz hautnah miterlebt, sowohl die Euphorie als auch die Gewaltexzesse. Er wurde selbst als ausländischer Journalist von Mubaraks Leuten massiv bedroht.
Auch wenn Abdel-Samad sich keine Prognose in Bezug auf die arabische Revolution zutraut, so ist er doch kühnen Prognosen nicht generell abgeneigt. Das zeigt der Titel seines zweiten Buches: „Der Untergang der islamischen Welt: Eine Prognose.“ (2010). Innovationsfeindlichkeit, Bildungsmisere, Armut, ökologische Probleme und der schwindende Ölreichtum seien die Faktoren, die ihn zu seiner vordergründig pessimistischen Prognose führen. Und natürlich die Religion. Sie stehe im Zentrum dieser Kultur, und sie sei auch ihr zentrales Problem. Sie habe niemals gelernt, kritisch mit sich selbst umzugehen. Sie zementiere Unrechtsregime, sie verhindere Bildung und Innovation, sie lasse das riesige Potenzial der überwiegend jungen Bevölkerung brach liegen.
Die Jugend will eine Perspektive
Und dennoch, in seinem Vortrag zeichnete er einen überaus positiven Ausblick. Die religiösen Kräfte seien von den Ereignissen vollkommen überrumpelt worden, und als sie auf den fahrenden Zug aufzuspringen versuchten, habe die Mehrheit der Demonstranten sie daran gehindert. Abdel-Samad setzt auf die Macht der Jugend gegen die Bedrohung einer religiösen Zwangsherrschaft. Die jungen Leute wollten keine zweite iranische Revolution, sie wollten eine Perspektive für ihr Leben. Der Westen allerdings müsse diese Bemühungen unterstützen, nicht zuletzt durch die Schaffung fairer wirtschaftlicher Bedingungen.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das deutsche Publikum diese Position zwar sympathisch, aber überwiegend doch auch sehr blauäugig fand. Sehr viel Skepsis wurde laut, insbesondere immer wieder in Bezug auf die Rolle der Muslim-Bruderschaft.
Ein starkes Argument für seinen Optimismus sieht Abdel-Samad im Internet und den sozialen Netzwerken. Abschottung und religiöse Indoktrinierung der Massen sei heute praktisch nicht mehr möglich. Facebook eröffne der arabischen Jugend ein Fenster in den Westen, das Mullahs und Imame nicht schließen können.
Aber diese zersetzende Wirkung auf verkrustete Vorurteile entfalten die neuen Medien auch in die andere Richtung. Die alten Medien bedienen uns allzu oft mit dem Bild des Arabers, der nur als Teil eines fanatisierten Mobs vorkommt, als bedrohliche Masse. Aber vor einiger Zeit machte ein ergreifendes Youtube-Video arabischer Atheisten die Runde. Sie zeigten ihr Gesicht, obwohl sie wussten, was sie damit riskieren. Es sind Menschen wie diese und wie Hamed Abdel-Samad, die es mit Hilfe der neuen Kanäle schaffen könnten, auch unsere Vorurteile über die arabische Welt zu erschüttern.
Harald Stücker





