Das MediBüro braucht Hilfe

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Der Flur des MediBüros / Foto. Frank Navissi

BERLIN. (hpd) Vor wenigen Tagen machte ein Brandbrief die Runde: “Das MediBüro ist pleite” hieß es dort. Grund genug für den hpd, nachzuschauen, was dieses “Büro für medizinische Flüchtlingshilfe” ist und was es tut.

Im Mehringhof findet man im zweiten Stock einen langen Flur, in den Gängen Stühle, denen man ihr Alter ansieht. Vor einer unscheinbaren Tür sitzen Menschen. Einige erwartungsvoll, andere schauen ängstlich auf mich. Ich fühle mich als Eindringling in eine Welt, der ich nicht angehöre.

Es sind Illegalisierte: Menschen, die sich ohne Papiere in Berlin aufhalten. Und es sind Menschen, die krank sind und im Sinne des Artikels 25 der “Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” ihr Recht wahrnehmen wollen, medizinische Hilfe zu erhalten. Das MediBüro hilft ihnen dabei. Es ist eines von mehreren, Es ist eines von inzwischen über zwanzig Medibüros in verschiedenen Städten Deutschlands

In Berlin leben geschätzte 100.000 illegalisierte Menschen. Bereits seit 15 Jahren finden einige von ihnen den Weg zum Medibüro im Mehringhof. Bei etwa eintausend Vermittlungen kann das MediBüro jährlich helfen. Das Büro ist keine Arztpraxis. Es ist eine Vermittlungsstelle zu Ärzten, die es als ihre ärztliche und menschliche Pflicht ansehen, erkrankten Menschen zu helfen unabhängig von deren “rechtlicher Stellung”. Diese Ärzte und auch alle Mitarbeiter des Medibüros arbeiten unentgeltlich. Die Spenden werden komplett dafür verwandt, die medizinische Versorgung der Bedürftigen zu finanzieren. So können Ärzte zwar umsonst arbeiten; die Nutzung von technischen Geräten, Medikamente und Hilfsmittel jedoch gibt es nicht umsonst. Hierfür werden die eingenommen Spenden eingesetzt. Auch Operationen, Zahnersatz, Brillen, Geburten oder Schwangerschaftsabbrüche werden davon bezahlt. Das jedoch ist im Moment nicht möglich, da das Geld fehlt.

Die Hilfesuchenden kommen vor allem aus Afrika, Lateinamerika und Osteuropa. kommen zunehmend aus Südosteuropa.Der Anteil von neuen EU-Bürgern und -Bürgerinnen aus Südosteuropa ist in den letzten Jahren gestiegen. Es sind Menschen, die teilweise inzwischen zwar Bürger von EU-Staaten sind, dort aber auch nicht krankenversichert sind.

Elène Misbach vom MediBüro sagte: “Unser Ziel ist, uns überflüssig zu machen. Denn wir sehen hier den Staat in der Pflicht. Da er diese nicht erfüllt und es bislang keine politische Lösung für den Zugang Illegalisierter zum Gesundheitssystem gibt, vermitteln wir medizinsche Behandlung unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Damit bewegen wir uns schon immer in dem Widerspruch: Einerseits eine notwendige, weil vom Staat verweigerte, Arbeit zu leisten, die für die Betroffenen existenziell ist. Andererseits die staatlichen Organe nicht aus der Verantwortung entlassen zu wollen und keine sich permanent selbst verfestigende Parallelstruktur aufbauen zu wollen.Glücklicher wären wir, wenn das nicht mehr nötig wäre.“

Deshalb arbeitet die Gruppe auch auf anderen Ebenen. Die Mitglieder vom MediBüro sehen sich eher als politisches Projekt und nicht vorrangig als soziale Einrichtung. Deshalb verhandeln sie auch seit mehr als einem Jahr mit verschiedenen Senatsstellen. Unter anderem auch über die Einführung des “anonymen Krankenscheines”. Denn im Moment können die Betroffenen nicht gefahrlos Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Lassen sie sich ärztlich behandeln und wollen, dass das Sozialamt entsprechend ihres Rechtsanspruchs, die Kosten für die Behandlung nach Asylbewerberleistungsgesetz übernimmt, stehen sie vor einem Problem. Die Sozialämter sind nach Paragraph 87 Aufenthaltsgesetz zur Meldung an die Ausländerbehörde verpflichtet. Das jedoch bedeutet, dass ein erkrankter Illiegalisierter abgeschoben werden kann.

Mit dem “anonymen Krankenschein” wäre diese Gefahr für die Flüchtlinge gebannt. Frau Misbach berichtet, dass die Verhandlungen bislang vor allem daran scheitern, dass der Innensenat seine ordnungspolitische Sicht vor gesundheitspolitische und menschenrechtliche Perspektiven stellt

Der Staatsekretär der Senatsgesundheitsverwaltung, Benjamin Hoff (Linke) hat dem MediBüro finanzielle Unterstützung angeboten. Allerdings - so Frau Misbach - möchte das MediBüro von staatlichen Mitteln unabhängig bleiben “weil wir den Staat eben nicht aus der Verantwortung entlassen wollen. Wir wollen keine staatliche Finanzierung von Parallelstrukturen wie dem Medibüro, sondern strukturelle Lösungen, die den Rechtsanspruch auf Gesundheitsversorgung einlösen. Mit einer kurzfristigen Finanzierung mag uns für die nächsten paar Monate geholfen sein. Aber damit ist keine politische Lösung in Sicht.”

Es wäre schön, wenn eines Tages die Stühle im Gang des zweiten Stocks des Mehringhofes leer blieben.

F.N.

 

Mehr Infos über das MediBüro auf deren Webseite.

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