Kirche unterm Hakenkreuz

(hpd) Gerne schreiben die deutschen Großkirchen auf ihre Fahnen, sich entschieden gegen den Nationalsozialismus gewehrt zu haben. Doch bis auf vereinzelte Vertreter der Kirche: Was taten die ganzen Landeskirchen, Bischöfe und Kirchenräte denn wirklich? Edgar Dahl hat recherchiert.

In der am 19. Oktober 1945 in Stuttgart verlesenen „Schulderklärung der evangelischen Christenheit Deutschlands“ heißt es:

„Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Zweifellos gab es viele evangelische Christen, die den nationalsozialistischen Geist bekämpft haben. Allerdings müssen sie sich in diesem Kampf recht allein gefühlt haben. Denn anders als uns das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ Glauben zu machen sucht, haben sie nur wenig Unterstützung von der Evangelischen Kirche Deutschlands erhalten. Wie ein Blick auf die öffentlichen Verlautbarungen zeigt, haben die damaligen Landeskirchen, Bischöfe und Kirchenräte das Dritte Reich eher gestützt als bekämpft.

Schon unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 rief das Amtsblatt der Kirchenprovinz Sachsen seine Pfarrer dazu auf, des Geburtstages des Führers zu gedenken und ihre Kirchen feierlich zu schmücken.

Den gegenüber dem neuen Regime noch vorsichtigen Kirchgemeinden rief Das Amtsblatt der Braunschweigischen Landeskirche am 5. Mai 1933 entgegen: „Nun, deutsche evangelische Christenheit, nun tritt nicht zögernd, sondern freudig und kraftvoll auf den Plan auch mit deinem ‚Deutschland erwache!’

Anlässlich der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 ermunterte Das Evangelische Deutschland seine Gemeinden dazu, tatkräftig zu helfen: „Nicht allein auf die symbolische Handlung des Verbrennens kommt es an. Eine gründliche Bereinigung des Schrifttums muß erfolgen. Wer wollte diese Arbeit nicht unterstützen, wer wollte dabei nicht selber anpacken?“

Um ihren Gemeinden die Auswahl der zu verbrennden Bücher zu erleichtern, wurde eine „Reichsschundkampfstelle der evangelische Jungmännerbünde“ mit Sitz in der Berliner Sophienstr. 19 gegründet. Dort konnte man kostenlos „Material zur Schund- und Schmutzbekämpfung“ anfordern.

Am 11. September 1933 erließ die Lippische Landeskirche eine neue „Grußordnung“, die alle Angestellten zum Hitlergruß verpflichtete. Im Gesetz- und Verordnungsblatt der Lippischen Landeskirche hieß es: „Für die Lippische Landeskirche ordnen wir hiermit folgendes an: Sämtliche Pfarrer, Beamte, Angestellte der Landeskirche sowie der Kirchengemeinden grüßen im Dienst und innerhalb der dienstlichen Gebäude und Anlagen durch Erheben des rechten Armes.“

Vorauseilender Gehorsam

In einem ähnlichen Akt vorauseilenden Gehorsams erließ die Thüringische Landeskirche am 12. September 1933, also bereits zwei Jahre vor dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze, eine Verordnung zum Ausschluss von „nichtarischen“ Pfarrern. In Paragraph 1 des im Thüringer Kirchenblatt veröffentlichten „Gesetzes über die Stellung der kirchlichen Amtsträger zur Nation“ hieß es: „Nicht berufen werden darf, wer nichtarischer Abstammung oder wer mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist.“

Am 28. Januar 1934, also kurz vor dem ersten Jahrestag der Machtergreifung Hitlers schrieb Das Evangelische Deutschland: „Am 30. Januar jährt sich zum erstenmal der historische Tag, an dem Adolf Hitler vom Reichspräsidenten mit der Führung des deutschen Volkes betraut wurde. Dankerfüllt blickt die Nation auf dies Ereignis und auf die damit eingeleitete Wendung des deutschen Schicksals zurück: eine neue Epoche deutscher Geschichte nahm ihren Anfang, und die Taten dieses Jahres haben bestätigt, was damals das Volk erhoffte. Der Dank des Volkes ist auch der Dank der Kirche.“

Als Hitler das Saarland „heim ins Reich“ holte, hieß es in der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung vom 25. Januar 1935: „Der Landeskirchenrat der Evang.-Luth. Kirche in Bayern entbietet dem Führer und Kanzler zur Heimkehr der Saar die ehrerbietigsten Grüße und spricht ihm die herzlichsten Glückwünsche zu diesem großen und unter Gottes Führung errungenen Erfolg aus.

Angesichts der bevorstehenden Reichstagswahl von 1936 verkündete der Kirchliche Anzeiger am 11. März: „Die schlichte Pflicht der Dankbarkeit gegen Gott und die persönliche Verantwortung für Deutschland, dem in Nacht und Not durch Gottes Gnade ein wirklicher Führer zu neuem Aufstieg, zu Freiheit und Ehre geschenkt wurde, gebietet jedem wahlberechtigten deutschen Mann und jeder deutschen Frau, ihre Schuldigkeit zu tun. Vor der ganzen Welt gilt es, freudiges Zeugnis abzulegen, daß Adolf Hitler Deutschland ist und Deutschland Adolf Hitler.“

Der allmächtige Gott segnet des Führers Werk

Am 4. Juli 1936 berichtete die Kölnische Volkszeitung von Bischof Hermann Wilhelm Bernings Besuch in den Emslander Konzentrationslagern: „Der Besuch erfolgte auf Einladung des Kommandeurs, Standartenführer Schäfer, der den Gast mit seiner Begleitung mit herzlichen Worten willkommen hieß. In einer Ansprache an die Wachmänner, die er zu einem Glase Bier eingeladen hatte, drückte Bischof Berning seine große Befriedigung über die im Emsland durch das Dritte Reich geleistete Kulturarbeit aus. Zum Schluß seiner Ansprache brachte er ein dreifaches Sieg-Heil auf Führer und Vaterland aus.“

Am 14. März 1938 schrieb der Kirchliche Anzeiger über Österreichs „Heimkehr ins Reich“: „Wir stehen unter dem überwältigenden Eindruck einer der größten Stunden unserer deutschen Geschichte. Der österreichische Bruderstamm hat heimgefunden zum Reich. Sichtbar hat der allmächtige Gott das Werk des Führers gesegnet.“

Angesichts der Wundertaten des Führers entschloss sich die Evangelische Kirche der altpreußischen Union dazu, ihre Geistlichen auf den Führer zu vereidigen. Am 23. April 1938 verkündete sie im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche ihre neue Verordnung: „§ 1 Wer ein geistliches Amt in der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union erhält, hat seine Treuepflicht gegenüber Führer, Volk und Reich durch folgenden Eid zu bekräftigen: ‚Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reichs und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, so wahr mir Gott helfe.’ […] § 4 Wer sich weigert, den in § 1 vorgeschriebenen Treueid zu leisten, ist zu entlassen.“

Anlässlich der Rückkehr des Sudetenlandes hieß es am 5. Oktober 1938 in der Deutsch Evangelischen Korrespondenz: „Der Evangelische Bund, der seit Jahrzehnten mit den sudetendeutschen evangelischen Gemeinden Kampf und Sorge geteilt hat, dankt in unbeschreiblicher Freude dem Führer, daß er durch seine unerbittliche Entschlossenheit die Stunde der Freiheit für unsere Volks- und Glaubensbrüder heraufgeführt hat.“

Als im darauf folgenden Jahr auch das Memelland ins Reich zurück kehrte, hieß es in der Kirchlichen Rundschau für das Gesamtgebiet der Evangelischen Kirche Deutschlands vom 26. März 1939: „Nach zwei Jahrzehnten schmerzlichen und leidvollen Geschiedenseins ist das alte deutsche Ordensland wieder Glied des Deutschen Reiches! Das kraftvolle Handeln des Führers hat es uns wiedergeschenkt.

"Sein Auftrag ist unmittelbar von Gott"

Nach der Besetzung der Tschechoslowakei und vor Hitlers 50. Geburtstag schrieb Das Evangelische Deutschland am 16. April 1939: „Wenn der Führer des Deutschen Reiches – unser Führer, wie wir jetzt mit Stolz sagen dürfen – zum 50. Geburtstag viele Geschenke wird zugesandt erhalten, so soll unser Geschenk das sein, daß wir zu jenen Zehntausenden gehören wollen, auf welche er in der großen Ansprache im Reichstag am 30. Januar hingewiesen hat, denn wir denken immer des Geschenkes, das er uns gemacht hat durch die Übernahme des Böhmisch-Mährischen Protektorates in seinen mächtigen Schutz.“

Selbst nach dem Überfall auf Polen hat sich die Kirche hinter das Dritte Reich gestellt. Im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche vom 6. September 1939 erschien ein „Aufruf der Deutschen Evangelischen Kirche“, in dem es hieß: „Seit dem gestrigen Tage steht unser deutsches Volk im Kampf für das Land seiner Väter, damit deutsches Blut zu deutschem Blut heimkehren darf. Die Deutsche Evangelische Kirche stand immer in treuer Verbundenheit zum Schicksal des deutschen Volkes. Zu den Waffen aus Stahl hat sie unüberwindliche Kräfte aus dem Worte Gottes gereicht. So vereinigen wir uns auch in dieser Stunde mit unserem Volk mit der Fürbitte für Führer und Reich, für die gesamte Wehrmacht und alle, die in der Heimat ihren Dienst für das Vaterland tun.“

Gleich nach der Niederwerfung Polens schrieb das Kirchliche Amtblatt für die Freie Stadt Danzig: „Gott der Herr hat über unserer herrlichen deutschen Stadt und unserem Danziger Lande seine Güte und Gnade walten lassen und uns nach zwanzigjähriger Abtrennung vom Deutschen Reich die Heimkehr zum Großdeutschen Vaterland gewährt. Der von Gott unserem Volke gesandte Führer Adolf Hitler hat uns von den Fesseln des Versailler Diktats befreit und mit dem starken Arm der von ihm geschmiedeten Wehrmacht aus den drohenden Gefahren polnischer Gewalttaten erlöst.“

Als das von Georg Elser am 8. November 1939 durchgeführte Attentat auf Hitler scheiterte, schrieb Der Evangelische Bund unter der Überschrift „Nun danket alle Gott!“: „Voller Empörung über den verbrecherischen Anschlag danken wir Gott für die Bewahrung des Führers und bitten um weiteren Schutz und Segen.“

Ähnliche Worte konnte man auch nach dem Attentatsversuch durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom 20. Juli 1944 lesen. So hieß es etwa im Kirchlichen Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers am 21. Juli 1944: „Tieferschüttert von den heutigen Nachrichten über das auf den Führer verübte Attentat ordnen wir hierdurch an, daß am Sonntag, den 30. Juli im Kirchengebet der Gemeinde etwa in folgender Form gedacht wird:

‚Heiliger barmherziger Gott! Von Grund unseres Herzens danken wir Dir, daß Du unserm Führer bei dem verbrecherischen Anschlag Leben und Gesundheit bewahrt und ihn unserem Volk in einer Stunde höchster Gefahr erhalten hast.’“

Und selbst kurz vor Ende des Krieges bekräftigte die Thüringer Evangelische Kirche noch einmal: „Adolf Hitler ist für unsere lutherische Frömmigkeit wahrhaft der Führer von Gottes Gnaden. Sein Auftrag ist unmittelbar von Gott und sein Befehl ist Gottes Befehl!“

So sah also der Kampf gegen den nationalsozialistischen Geist aus, den die Evangelische Kirche Deutschlands im Dritten Reich geführt hat.

 

 

Der Artikel wurde am 23.8.2011 auch in den SciLogs veröffentlicht
 

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