Während Peter Menne noch die ernsten Passagen aus Deschners "Opus Diaboli" las, zog Helge Nyncke sich auf der Bühne päpstlich an: mit weißem Umhang ausstaffiert, von weißem Käppi gekrönt, las er aus "Weißer Rauch", einem Text nicht nur über Päpste in Frauenkleidern:
"...Die subtile Botschaft also lautet: du kannst gar nicht so verloren sein, wie du dich fühlst, wenn selbst ein hinfälliger asexueller Tattergreis in Frauenkleidern noch überraschende Vaterfreuden ganz ohne Weib und Kinder erleben kann! Nimm dir ein leuchtendes Beispiel an seinen stereotypen Wiederholungsgesten, dem ständigen Arme-ausbreiten ohne zu fliegen oder zu umarmen, der kreuzweisen Luftmalerei, die sich nicht zwischen oben oder unten, links oder rechts entscheiden kann und sich deswegen symbolisch auf ein unklares sowohl-als-auch reduziert hat, das Dauerlächeln ohne direkten Blickkontakt: alles Anzeichen hochgradig gestörter Verhaltensauffälligkeiten, aber auch damit kannst du reich und berühmt werden! Höre auf seine gesalbten Worte, die mit seniler Fistelstimme alles und nichts aus sich selbst heraus erklären, und wo das noch immer nicht reicht, es schlicht zum Geheimnis verklären: auch ohne etwas zu sagen, kannst du reden wie ein Buch! Und das wird dann sogar noch in Bestsellerauflagen in Buchform gedruckt!..." (Helge Nyncke, Weißer Rauch, in: Eine gotteslästerliche Floßfahrt)
War das satirisch überhöht? Oder einfach nur die Absurditäten der Kirche auf den Punkt gebracht? Das Publikum jedenfalls war begeistert. Von der Satire zurück zu den ernsten Seiten, beispielsweise kirchlicher Mission mit ihren tödlichen Folgen.
Bei "Mission" denkt man heute gerne an verschrobene Fundamentalisten, die mit buntem Pappschild einsam durch Fußgängerzonen ziehen, auf Gitarren schrammeln oder still wie die Zeugen Jehovas ihren "Wachtturm" mehr oder minder dekorativ in die Höhe halten. Nervend wird's erst, wenn zum Hausbesuch an sämtlichen Wohnungstüren geklingelt wird. Doch katholische Mission sieht anders aus - der katholische Bischof Bartolomé de Las Casas hat präzise notiert, wie Mission in Kuba, Haiti, ganz Südamerika gelaufen ist. Deschner montiert dessen Berichte kongenial mit päpstlichem Predigtston:
"'Die Christen', schreibt Las Casas, 'drangen unter das Volk, schonten weder Kind noch Greis, weder Schwangere noch Entbundene, rissen ihnen die Leiber auf und hieben alles in Stücke, nicht anders, als überfielen sie eine Herde Schafe ...' - '... um Christus, den Erlöser, zu verkünden', frohlockte der Papst, 'um die Würde der Eingeborenen zu verteidigen, für ihre unantastbaren Rechte einzutreten', 'das Reich Gottes ... bei euren Vorfahren präsent zu machen'. 'Sie wetteten miteinander, wer unter ihnen einen Menschen auf einen Schwertstreich mitten voneinander hauen, ihm mit einer Pike den Kopf spalten oder das Eingeweide aus dem Leibe reißen könne'. 'Seitdem', jubelte der Papst, 'öffnete sich dieses geliebte Volk hier dem Glauben an Jesus Christus.' " (Deschner, S. 210 f.)
Deschner zitiert den Bischof Las Casas über die Zahl der über der Mission verstorbenen Indios, die Ausrottung ganzer Völker - und wie Papst Woytila derlei Mission als Verbreiten de "frohen Botschaft" preist. Die Verbrechen der Amerika-Mission springen ins Auge. Dennoch läßt die Kirche sich als Instanz "moralischer Werte" hofieren. Was wäre, wenn...?
Was wäre, wenn das Strafrecht unvoreingenommen angewandt würde? Mit "Gott ist tot" imaginierte Nyncke einen Prozess vor dem internationalen Strafgericht in Den Haag. Angeklagt: ein gewisser "Gott" wegen Massenmordes an fast allen Menschen, Tieren und Pflanzen.
"...Das höchstrichterliche Urteil erging einstimmig und ohne die Möglichkeit einer Revision. Der Hauptangeklagte wurde in sämtlichen Anklagepunkten für schuldig befunden. An seiner Schuldfähigkeit hafteten allerdings grundsätzliche Zweifel hinsichtlich der Frage nach der Haftbarkeit im Falle des Nachweises seiner faktischen Nichtexistenz. Aufgrund eindeutiger Indizien für die Realität der Anklagepunkte bei gleichzeitiger Nichtfeststellbarkeit der Existenz des Angeklagten wurde er schließlich mit einem formaljuristischen Kunstgriff in Abwesenheit zum Tod durch die amtliche Streichung aus dem Register der real existierenden Wesen verurteilt. Gott existiert damit nun amtlich, rückwirkend, in Gegenwart und Zukunft nicht mehr.
In der Urteilsbegründung heißt es, die ihm zur Last gelegten Verbrechen überstiegen jedes vorstellbare Maß an Grausamkeit und Menschenverachtung und die ideologischen Grundlagen der seine Existenz suggerierenden Verherrlichung seiner Taten jedes Maß an Unvernunft, Verantwortungslosigkeit und Ignoranz... ." (Helge Nyncke, Gott ist tot, in: Eine gotteslästerliche Floßfahrt.')
Mit tosendem Applaus dankte das Publikum für Nynckes Gabe, Dinge literarisch gekonnt auf den Punkt zu bringen.