(hpd) Unkenntnis über die Evolutionstheorie wird problematisch, sobald es etwa um weltanschauliche und politische Diskussionen zur Intelligenz und Migration geht, zu Aggressionen, Moral und Willensfreiheit, in denen auf die (vermeintliche) Biologie des Menschen zurückgegriffen wird. Der Evolutionshistoriker Thomas Junker hat daher zur Klärung des „Streitfalls Evolution“ einige grundlegende Fakten zusammengetragen.
Wie der Titel schon vermuten lässt, hat Thomas Junker 101 Fragen zur Evolution beantwortet. Diese Fragen und Antworten sind in neun Kapiteln untergebracht und einige sind mit Bildern oder Schemata illustriert. Mithilfe des Buchs sollen „auch die öffentlich diskutierten Widerstände, Kritikpunkte und Missverständnisse“ geschildert werden, „mit denen sich die Evolutionsbiologie konfrontiert sieht“. (S. 12) Evolution wird dabei definiert als natürliche Auslese und Anpassung (Adaptionen) an die Umwelt.
Im Kapitel „Die größte Show im Universum“ geht es in den zehn Antworten, die teilweise ineinander übergehen, um die Definition von Evolution, ob es sich dabei um eine Tatsache oder Theorie handelt und weshalb es einerseits leicht, aber auch schwer ist, sie zu verstehen. Wie in den anderen Kapiteln greift der Autor immer wieder religiöse und besonders kreationistische Vorstellungen über die Evolution bzw. über die Sonderstellung des Menschen auf und erklärt sachlich aus der Perspektive der Biologie, wie derartige Standpunkte überhaupt entstanden sind und was man ihnen entgegenhalten kann.
Besonders auf Charles Darwin wird immer wieder Bezug genommen, es werden aber auch wichtige Beiträge anderer Biologen zur Evolutionstheorie gewürdigt. In „Die Entdeckung der Evolution“ wird demnach nicht nur der biologische Aspekt, sondern auch der historische Kontext gesehen, innerhalb dessen sich die Evolutionstheorie vormals nicht entwickeln konnte – beispielsweise in der Antike –, im 19. Jahrhundert aber schließlich doch Fuß fasste und unser Weltbild revolutionierte.
Fragen wie „Muss die Evolution zu Fortschritt führen?“ und „Warum sterben Arten aus?“ beantwortet Junker in „Das evolutionäre Bild der Welt“, um dann auf „Natürliche Auslese, Züchtung und Partnerwahl“ überzugehen, in dem erklärt wird, warum es überhaupt Männer gibt und warum wir altern und sterben. Die Entwicklungen seit der Entdeckung der Evolution sind Thema von „Was Darwin noch nicht wusste“ – hier kann man erfahren, was Arten sind, wie neue Gene entstehen und ob es zuerst die Pflanzen oder zuerst die Tiere gab.
Stammt er vom Affen ab?
Weiter geht es mit der „Evolution des Menschen“. Ob der Mensch vom Affen abstammt, warum Menschen das Feuer lieben bis hin zu den Moralvorstellungen, ob diese angeboren sind oder nicht, wird hier geklärt und im darauf folgenden Kapitel verfolgt Junker die Frage nach dem „Darwin-Code: Rätsel Mensch?“ Hier geht es um die Art und Weise, wie Menschen leben, was daran gut tut und was schädlich sein kann, wie zum Beispiel Sex, Fast Food und Schokoriegel. Der Kunst und der Religion sind hier jeweils eigene Fragen und Antworten gewidmet.
Zum Ende des Buches hin geht es um den möglichen „Abschied vom Darwinismus?“ – besonders in diesem Kapitel werden Kreationismus, Schöpfungsgeschichte und „intelligent Design“ aus evolutionstheoretischer Perspektive unter die Lupe genommen. Weitere Mythen werden ebenfalls fachgerecht widerlegt. Ob man Menschen züchten kann und ob es intelligentes Leben auf anderen Planeten gibt, sind, wie auch die Gentechnik, Fragen, die in „Evolutionäre Utopien“ in die Zukunft weisen.
Das Buch von Thomas Junker ist leicht verständlich formuliert, ab und zu konnte er sich einen leichten Spott wohl nicht verkneifen: „Und so glauben die Theologen eine grundlegende Wahrheit über die Natur zu kennen, die den Evolutionsbiologen bisher entgangen ist, dass die Entstehung (bzw. die Evolution) der Lebewesen von der göttlichen Vorsehung bestimmt wurde und wird.“ (S. 124f) Alles in allem dürften die 101 wichtigsten Fragen zur Evolution sowohl für jene interessant sein, die sich einen ersten Überblick über Evolution und Evolutionstheorie verschaffen möchten, als auch für diejenigen, die sich bereits in das Thema eingelesen haben. Denn die systematische Art, in der die Fragen themenspezifisch abgearbeitet werden, führt zwar zur gelegentlichen Wiederholung, dadurch werden aber auch überraschende und möglicherweise zuvor unbekannte Kenntnisse und Zusammenhänge vermittelt. Da die Antworten durchschnittlich ca. anderthalb Seiten lang sind, kann man die derart fokussiert bearbeiteten Themen auch portionsweise lesen.
Fiona Lorenz
Thomas Junker: Evolution. Die 101 wichtigsten Fragen. Beck, 2011, 160 Seiten, kartoniert, Euro 9,95. Das Buch gibt es auch im denkladen.