Der Ursprung der Welt, nur falsch. Schöpfungsmythen der Bibel und des Koran und ein islamisches Anti-Darwin-Bilderbuch.
Wer eine wissenschaftliche Erklärung über den Ursprung des Lebens und des Universums sein Eigen nennt, der braucht eigentlich keine Schöpfungsmythen mehr. Wie die Astronomie die Astrologie ablöste, die Chemie die Alchemie, die Physik die Magie, so beförderte Darwin den Schöpfergott ins Archiv seltsamer Ideen. Die entsprechenden Mythen könnte man insofern der Literaturwissenschaft überlassen, die sie fein säuberlich in das Regal mit anderen vormals wörtlich geglaubten Werken einsortiert, die inzwischen als fiktiv gelten, wie etwa Legenden oder Sagen. Hin und wieder schreibt mal jemand eine Arbeit über das Frauenbild des Jupiter oder das Motiv „Licht“ beim ägyptischen Sonnengott Re und alle wären glücklich.
Leider jedoch können beträchtlich viele Menschen nichts anfangen mit vernünftigen Erklärungen. Wenn nicht mindestens ein Gott darin vorkommt, dann stimmt etwas nicht mit einer Theorie. Zudem sind Theorien keine Geschichten, sondern in einem Gesamtkontext eingeordnete Einzelfakten, was beizeiten ganz schön kompliziert ist und dem „Pans Narrans“, also dem geschichtenerzählenden Affen, keineswegs entgegenkommt. Zudem suchen wir überall nach Mustern, ehemals nach Spuren von Beutetieren, und viele von uns können kein Muster in der Evolution erkennen. Und langweilig ist das Ganze auch noch, so von der Dramatik her und was die Präsentation im Schulunterricht betrifft. Weder schlängelt sich die Midgarschlange gemächlich über die Welt, bis Thor sie nach drei Versuchen erschlägt, noch betätigt sich Jahwe beim Zauberformeln aufsagen, bis er sich endlich ausruhen darf, allmächtig und unermüdlich wie er eben ist. Stattdessen gibt es riesige, fächerübergreifende Erklärungen mit hundert Fachbegriffen, um auch nur die Existenz eines Kieselsteins zu erläutern. Die Wahrheit ist beizeiten ziemlich frustrierend.
Dass der eine oder andere die Schöpfungsmythen der Wahrheit vorzieht, mag man insofern noch verstehen können, aber müssen es gleich 40% der Deutschen sein, die laut fowid mehr mit Kreationismus oder Intelligent Design anfangen können, als mit der vernünftigen Erklärung? Mindestens 12%, rund 11 Millionen Deutsche, glauben, dass die Welt auf genau die Art und Weise erschaffen wurde, wie es die Bibel in zwei unterschiedlichen Versionen beschreibt, was alleine von der Logik her schon nicht sein kann, aber sie glauben es trotzdem. Und dieser biblische Schöpfungsmythos soll zumindest ein besonders wertvoller literarischer Text sein, selbst laut Menschen, die ihn nicht für wahr halten. Dabei ist es bei weitem nicht der schönste oder unterhaltsamste Schöpfungsmythos aus der Feder primitiver Kulturen (wenn sie denn schon Federn hatten). Hier ein Auszug aus dem ersten der beiden biblischen Schöpfungsmythen:
1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde;
2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.
4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis
5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
6 Dann sprach Gott: Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser.
7 Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es
8 und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag.
9 Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es.
10 Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.
11 Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihrem Samen darin. So geschah es.
Gott sprach, so geschah es; Gott sprach, so geschah es; Gott sprach, so geschah es; dann; dann; dann... . Wäre Gott ein Grundschüler, hätte ihm die Hebräischlehrerin „WW“ an den Rand geschrieben, für „Wortwiederholung“. Die Geschichte mag ja gefallen, wem sie will, ich finde sie jedenfalls wüst und wirr. Allerdings muss man einräumen, dass es noch viel seltsamere Schöpfungsmythen gibt, mein Favorit stammt von den Dajaken aus Borneo:
Am Anfang herrscht Dunkelheit, die sich endlos von Ewigkeit zur Ewigkeit erstreckt. Eine kleine Spinne sammelt die Dunkelheit an ihren Beinen ein und spannt daraus einen Silberfaden zwischen beiden Enden der Ewigkeiten. Sie webt ein glitzerndes Spinnennest, an dem ein winziges Stück roter Koralle hängen bleibt. Es wächst, bis es so groß ist wie die Welt. Eine Schnecke fällt auf diese Welt, aus deren Schleimspur das Erdreich entsteht. Auf die Erde fällt nun ein junger Baum, von dem alle Wälder abstammen. In einen dieser Wälder fällt ein Krebs, der das Erdreich verschiebt und auf diese Weise Hügel, Berge und Täler erschafft. Regen lässt Flüsse und Sümpfe entstehen, aus denen Pflanzen wachsen.
Fantasievoller als der Zaubergott der Bibel ist die Geschichte allemal, auch wenn es bei mir nach der roten Koralle aussetzt. Scheinbar fällt danach alles Mögliche vom Himmel. Dass die Erde aus der Schleimspur einer Schnecke besteht, erklärt hingegen so einiges. Auf jeden Fall sage ich nun jede Nacht vor meinem Spinnenaltar ein kurzes Gebet auf: „Lieber Krebs, wir danken dir für die Hügel, Berge und Täler. Amen.“ Muss eine ganz schöne Arbeit gewesen sein, die Schieberei.
Der amüsanteste Schöpfungsmythos stammt jedoch von einer unglaublich humorlosen Religion: Dem Islam. Hätte man ihm gar nicht zugetraut. Ein Teil des Humors ergibt sich aus dem Umstand, dass sich der Schöpfungsmythos des Islam ständig widerspricht. Doch sehen Sie selbst:
„Und wahrlich, Wir erschufen die Himmel und die Erde und das, was zwischen beiden ist, in sechs Tagen, und keine Ermüdung berührte Uns.“ (Sure 50, 38)
„Sprich: ""Leugnet ihr Den wirklich, Der die Erde in zwei Tagen schuf? Und dichtet ihr Ihm Nebenbuhler an?"" Er allein ist der Herr der Welten. (9) "Und Er gründete in ihr feste Berge, die sie überragen, und segnete sie und ordnete auf ihr ihre Nahrung in richtigem Verhältnis in vier Tagen - gleichmäßig für die Suchenden. (10) "Dann wandte Er Sich zum Himmel, welcher noch Nebel war, und sprach zu ihm und zu der Erde: ""Kommt ihr beide, willig oder widerwillig."" Sie sprachen: ""Wir kommen willig."" (11) "So vollendete Er sie als sieben Himmel in zwei Tagen, und jedem Himmel wies Er seine Aufgabe zu. Und Wir schmückten den untersten Himmel mit Leuchten, (welche auch) zum Schutz (dienen). Das ist die Schöpfung des Erhabenen, des Allwissenden.“ (Sure 41, 9-12; Quelle jeweils: quranexplorer.com)
In Sure 50 erschafft Allah die Welt in sechs Tagen und in Sure 411 erschafft er sie in acht Tagen. Da fragt man sich, wie oft man eine Welt erschaffen muss, bis sie endlich erschaffen ist. Manchmal spricht Mohammed von Gott in der dritten Person als "Er", mal spricht Allah von sich selbst im Pluralis majestatis mit "Wir", zumindest scheint es so. Offiziell wurde der Koran Mohammed fertig geschrieben vom Erzengel Gabriel überreicht. Insofern müsste Allah stets von sich in der ersten Person sprechen. Aber das tut er nicht. Es gibt noch weitere Suren, die über den Koran verteilt Aussagen über die Schöpfung machen:
„Und Wir erschufen Himmel und Erde und das, was zwischen beiden ist, nicht zum Spiel. (16) Hätten Wir Uns einen Zeitvertreib schaffen wollen, so hätten Wir dies von Uns aus vorgenommen, wenn Wir das überhaupt hätten tun wollen.“ (Sure 21, 16-17)
Allah hat die Welt also nicht aus Langeweile erschaffen. Wir erfahren seine wahren Motive in Sure 33, 72:
„Wahrlich, Wir boten das Treuhänderamt den Himmeln und der Erde und den Bergen an; doch sie weigerten sich, es zu tragen, und schreckten davor zurück. Aber der Mensch nahm es auf sich. Wahrlich, er ist sehr ungerecht, unwissend.“
Die Suren 41, 21 und 33 stimmen in einer Sache also überein: Allah erschafft die Himmel, die Erde und die Berge. Er spricht zu ihnen, als wären sie Personen, und fragt sie, ob sie ihn anbeten möchten. Himmel, Erde und Berge haben jedoch alle gleichermaßen die Nerven, Gott nicht zu gehorchen, und lehnen das Angebot ab. Seine eigene Schöpfung weigert sich, Allah anzubeten. Alleine der Mensch gehorcht und das tut er aus dem Grund, weil er „sehr ungerecht“ und „unwissend“ ist.
Doch genügt das nicht an verworrenen Aussagen über das Universum. So lesen wir in Sure 10, 5:
„Er ist es, Der die Sonne zur Helligkeit und den Mond zu einem Licht machte und ihm Stationen zuwies, damit ihr die Anzahl der Jahre und die Berechnung (der Zeit) beherrschen könnt.“
Der Mond ist kein Licht, sondern wird von der Sonne angestrahlt. Auch ist die Berechnung der Zeit mit Hilfe des Mondes nicht sehr effektiv, weshalb sie bereits zur Zeit Mohammeds viele Kulturen mit der Sonne berechneten.
Nun aber zur anthropozentrischen Kernfrage: Wie wurde der Mensch erschaffen? Auch im Koran heißt der erste Mensch Adam. Eine Version berichtet über seine Schöpfung wie folgt:
"Und wahrlich, Wir erschufen den Menschen aus einer Substanz aus Lehm. (12) Alsdann setzten Wir ihn als Samentropfen an eine sichere Ruhestätte. (13) Dann bildeten Wir den Tropfen zu einem Blutklumpen; dann bildeten Wir den Blutklumpen zu einem Fleischklumpen; dann bildeten Wir aus dem Fleischklumpen Knochen; dann bekleideten Wir die Knochen mit Fleisch; dann entwickelten Wir es zu einer anderen Schöpfung. So sei denn Allah gepriesen, der beste Schöpfer." (Sure 23, 12-13)
Ein super Schöpfer, keine Frage. Doch die Berichte über sein famoses Werk wollen einfach nicht übereinstimmen und wenn sie das tun, wirken sie immernoch äußerst merkwürdig. Eine andere Version unserer Erschaffung finden wir in Sure 77, 20-22:
„Schufen Wir euch nicht aus einer verächtlichen Flüssigkeit, (20) die Wir dann an eine geschützte Bleibe brachten (21) für eine bestimmte Fügung?“
Diese „verächtliche Flüssigkeit“, Schande über sie, wird im Allgemeinen als Sperma interpretiert. Entweder wurde der Mensch also aus Lehm oder aus Sperma erschaffen. Nicht sehr erbaulich, doch gibt es noch eine dritte Fassung:
„Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben?“ (Sure 21, 31)
Mit „sie“ sind die Ungläubigen gemeint, die im Koran fast ununterbrochen in die Hölle gewünscht werden. Doch kann ich das schon glauben, schließlich kommt dieses Urwasser dem Urschlamm Darwins noch am nächsten und klingt allemal besser als Lehm oder Sperma.
Ein für Ungläubige, Allah verfluche sie, sehr praktischer Umstand besteht darin, dass ein großer Teil der Bibelkritik fast unverändert für den Koran übernommen werden kann. Schließlich waren die Bücher der Thora, die ersten fünf Bücher des Alten Testaments, eine von Mohammeds Hauptquellen. So entspricht auch die Haltung des Korans zu Tieren ziemlich genau der christlichen Meinung zum Thema, wie uns Sure 36, 71-73 berichtet:
„Haben sie nicht gesehen, daß Wir von den Dingen, die Unsere Hände gemacht haben, für sie das Vieh schufen, dessen Besitzer sie geworden sind? (71) Und Wir haben es ihnen dienstbar gemacht, so daß manche von ihnen zum Reiten dienen und manche Nahrung geben. (72) Und sie haben an ihnen noch (anderen) Nutzen und (auch) Trank. Wollen sie also nicht dankbar sein? (73)“
Die Tiere sind also auch laut dem Koran dem Menschen untergeordnet und wir können mit ihnen machen, was wir wollen, nur nicht mit besonders verachtenswerten Tieren wie Schweinen.
1Die Suren sind im Koran nicht chronologisch geordnet, sondern nach ihrer Länge.
Wer noch immer Lust darauf hat, von einem Gott erschaffen worden zu sein, dem empfehle ich zwei meiner Quellen (neben dem Koran):
Ibn Warraq: Warum ich kein Muslim bin
PM History 12/2007: Die ungelösten Rätsel der Schöpfung
Atlas of Creation
Das Bild zum Artikel stammt aus dem Atlas of Creation, den man sich auf der Website des Autors Harun Yahya kostenlos runterladen kann. Es handelt sich um den aufwändigen Versuch eines islamischen Theologen, die Evolutionstheorie zu widerlegen, indem er Illustrationen zur Evolution zeigt, sie dann rot durchstreicht und mit dem Hinweis „falsch“ versieht. Hochauflösende Bilder von Tieren und Fossilien hat Harun Yahya einfach vom Virtual Fossil Museum gestohlen. Als Reaktion auf seine Kritiker, unter anderem PZ Myers Pharyngula und der Brights-Blog, ließ Yahya alle Wordpress-Blogs in der Türkei sperren. Ohne seine eifrigen Verteidiger bekommt der allmächtige Allah wohl nichts auf die Reihe, oder wie soll man das sehen?
Andreas Müller