Eine SPIEGELstunde des Journalismus

Sofort nach der Tat begann die Vertuschung. Kurras wird umgehend nach der Tat vom Polizeipräsidenten auf das Präsidium geschickt, wo er erst rund drei Stunden später auftaucht. Polizisten, die direkt daneben standen, wurden damals (1967) von der Staatsanwaltschaft nicht vernommen. Die BILD zeigte damals ein beschnittenes Foto des auf dem Boden liegenden Benno Ohnesorg, auf dem Kurras weggeschnitten war, mit der Bildunterschrift: „Auf der Straße zusammengebrochen. Wann kommt Hilfe?“

Sofort nach dem Schuss skandieren die Demonstranten: „Mörder! Mörder!“

Der Krankenwagen, der Benno Ohnesorg ins Krankenhaus brachte, brauchte für die Strecke, die man mit einem normalen Auto ohne Blaulicht in zehn Minuten fährt, beinahe eine Stunde. Als das Fahrzeug im Krankenhaus Moabit ankam, war Benno Ohnesorg tot. Obwohl Ohnesorg tot war, wird er sofort ‚operiert‘: der Teil der Schädeldecke mit dem Einschussloch wird herausgebrochen und ist seitdem verschwunden.

Auf dem Leichenschein steht: „Schädelverletzung durch stumpfe Gewalteinwirkung.“ Der diensthabende Arzt, der diesen Leichenschein abgezeichnet hatte, war ein Iraner, der sich nur für diesen Abend hatte einteilen lassen. Er war der Sohn des damaligen Wirtschaftsministers des Iran, der auch Mitglied der Delegation des Schahs war. Aber, so warnen die Rechercheure, bevor jetzt die Verschwörungstheorien los gehen: das Krankenhaus Moabit war darauf eingestellt worden, im Fall eines Attentats auf den Schah Notoperationen durchführen zu können. Entsprechende Blutkonserven standen bereit. Dieser Mann war vermutlich der ‚Verbindungsarzt‘ für diesen Fall.

Zwei wesentliche Erkenntnisse ergeben sich aus den bisher bekannten Tatsachen:

  • Der Springer-Verlag hat sich aktiv an der Vertuschung beteiligt, sei es durch die Bildauswahl und den Bildbeschnitt, sei es durch falsche, suggestive Texte.
  • Diese Recherche ist eigentlich die Aufgabe der jetzigen Landesregierung, die aber untätig auf Aktenbergen sitzt, die noch verschlossen sind.

Für diese Recherchearbeit kann man den Journalisten nur einen großen Respekt bezeugen. Wenn es einer inhaltlichen Ausfüllung dessen brauchte, was mit den Medien als der „vierten Gewalt“ im politischen System auch einer Demokratie gemeint ist, hat man hier ein positives Beispiel.

Und eines wird sehr deutlich: die Notwenigkeit, skeptisch zu bleiben und ‚offizielle‘ Darstellungen stets zu hinterfragen.

C.F.