„Kumpanei“ von Rechtsterroristen und Staat?

(hpd) Der Publizist Markus Bernhardt legt eine kurze Darstellung zu den Serienmorden des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ vor. Der Autor verzichtet darin auf genaue Belege und ergeht sich vielfach in Spekulationen, welche verschwörungsideologisch eine „Kumpanei“ von Rechtsterroristen und Staat behaupten.

Im November 2011 wurde bekannt, dass eine Neonazi-Zelle von drei Personen fast vierzehn Jahre im Untergrund gelebt und von dort aus mindestens zehn Morde durchgeführt hatte. Da den Sicherheitsbehörden diese Taten verborgen geblieben waren, löste das Wissen um sie heftige Vorwürfe über Fehler und Versagen aus. Gleichzeitig kamen Behauptungen von der Förderung und Verharmlosung des Rechtsextremismus auf. Sie durchziehen auch das Buch des freien Journalisten Markus Bernhardt, der Mitglied der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) ist. Unter dem Titel „Das braune Netz. Naziterror – Hintergründe, Verharmloser, Förderer“ geht er auf die aktuellen Ereignisse ein und formuliert bereits zu Beginn seine zentrale These: „Ohne die Kumpanei der bundesdeutschen Geheimdienste hätte die neofaschistische Terrorgruppe, die sich selbst den Namen ‚Nationalsozialistischer Untergrund’ (NSU) gab, nicht über dreizehn Jahre hinweg Morde, Bombenanschläge und Bankraube begehen können“ (S. 7).

Danach liefert der Autor eine Beschreibung und Kommentierung des aktuellen Wissens um die Taten. Auch hierbei meint er: „Fernab der mannigfaltigen Unterstützung, die der Zwickauer ‚NSU’-Zelle zuteil wurde, ist indes klar, dass Polizei und Inlandsgeheimdienste die Morde des ‚NSU’ hätten verhindern können“ (S. 19). Dem folgend beschreibt Bernhardt nach einem thematischen Sprung die Entwicklung der Neonazi-Szene in Dortmund, um dann gleich wieder auf die Reaktionen der NPD auf die Mordserie und die behauptete Kooperation von „braunem Terrornetzwerk“ und Verfassungsschutzbehörden einzugehen. Danach folgt wieder ein thematischer Sprung, der in kritischen Ausführungen zur Extremismustheorie mündet. Ihr wird eine falsche Gleichsetzung mit der „Linken“ und eine Verharmlosung des Rechtsextremismus vorgeworfen. Und schließlich geht es noch um die „Funkzellenabfrage“ durch die sächsische Polizei, die Debatte um ein NPD-Verbot, „Anti-Islam-Themen“ im öffentlichen Diskurs und die Aufgaben der Antifaschisten.

Wie bereits die Beschreibung der inhaltlichen Schwerpunkte des Bandes veranschaulicht, fehlt ihm eine klare formale Linie und inhaltliche Struktur. Eher unsystematisch werden Ausführungen, die sich mal direkt, mal nur indirekt auf das Thema beziehen, aneinander gereiht. An Belegen und Fußnoten fehlt es durchgängig. Dies ist nicht nur ein formaler Einwand, geht Bernhardt doch sehr „freihändig“ mit Informationen um. Noch besteht über viele Details kein exaktes Wissen. Sofern es zu seinen Auffassungen passt, arbeitet der Autor mit Andeutungen und Unterstellungen in seinem Sinne. So leitet er etwa aus einigen Pressemeldungen zu möglichen Auslandskontakten der NSU-Mörder deren Einbettung als „Teil eines internationalen rechten Terrornetzwerkes“ (S. 25) ab. Zwar setzt Bernhardt dahinter ein Fragezeichen, suggeriert aber so etwas, ohne nur den Ansatz eines Beweises für eine solche Auffassung präsentieren zu können. Verschwörungsideologische Deutungen ziehen sich auch ansonsten durch das Buch.

Dies gilt insbesondere für die unterstellte „Kumpanei“ der NSU-Mörder mit den Sicherheitsbehörden. „Kumpanei“ meint in der deutschen Sprache eine aktive und bewusste Kooperation. Dafür kann der Autor noch nicht einmal den Ansatz eines Beleges nennen. Zwar bewegten sich wohl in der Phase vor dem Abtauchen der späteren Rechtsterroristen auch „V-Leute“ in deren politischem Umfeld. Hierbei handelt es sich aber nicht um staatliche Agenten, sondern gelegentliche Informanten. Dieser Unterschied ist Bernhardt offensichtlich gar nicht klar, was seine Fehleinschätzung bezüglich eines Wissens um den Aufenthaltsort der Untergetauchten mit erklärt. Gründliche Recherche zeichnet sein Buch ohnehin nicht aus. Dafür finden sich darin viele Behauptungen wie etwa die, wonach die Sicherheitsbehörden die Morde hätten verhindern können. Dies setzt voraus, dass man sowohl über frühere wie geplante Taten informiert war. Auch für diese Aussage, die ja eine Duldung von Morden unterstellt, kann Bernhardt noch nicht einmal ansatzweise Belege präsentieren.

Armin Pfahl-Traughber

 

Markus Bernhardt, Das braune Netz. Naziterror – Hintergründe, Verharmloser, Förderer, Köln 2012 (PapyRossa-Verlag), 117 S., 9,90 €.