KÖLN. (hpd) In seinem neuen Buch 'Prototyp' hat Ralf König die biblische Schöpfungsgeschichte sehr eigenwillig und brillant inszeniert. Im Interview erzählt er, was ihn zur Abkehr von Schwulencomics und zur „Religionsverwurstung" bewegt hat.
hpd: Ralf, was veranlasst dich, nach Jahrzehnten mit Schwulen, Lysistrata und der chaotischen Psychologin Hempel, das Thema zu wechseln und dich - zugegeben auf sehr eigenwillige Ralf König-Art - in ‚Prototyp' der Schöpfungsgeschichte zu widmen?
Ralf König: Ja, die Jahrzehnte... Ich zeichne seit 27 Jahren Comics mit schwulen Inhalten und hab zu jeder schwulen Macke 20 Kommentare geliefert. Ich langweile mich, es hat sich für mich ausgereizt, ich mag mich nicht mehr nur auf diese Thematik beschränken. Ich beschäftige mich doch auch im Leben nicht nur mit meiner sexuellen Ausrichtung. Aber das heißt nicht, dass ich die Welt nicht weiterhin durch die schwule Brille sehe. So gesehen läuft im 'Prototyp' ja auch ein S/M-Ding zwischen Gott und Adam! Gott besorgt's ihm ja ordentlich, der arme Mensch kriegt's knüppeldick.
hpd: Prototyp ist nicht nur unterhaltsam, sondern pointiert aufklärerisch, philosophisch und religionskritisch: Steckt dahinter eine andere Absicht als hinter den Vorgängern, eine Art Aufklärungsbotschaft, ein Bildungsauftrag? Oder habe ich mich in den letzten 20 Jahren vertan und in den Schwulencomics bis Hempels Sofa steckte mehr als ich herausgelesen habe? Kurz: Was bezweckst du mit deinen Comics?
Ralf König: Auch in den bisherigen Comics wollte ich zwischen den Zeilen Einsichten verbreiten, auch mal provozieren hier und da. Und Religion kam bei mir immer mal vor, klar, bei der Zuneigung, die von religiöser Seite der Homosexualität entgegenschlägt. Aber 'Prototyp' ist insofern neu, als dass ich mich für ein komplettes Buch mal ganz auf Religionsverwurstung konzentriert habe. Und die Philosophie... ich frage mich immer, wie Paulus sich durchsetzen konnte, wo es doch seinen Zeitgenossen Seneca gab? Aber die antiken Philosophen versprachen kein Himmelreich nach dem Tode, das wird der Grund sein. Sie erzählten keine Märchen, sondern hielten sich ans reale irdische Leben und hatten dadurch viel mehr zu sagen, was auch heute noch wirklich in der Lebensplanung weiterhelfen kann. Mich interessiert also nicht primär der Spott auf religiöse Ideen, sondern die Gegenüberstellung von Glauben und Philosophie, weil ich letztere für so viel gehaltvoller halte. Diese Einsicht schon dem ersten Menschen mit auf den Weg zu geben, war die Idee, und dass er am Ende freiwillig das Paradies verlässt, bzw. dass er Schlange und Apfelbaum aus dem Paradies vertreibt. Ich finde, so herum wird ein Schuh draus.
hpd: Du bist Beiratsmitglied der Giordano Bruno Stiftung: Steht das im Zusammenhang mit deiner Arbeit bzw. dem neuen Thema?
Ralf König: Sicher. Obwohl 'Prototyp' schon vor meiner Mitgliedschaft entstand, eine erste Episode zeichnete ich vor drei Jahren für ein französisches Satiremagazin, und dann bekam ich im letzten Jahr die Gelegenheit, damit für 2 Wochen im F.A.Z. Feuilleton zu gastieren. Mit überwiegend sehr positiven Reaktionen der Leser, aber teilweise auch heftigen. Das sei 'Blasphemie' und das Buch Genesis sei 'Juden und Christen heilig', es gab sogar vereinzelte Abokündigungen 'in tiefer Sorge um das deutsche Volk'. Also mit dem Thema Religionskritik gehe ich schon länger schwanger, aber der Kontakt zur Stiftung hat mich darin weiter beflügelt und auch inspiriert, einfach durch interessante Begegnungen mit klugen und kritischen Köpfen.
hpd: Wie würdest du bei einer eventuellen Fortsetzung dem Dilemma entgehen, dass es keine andere Frau gibt als Eva, dafür aber drei Männer, zwei davon ihre Söhne?
Ralf König: Tja, da kriegt man schnell bizarre Vorstellungen von übertriebener Mutterliebe. Aber wenn Gott das Dilemma nicht erklärt, ist das auch nicht wirklich mein Job. Ich mach's einfach wie die Bibelschreiber: Augen zu und durch und gleich weiter mit Noah.
hpd: Was wird dein nächstes Projekt oder Thema sein?
Ralf König: Die Bibel gibt jede Menge absurden Stoff her, das muss man dem Buch der Bücher lassen. Also nach Adam und Eva tatsächlich Noah. Die Geschichte von der Sintflut hat es in sich, da gibt's die vielen Tiere, die kamen im 'Prototyp' ja etwas kurz. Und wenn all das Vieh Noah fragt, warum Gott die ganze Welt ersäuft hat, könnte es wohl zur Meuterei auf der Arche kommen...
Das Interview führte Fiona Lorenz