MÜNCHEN. (hpd) Der alljährlich stattfindende Christopher Street Day dominierte am vergangenen Wochenende wieder die Münchner Innenstadt. Die (je nach Informationsquelle und Zählart) von 30.000 bis 100.000 Leuten besuchte Veranstaltung im Zentrum Münchens wird immer mehr zum Publikumserfolg.
Wie erfolgreich die Veranstaltung inzwischen ist, kann man daran erkennen, dass erstmals nun sogar ein Bürgermeisterkandidat der CSU aufs Rednerpult wollte. Aufgrund der christlich-homophoben Grundeinstellung der CSU hatte diese sich bisher - im Gegensatz zu den anderen Parteien - von solch unsittlichen Veranstaltungen weitgehend ferngehalten. Schließlich fällt das ja auf einen selbst zurück, wenn man sich mit "solchen Leuten" abgibt. Aber in diesem Jahr waren wohl die Wählerstimmen wichtiger als moralische Grundüberzeugungen. Im Vorfeld war befürchtet worden, dass der CSU-Politiker wie in Facebook angekündigt ausgepfiffen wird. Aber die Schwulen, Lesben und Transgender zeigten sich erstaunlich tolerant.
Gestaltung: Dietmar Holzapfel
"Zeigt Euch", nach dieser Maxime nahmen, wie schon in den letzten Jahren (der HPD berichtete), auch heuer wieder Vorstände und Mitglieder von bfg München (Bund für Geistesfreiheit K.d.ö.R.) und gbs (Giordano-Bruno-Stiftung) aktiv an der schrillen Parade teil. Unter dem Motto "Tolerance" organisierte bfg-Vorstand Dietmar Holzapfel in der Parade den Wagen mit der Nummer 44.
Wunderschöne Drag Queens mit High Heels und Bändern "Miss Poland", "Miss Iran", "Miss Ukraine" sollten auf die meist religiös motivierten Zustände der Unterdrückung von Homosexuellen in diesen Ländern hinweisen und für Toleranz plädieren. Dort ist es unmöglich, ungestört einen CSD durchzuführen. Als die vom Ordnungsamt vorgeschriebenen Ordner (pro Achse des Gefährts zwei) begleiteten u.a. bfg-Vorstände Assunta Tammelleo, Wilfried Müller sowie Wolf Steinberger und der Organisator der Galerie der Kirchenkritik Wolfgang Sellinger den Wagen. Fast vier Stunden dauerte der Umzug durch die Innenstadt.
Gleichzeitig gab es an zentraler Stelle einen bfg-Infostand, besetzt auch mit gbs-Mitgliedern. Dort gab es nicht nur "Gottlos glücklich"-Devotionalien wie Buttons und T-Shirts zu kaufen, auch "Heiliger Stuhl" ging "weg wie warme Semmeln" ( = Brötchen, Schrippen). Und natürlich gab es Info-Material zur Verteilung. Für die säkularen Organisationen stellt selbstbestimmte und freie Sexualität ein wichtiges und unbedingt verteidigungswertes Gut dar, Themen für die Diskussion am Stand gab es also genug. Am Stand wurden auch einige hundert Kondome verteilt mit der Aufschrift "Nur für Katholiken". Die Kondome waren nicht gepierct und stellten damit einen Verstoß gegen das päpstliche Verbot der Empfängnisverhütung dar. Wie zu erwarten, war die Resonanz der Besucher des CSD zu Mottowagen und Infostand positiv, es gab kaum kritische Stimmen. Wer die Einstellung der Religionen zu Homosexualität kennt (lt. Bibel müssen Homosexuelle getötet werden, siehe 3.Mose 20,13), tut sich auch schwer, gleichzeitig schwul und gläubig zu sein.
Neben Umzug, politischen Reden, Musik und Infoständen gab es auch schrille und witzige Aktivitäten wie das Pumps-Race (einen Wettlauf auf Stöckelschuhen) zu bewundern. Veranstaltungen wie diese machen Spaß. Der wird nur durch das Wissen getrübt, dass in manchen Ländern Teilnehmer an CSDs verprügelt oder allein wegen ihrer Homosexualität mit Todesstrafe bedroht sind. Umso wichtiger ist es, bei allem Spaß die politische Komponente zu erkennen und für sexuelle Selbstbestimmung einzutreten. Man muss nicht schwul sein, um sich für die Rechte von Homosexuellen einzusetzen. Hier und überall auf der Welt.
Wolf Steinberger