Notizen aus Polen

National(isten)feiertag in Polen

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Warschau, 11. November 2017: Blockade des Marsches der Faschisten
Warschau, 11. November 2017: Blockade des Marsches der Faschisten

Über die Ereignisse in Polen am 11. November, dem Nationalfeiertag, haben die Medien weltweit berichtet. Man zeigte die in Warschau beim sog. "Unabhängigkeitsmarsch" marschierenden Neofaschisten, ihre rassistische, xeno- und homophobe Banner und hassvolle Parolen. Es gab aber am 11. November in Warschau auch Gegenveranstaltungen.

Nach Angaben des Warschauer Rathaus waren beim sog. "Unabhängigkeitsmarsch" rund 60.000 Teilnehmer. Unter ihnen auch Familien mit ihren Kindern, die unter den Slogans "Wir wollen Gott" und "Gott, Ehre, Vaterland" ein Glaubens- und Vaterlandbekenntnis ablegen wollten. Dabei hätten diese Leute doch wissen müssen, wer den "Unabhängigkeitsmarsch" angemeldet und veranstaltet hat: Die rechtsextremene Organisationen "National-Radikales Lager" und die "Allpolnische Jugend".

Die regierenden hohen PiS Politiker und Minister wußten das ebenfalls, als sie die Marschierenden als "wahre Polen und Patrioten" lobten und die zahlreichen skandalösen Bannern und Parolen der Neofaschisten als "bedeutungslosen, vereinzelten Unfug kleiner Gruppe junger Leute" klein redeten.

Mit Recht haben ausländischen Medien – so auch der hpd – über diese Demonstration berichtet und vor dem in Polen anwachsenden Rechtsextremismus gewarnt.

Doch es gab am 11. November 2017 in Warschau auch andere Veranstaltungen: Zum Beispiel die des "Komitees zur Verteidigung der Demokratie" (KOD) mit ca. 25.000 Teilnehmern unter dem Motto "Europäische Unabhängigkeit" und die zweite der Antifa und anderen linksorientierten Gruppierungen mit ca. 1.000 Teilnehmern mit dem Motto "Für unsere und eure Freiheit".

Von der Polizei wurde der Aufmarsch der Neo-Faschisten durch ein neues, von der PiS beschlossenes, Demonstrationsrecht geschützt. Nach den neuen Regeln galt der Aufmarsch als eine so genannte "zyklische Veranstaltung" und darf deshalb nicht gestört werden. Die anderen Demonstrationen mussten deshalb in anderen Stadtteilen veranstaltet werden.

Foto: @ Tomasz Stępień
Foto: @ Tomasz Stępień

Es gab jedoch Leute, die sich den Neofaschisten direkt widersetzten. Ein Mitglied der Gruppe "Obywatele RP" (Bürger der Republik) kam in die Warschauer Kirche Sankt Barbara, wo vor dem "Unabhängigkeitsmarsch" die heilige Messe für die Rechtsextremisten von einem mit den Nationalisten sympathisierenden Priester zelebriert wurde. Während der Priester die anwesenden "wahren" Patrioten lobte, zeigte die Frau einen Banner mit den Worten des polnischen Papstes: "Rassismus ist Sünde und bedeutet große Beleidigung für den Gott".

Sie wurde sofort angegriffen, beleidigt und bedrängt. Dabei stützte sie zu Boden und wurde aus der Kirche auf die Straße geschleppt. Der Priester hat nicht reagiert, obwohl die Frau laut geschrien hat, als sie geprügelt wurde.

Andere 13 Frauen von "Obywatele RP" und der Organisation "Frauenstreik" haben sich dem "Unabhängigkeitsmarsch" angeschlossen und danach einen versteckten Banner "Stopp dem Faschismus" mit sich geführt. Sie wurden sofort von den mit den Fackeln marschierenden "Patrioten" angegriffen, beleidigt, gespuckt, getreten. Das Banner wurde zerrissen. Es musste der Krankenwagen gerufen werden. Die Polizei hat den Frauen nicht geholfen.

Foto: @ Tomasz Stępień
Foto: @ Tomasz Stępień

30 Leute von "Obywatele RP" warteten im Stadtzentrum mit den Bannern wie: "Hier ist die Grenze der Anständigkeit“ auf den "Unabhängigkeitsmarsch". Doch noch bevor der Marsch am Ort ankamkam, erschienen zahlreiche Polizisten in Kampfausrüstung und teilten mit, dass die Protestierenden rechtswidrig einen legalen Marsch stören und sofort diesen Ort zu verlassen haben. Die Leute wollten dem Befehl nicht folgen und setzten sich auf den Boden. Die Polizisten hat daraufhin alle Anwesenden mit Gewalt in die bereitstehenden Polizeiwagen geschleppt, ins Polizeirevier gebracht, verhört und viele Stunden festgehalten. Die Nationalisten konnten ungestört marschieren.

Die deutsche Verteidigungsministerin, Frau Ursula von der Leyen, wollte in einer Talkshow den "gesunden demokratischen Widerstand" der jungen Generation zu unterstützen. Der polnische Verteidigungsminister hat daraufhin den deutschen Militärattaché einbestellt und seine Empörung geäußert sowie eine Erklärung gefordert. Polens Außenminister warf der deutschen Politikerin Einmischung in die inneren Angelegenheiten Polens vor. Nach Angaben des Verteidigungsministerium in Berlin seien die Äußerungen von Frau Leyen aus dem Kontext gerissen worden.

Wie schade, dass es doch keine Unterstützung für den "gesunden demokratischen Widerstand" in Polen geben wird. Wie schade, dass die deutschen Medien und Politiker die tapferen Frauen vom Obywatele RP nicht bemerkten. Wie Schade auch, dass die deutschen Humanisten auch diesbezüglich nichts unternehmen, wo doch der in Polen anwachsende und von den Regierenden und der Kirche geduldete, wenn nicht sogar unterstützte Faschismus keine innere Angelegenheiten Polens ist.

Am 14. November wurde in Krakau Piotr Szczęsny begraben. Er hatte sich im vergangenen Monat aus Protest gegen die PiS Regierung in Warschau selbst angezündet. Mindestens tausend Leute gaben ihm den letzten Abschied. Die ergreifende Predigt hat der Priester Adam Boniecki gehalten. Er hat ein sechsjähriges Verbot für öffentliche Äußerungen wegen seiner kritischen Stellung zu der Kirche.

Wenn sie, liebe Politiker und Bürger in der EU weiter untätig zusehen werden, wie die bürgerliche Opposition mit Gewalt unterdrücken wird und die Neofaschisten frei durch die Straßen marschieren, dann wird auch die polnische Demokratie bald zum Grabe getragen. Die Botschaft von Piotr Szczęsny war erwache!