Die sich selbst belügen

Dass die Eso-Szene nicht daran denkt, sich vom braunen Sumpf abzugrenzen, erfährt man auch am Bücher­stand. Nazi-Autor Jan van Helsing hat deutlich mehr Bücher aufliegen als der Dalai Lama. Die Begeisterung der Szene für den tibetischen Gott und Ex-König scheint mittler­weile etwas abgeflaut, wie auch Colin Goldner konstatiert. Damit man nicht ganz verzweifelt, verkündet ein Buch, Hitler habe in Argentinien überlebt.

Ein Spaltprodukt der Theosophen

Auch die Bewegung um den „Weltenlehrer“ Maitreya hat Berührungs­punkte zum rechts­extremen Okkultismus. Die Theosophen-Abspaltung hat einen eigenen Stand und darf mehrere Vorträge beschicken. Der Vortragende wirkt leicht überfordert bei dem Versuch, die Behauptungen von Guru Benjamin Creme halbwegs verständlich zu vermitteln. „Bald wird er weltweit live im Fernsehen sein. Jeder wird ihn hören, es wird Heilungen geben etc. Wir sollen teilen und die Erde retten, doch werden wir das?“ Irgendwie ja „ und es macht ihn froh. Wir werden uns der Ätherischen Ebenen bewusst, die nur Eingeweihte wahrnehmen können. Übrigens hat das alles irgendwie damit zu tun, dass wir ins Wassermann-Zeitalter eintreten. Momentan ist alles 60% Fischeenergie, 40% Wassermannenergie.“

Irgendwie hat das auch mit Ufos zu tun. Und die bösen Medien sind schuld, dass die Mensch­heit nichts von ihrem Retter Maitreya erfahren hat. Die weigern sich sogar, nach ihm zu suchen, wenn es ihnen ein Benjamin Creme befiehlt.

Anna Kauk und Christian Schwarz von den Skeptikern hören sich den Vortrag ebenfalls an und schreiben mit. (Dieser Teil der Reportage stützt sich maßgeblich auf diese Notizen.)

Rassismus? Ignorieren wir einfach

Die Theosophie und die Maitreya-Bewegung beruft sich explizit auf Helena Blavatsky, die Begründerin der Theosophie. Ein wesentlicher Bestandteil dieser okkulten Bewegung ist die „Wurzelrassenlehre“. Sie hat gemeinsam mit anderen esoterischen Vor­stellungen wie der verwandten Ariosophie prägend auf das Welt­bild von Heinrich Himmler und Rudolf Heß eingewirkt.

Bis heute ist Blavatsky die Säulen­heilige faschistischer und rassistischer Esoterik-Bewegungen. Auf Nachfrage bestreiten der Vortragende und eine Unter­stützerin vehement, dass das irgendetwas mit Rassismus zu tun habe. Blavatsky sei Eingeweihte der zweiten Stufe gewesen, man solle das nicht so wörtlich nehmen. Außerdem stehe in Blavatskys Werken nichts Rassistisches.

Erinnerungen an vergangene Leben

Heute müssen Raucher nicht leiden. Die Raucher­zone im Freien liegt in der warmen Frühlings­sonne. Ein gutes halbes Dutzend von Frauen jenseits der 50 steht hier. Sie umringen einen etwas jüngeren Mann aus Leopolds­dorf an der Wiener Stadt­grenze. Er macht nach eigenen Angaben „Rückführungen“. Das sind „Erinnerungen an vergangene Leben“.

Rosi mit den zwei künstlichen Hüften zeigt sich sehr interessiert. „Ich bin schon bis zu meiner Geburt zurückgegangen“, erzählt sie dem „Rückführer“ stolz. „Aber weiter bisher nicht“. Man tauscht Kontakt­daten aus. Irgendwie weiß Rosi trotzdem, dass sie früher „eine Kräuterhexe“ gewesen ist. „Ich hab mich aber nicht bereichert.“ Das ziehe sich durch bis in ihr heutiges Leben. „Ich bin der Prellbock für die Familie. Allen geht es gut, nur ich hab die Arschkarte gezogen. Aber dadurch halt ich auch viel von ihnen ab.“

Christian Schwarz wird später ätzen: „Interessant ist, dass immer alle mächtige oder interessante Menschen waren. Ich möchte einmal eine Rückführung sehen, wo jemand Kutscher war.“

Frühere Leben lösen Krebs aus

Rosi ist überzeugt, dass frühere Leben einen Einfluss auf das heutige haben. „Ich beschäftige mich intensiv damit und lass keine Fernseh­sendung dazu aus. Da gab’s die eine aus England, wo die Frau dann vor ihrem eigenen Grabstein gestanden ist“, sagt sie dem „Rückführer“ und wirft ihre Zigarette zu Boden. Wenn man die Konflikte aus dem früheren Leben lösen kann, sagen beide, geht’s einem bald besser.

Ursula Christine Lechner, nach Eigenangaben ebenfalls „Rückführerin“ behauptet sogar, frühere Leben würden Krebs auslösen. „Ich weiß ich habe Krebs, aber ich habe es mir selber erschaffen, um meine Täterrolle (in einem früheren Leben, Anm.) zu heilen.“ Und irgendwann werden alle wieder zu Licht­wesen, die sie früher mal waren. Jetzt, in der fünften Dimension, ginge das überhaupt einfacher, sagt sie in ihrem Vortrag.

Rosi, die Eso-Shopperin

Ob ihr Kollege das auch glaubt, gelingt uns nicht in Erfahrung zu bringen. Dafür erfahren wir, dass sich Rosi seit neun Jahren intensiv mit so ziemlich allem aus­einander­setzt, was die Eso-Szene zu bieten hat. Auslöser dürfte die Scheidung gewesen sein.

„Nach dem 50er hab ich begonnen, mich zu interessieren“, erzählt sie. Sie macht Reiki gegen die Beschwerden mit den Hüften, eine Familien­aufstellung hat sie auch gemacht. Dazu die „Behandlung“ bei Janjetovic. Eine „Rückführung“ dürfte das nächste Projekt sein. Kosten pro Sitzung: Zwischen 180 und 220 Euro, sagt der „Rückführer“. Dafür kriegt man auch eine DVD von der Sitzung.

25 Milliarden Umsatz in Deutschland

Eso-Shopper wie Rosi sind keine Seltenheit. Sie sind das finanzielle Rückgrat der Szene, die allein in Deutschland bis zu 25 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Für Österreich gibt es keine Zahlen.

In etwas milderer Form trifft das auch auf zwei Wienerinnen zu, die sich bei einem Käse­weckerl vom Vortrag „Abnehmen einfach gemacht“ erholen. Sie zeigen sich enttäuscht vom Vortragenden Johann Renz. Der biete nur Allgemein­plätze wie mehr Bewegung und weniger Fleisch.

Hauptsache nicht die Pharmalobby

Diese – wenig spirituellen – Ratschläge reichen den Wienerinnen nicht. Bei diversen Messen nehmen sie gerne Gesund­heits­angebote in Anspruch, erzählen sie. Oder was sich als solches ausgibt. Auch Meridian­ermittlung sei schon dabei gewesen. Das übrigens nicht auf einer Esoterik­messe sondern einer normalen Gesund­heits­messe vor wenigen Monaten in Wien. Was sich als „alternative Medizin“ präsentiert, darf sich hoher gesellschaftlicher Akzeptanz erfreuen. Wie plausibel die Konzepte sind, interessiert niemanden. Hauptsache, keine ach so böse Pharmalobby.