Fatwa zur Tötung von Ex-Muslimen

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Kacem El Ghazzali auf dem Genfer Treffen für Menschenrechte und Demokratie, Februar 2013 / Foto: Cyberdissidents (CC BY-SA 3.0)

MAROKKO. (hpd) Ein islamisches Rechtsgutachten (Fatwa), das von Marokkos Oberstem Rat der Religionshüter (CSO) veröffentlicht wurde und die Todesstrafe für vom Glauben abgefallene Muslime fordert, hat in dem arabischen Land zu heftigen Kontroversen geführt.

Die Gelehrten, die den offiziellen Islam in Marokko repräsentieren, erklären in dem in der arabischen Tageszeitung Akhbar al-Youm vom 16. April veröffentlichten Gutachten, dass Muslime, die ihren Glauben ablegen, „zum Tode verurteilt“ werden sollten. Die umstrittene Fatwa datiert schon vom April 2012, als die Regierung eine rechtliche Beurteilung vorbereitete, wurde nach Medienberichten jedoch damals nicht öffentlich bekannt.

Der CSO ist eine Regierungseinrichtung unter Leitung von König Mohammed VI. als Führer der Gläubigen und wird in Artikel 41 der marokkanischen Verfassung eingesetzt als „einzige Einrichtung, die ermächtigt ist, religiöse Gutachten zu beschließen“. Zu seinen Mitgliedern gehört auch der Minister für islamische Angelegenheiten. Sein Ministerium hat sich zu dem Vorgang bislang nicht geäußert.

Scheich Mohammed Fizazi, Galionsfigur der salafistischen Hardliner, die bereits die Absicht erklärt haben, eine eigene Partei zu gründen, dankte dem Rat für die Fatwa und bezeichnete sie als absolute Wahrheit, von der keine Haaresbreite abgewichen werden dürfe.

Die Fatwa ist in einem kürzlich vom CSO veröffentlichten Buch enthalten und erklärt, dass Aussagen im Koran, es gebe keinen Zwang zur Religion (Koran 2:256), nicht für gebürtige Moslems – Kinder muslimischer Eltern – gelten, sondern nur für Angehörige nichtmuslimischer Minderheiten in islamischen Ländern.

Die Fatwa basiert auf den Hadiths von Sahih al Bukhari, die als zuverlässigste Überlieferung über das Leben des Propheten Mohammed anerkannt werden: „Der Prophet sagte: ‚Wenn jemand seine Religion ablegen will, töte ihn.‘“ (Bukhari 52:260), „Bei Allah, Allahs Apostel tötete nie jemanden, mit Ausnahme der folgenden drei Situationen: Eine Person, die jemanden unrechtmäßig getötet hatte, eine verheiratete Person, die Ehebruch beging oder einen Mann, der gegen Allah und seinen Apostel kämpfte, den Islam aufgab und ein Abtrünniger wurde.“ (Bukhari 83:37), „Aussage von Allahs Apostel: ‚Wer immer seine islamische Religion ändern will, töte ihn‘“ (Bukhari 84:57), sowie weitere Zitate.

Marokkos Staatsreligion ist der Islam. Während Artikel 3 der Verfassung die Freiheit der Religion garantiert, werden Atheisten und Ungläubige nicht anerkannt. Abfall vom Glauben ist zwar keine Straftat nach dem Strafgesetzbuch, aber „Anstiftung, um den Glauben eines Moslems zu erschüttern“ ist strafbar. Abtrünnige und Atheisten, die sich öffentlich äußern, werden verfolgt, bedroht oder eingesperrt.

Diese Fatwa kann als direkte Aufforderung zu Morden und Anschlägen verstanden werden und sie kann eine Rechtfertigung für politische Morde liefern. Es genügt, eine missliebige Person als abtrünnig zu bezeichnen, um einen Mord zu rechtfertigen. Überraschend ist, dass das Gutachten von einem Verfassungsorgan kommt, während das marokkanische Regime von einer neuen Verfassung sowie einer Reihe weiterer Reformen und Veränderungen spricht.

Kacem El Ghazzali

Der Autor musste wegen atheistischer Äußerungen im Internet aus Marokko fliehen und lebt im Schweizer Exil

Erstveröffentlichung auf atheistica.com
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Originaltext der Fatwa (online leider nur in Facebook verlinkt):

Die Freiheit des Glaubens und der Religion

"Dieser Frage kann man sich bereits durch das islamische Recht annähern, das ausdrücklich das islamische legale Urteil darstellt, das ihm entspricht, dabei unterscheidend zwischen der Behandlung von Muselmanen und Nicht-Muselmanen.

Für die Nicht-Muselmanen: Den Menschen des Buches und der anderen monotheistischen Religionen erteilt der Islam keine Anweisung, sie dazu zu zwingen, ihre Religion zu verlassen oder sie mit Gewalt zum Konvertieren zu bringen. Außerdem soll man ihre Kultstätten wie Kirchen oder Synagogen nicht beleidigen. Der Vers 256 der Sure "Die Färse" ist diesbezüglich ganz spezifisch: "Keine Beeinträchtigung der Religion! Weil der gute Weg sich unterscheidet vom Irrweg", und der Vers 99 der Sure "Yunus-Joas" besagt: "Wenn dein Herr es gewollt hätte, dann würden alle Menschen dieser Erde glauben. Liegt es an dir, jemanden zum Glauben zu nötigen?" Auf diese Weise versichert der Islam den Nicht-Muselmanen die Freiheit des Glaubens und der Religion, falls sie auf islamischem Boden residieren, weit weg von ihrem eigenen Land, unter der Bedingung, dass sie den Heiligtümern des Islam gebührenden Respekt erweisen, und dass sie auch nicht öffentlich die Verbote des islamischen Gesetzes überschreiten, einen Muselmanen nicht dazu auffordern, seine Religion zu verlassen, und auch nicht Aufruhr unter den Muselmanen verbreiten.

Was die Muselmanen betrifft: Was die Freiheit des Glaubens und der Religion betrifft, betrachtet sie das islamische Recht unter einem anderen Winkel, indem es den Muselmanen dazu aufruft, seinen Glauben, seine Religion und seine Befolgung der Riten zu bewahren, dass er sich an seine islamische Religion festklammert zur braven Befolgung der Gebote des Herrn, und dass er beachtet, dass seine Zugehörigkeit zum Islam, durch die Unterweisung, die ihm durch seine beiden muselmanischen Eltern und durch seinen muselmanischen Vater zuteil geworden ist, eine vertragliche und soziale Vereinbarung mit der Nation (der Oumma) darstellt. Daher erlaubt ihm der Islam nicht, sich zu lösen von seiner Religion und seinem sozialen Vertrag, das ist inakzeptabel. Seine islamische Religion zu verlassen und seinen Gesetzen abzuschwören um zum irregeleiteten Unglauben hinzugehen, dann ist seine Tat zwecklos, er verliert dadurch das Diesseits und das Jenseits. In diesem Fall ist es notwendig, das Urteil zu sprechen.

Zu diesem Zweck hat Allah folgendes gegen die Apostasie aufgestellt, die zu verhängnisvollen Konsequenzen in der Welt und im Jenseits führt: "Und diejenigen unter euch, die eurer Religion abschwören und unfrei sterben werden, sinnlos sind hinfort ihre Handlungen im unmittelbaren und zukünftigen Leben. Hierdurch die Menschen des Feuers: Sie werden darin ewig brennen" (Sure "La génisse", Vers 217).

Der Allmächtige hat ebenfalls gesagt: "In der Tat, es wurde dir offenbart, ebenso wie deinen Vorfahren: Wenn du Angehörige Allah übergibst, dann wird dein Werk sinnlos sein; und du wirst sicherlich zur Zahl der Verlierer gehören. Ganz im Gegenteil, Allah bewundert und ist wohlgesinnt allein der Zahl der Bekennenden". Wir (Sure "Les Groupes", Verse 65/66).

Der Prophet, in Frieden und Heil, sagte: "Wer auch immer seine Religion wechselt, tötet ihn". Er hat auch erklärt, dass es verboten ist, das Blut eines Muselmanns zu vergießen, außer in einem dieser drei Fälle: Derjenige, der Ehebruch begeht, während er verheiratet ist, derjenige, der einen Mord begeht, und die Apostasie: Derjenige, der seine Religion oder Gemeinde verlässt.

Man darf sich über diese gesetzlichen Vorgaben nicht hinwegsetzen, unter welchem Vorwand auch immer: Weder durch Erklärungen, noch durch Interpretation von Meinungen oder Ansichten darf man davon auch nur ein Jota abweichen. Es handelt sich um religiöse Vorgaben, die vorgesehen sind für und die von den Muselmanen als notwendig erkannt worden sind.

Auf dass uns Allah auf den rechten Weg führe."