(hpd) Die Journalisten Oda Lambrecht und Christian Baars wollen in ihrem Buch „Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland" über die Auffassungen und das Wirken der Evangelikalen informieren. Leider geschieht dies auf eine etwas unsystematische Art und Weise, werden die Leser doch mit einer Fülle von Beispielen nahezu „erschlagen", ohne eine ausführlichere Gesamteinschätzung vorzunehmen.
Fundamentalismus gibt es nicht nur im Islam. Und christlicher Fundamentalismus existiert nicht nur in den USA. Diese beiden Einsichten vermitteln die beiden Journalisten Oda Lambrecht und Christian Baars in ihrem Buch „Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland". Sie wollen darin über Arbeit und Ziele von Gemeinden, Lobbygruppen, Missionswerken und Vereinen der Evangelikalen informieren. Der Inhalt des Buches beruht auf direkten Recherchen in deren Umfeld, auf Gesprächen mit Repräsentanten der Szene, aber auch mit Aussteigern und Sektenexperten. „Fundamentalismus" definieren Lambrecht und Baars in ihrem Buch über das Bibelverständnis, wobei die historisch-kritische Interpretation zugunsten einer wortwörtlichen Auslegung abgelehnt werde. Entsprechende Strömungen kamen erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA auf und machten insbesondere mit der Agitation gegen die Evolutionstheorie auf sich aufmerksam. Den deutschen Ablegern dieser Szene widmen die Autoren acht Kapitel.
Zunächst geht es um die soziale Einbindung in entsprechende Gemeinden, welche häufig als Reaktion auf persönliche Krisen und gesellschaftliche Vereinzelung erfolge. Der eingeforderte Dauereinsatz mit verpflichtendem Gehorsam und erwünschter Spendenbereitschaft fördere diese Entwicklung noch stärker. Danach gehen die Autoren auf die strengen Regeln für die Liebe ein, verbunden mit dem Aufruf zur Enthaltsamkeit, dem Kampf gegen Abtreibung oder der Verdammung von Homosexualität. Kampagnen gegen die wissenschaftliche Auffassung von der Evolution prägten darüber hinaus die Agitation der Evangelikalen. In unterschiedlichen Bundesländern stritten sie auch für die Anerkennung und Förderung ihrer Bekenntnisschulen. Darüber hinaus betreibe man eine aggressive Missionstätigkeit, um damit angeblich Menschen vor der Hölle zu retten. Gegen Ende gehen die Autoren dann auch noch auf die Lobby- und Medienarbeit ein, versuche man doch geschickt auf die öffentliche Meinung zu wirken.
Bereits zu Beginn nehmen Lambrecht und Baars eine klare Einschätzung vor: „Sie sind radikal, sendungsbewusst und zunehmend erfolgreich: fundamentalistische Christen in Deutschland. Die Bibel ist für sie Lebens- und Glaubensgrundlage. Andere Religionen lehnen sie ab, Nichtchristen wollen sie bekehren. Homosexualität gilt als Sünde. Sex vor der Ehe ist verpönt. Und die meisten stellen die Evolutionstheorie in Frage." (S. 8) Man wolle deren Autoritarismus, Dämonenglaube, Intoleranz und Wissenschaftsfeindlichkeit aufzeigen. Dabei betonen die Autoren, dass man nicht alle Evangelikalen gleichsetzen könne. Gleichwohl gelte: „ ... bei allen Unterscheiden zwischen den vielen evangelikalen Gemeinden wollten wir auch auf die Gemeinsamkeiten hinweisen. Alle berufen sich auf das gleiche Fundament, die meisten halten ihre Glaubens-, Werte- und Lebensvorstellungen für die einzig richtigen." (S. 199). Zu einer Distanzierung komme es ohnehin nur auf kritische Nachfrage, von selbst geschehe dies nur sehr selten.
Lambrecht und Baars legen mit ihrem Buch „Mission Gottesreich" eine journalistische Arbeit über das Wirken der Evangelikalen in Deutschland vor. Da es ansonsten hierzu an kritischen Informationen mangelt, verdient das Werk Beachtung. Gleichwohl verwirrt die ganze Anlage des Bandes: Die Autoren reihen Informationen und Zitate zu den verschiedenen Themen aneinander, werfen mit Organisationsbezeichnungen und Personennamen um sich und lassen dabei Stringenz und Struktur vermissen. Auch das Personen- und Sachregister im Anhang kann diesen Makel nicht beheben. Nur an wenigen Stellen nehmen sie auch Einschätzungen zur Bedeutung und Gefahr derartiger Gruppierungen vor. Damit schaden die Autoren ihrem wichtigen aufklärerischen Anliegen mehr als sie ihm nutzen. Übrigens: Wenn sie der Auffassung sind, dass „Kritik und Zweifel am Glauben" (S. 41) unterdrückt werde, dann gilt dies nun leider nicht nur für die fundamentalistischen Varianten der praktizierten Religion in Deutschland, die eben alle möglichst unkritisch geglaubt werden wollen.
Armin Pfahl-Traughber
Oda Lambrecht/Christian Baars, Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland, Berlin 2009 (Ch. Links-Verlag), 246 S., 16,90 €