Bekenntnisschulen: kein Ende in Sicht?

Hatte sich nicht die FDP früher einmal für die Abschaffung der öffentlichen Bekenntnisschulen ausgesprochen?

In NRW haben wir eine bemerkenswerte Situation: 1967 haben SPD und FDP noch versucht, die öffentliche Bekenntnisschule in NRW abzuschaffen, konnten sich aber nicht gegen die katholische Kirche durchsetzen. Politiker aus allen Parteien mit denen wir im direkten Kontakt stehen, bestätigen uns schon seit Jahren, dass Lösungen für die konkreten Probleme gefunden werden müssen. Es handelt sich eben nicht nur um Einzelfälle. In Paderborn, aber auch in Bonn und anderen Kommunen steht die lokale Politik relativ hilflos vor dem Problem, weil nur auf Landesebene Lösungen gefunden werden können.

Wenn ich Sie recht verstehe: viel Gerede, aber keine Taten seitens der Politik?

Ja, es ist eine absurde Situation: Die Kirchen zeigen auf die Politik und sagen, dass sie ja gar nicht verantwortlich seien für die Regelungen, und die Schulpolitiker sagen, dass man in Verhandlungen mit den Kirchen stehe, aber bisher hat sich nichts getan.

Was unternimmt denn die rot-grüne Landesregierung in dieser Angelegenheit? Immerhin wollte die SPD schon vor Jahrzehnten die Bekenntnisschulen abschaffen.

Na ja, das war eben 1967 und das ist lange her; zur heutigen Situation und zur Position der Landesregierung ein aktuelles Beispiel: Am 14. Oktober hat die grüne Schulministerin Löhrmann einen Festvortrag auf der pädagogischen Woche des Erzbistums Köln gehalten und gesagt, wie wichtig die Konfessionsschulen für die Schullandschaft in NRW sind. Auf unsere vielen Briefe an sie als Schulministerin hat sie immer nur Beamte antworten lassen, die uns ihre Sicht der Gesetzeslage erläutert haben. Diese Antworten hätten genauso gut aus dem CDU-Vorgängerministerium kommen können.

Es ist übrigens erschreckend, wie wenig auch die meisten LandtagspolitikerInnen Bescheid wissen, und es bietet sich an, Politikerinnen und Politiker aller Parteien darauf anzusprechen und dafür zu sensibilisieren. Angesprochen auf die konkreten Probleme geben meist auch CDU- und FDP-Politiker zu, dass es Änderungen geben muss. Der FDP-Vorsitzende Lindner hat uns in seinem Antwortschreiben immerhin bestätigt, dass man sich der Schwierigkeiten bewusst sei und mit Kirchen und anderen Akteuren Lösungsmöglichkeiten diskutiere.

Die Basis von SPD und Grünen tritt zwar meist recht eindeutig für Änderungen bis hin zur Änderung der Verfassung ein, aber an der Spitze aller Parteien außer den Piraten ist das offenbar ein Tabuthema.

Das klingt nicht besonders optimistisch, was die Reformbereitschaft der Politik in NRW angeht.

Leider, ich muss schon sagen: Wir sind sehr enttäuscht, dass die rot-grüne Koalition mit ihrer komfortablen Mehrheit bei diesem Thema nicht schon längst aktiv geworden ist. Aber auch die Positionen der anderen Parteien zu Inklusion und Integration verlangen eigentlich, dass Kinder an staatlichen Grundschulen unabhängig von Konfession, Religion und Herkunft gemeinsam beschult werden.

Was schwebt Ihnen an konkreten Maßnahmen zur Änderung der Situation der Bekenntnisschulen vor?

Eigentlich sind wir insbesondere seit den Ereignissen in Paderborn überzeugt, dass Nordrhein-Westfalen endlich dem Beispiel der anderen Bundesländer folgen muss und die staatlichen Bekenntnisschulen im Grundschulbereich abschaffen sollte. Übrigens sagen das auch die vielen in evangelischen und katholischen Gemeinden aktiven Mitglieder unserer Initiative, nach deren Meinung an öffentlichen Einrichtungen ein Ausschluss von Kindern aufgrund ihres Bekenntnisses oder ein Zwangsreligionsunterricht nicht mit einem aufgeklärten Verständnis von Religionsfreiheit vereinbar ist.

Sehen Sie Möglichkeiten, auch unterhalb der Schwelle der Verfassungsänderung Änderungen vorzunehmen?

Ja, man kann auch ohne die dafür notwendige Verfassungsänderung einen wichtigen ersten Schritt gehen: Wenigstens das absurd hohe Quorum von 2/3 aller Stimmberechtigten für die Umwandlung in Gemeinschaftsschulen hätte schon längst nach dem Beispiel der Hauptschulen geändert werden müssen, das ist eine naheliegende einfachgesetzliche Maßnahme. Bei den Hauptschulen genügt ein Drittel aller Stimmen für die Änderung der Schulart. Und es muss den Kommunen eine Möglichkeit gegeben werden, auf das Schulangebot Einfluss zu nehmen.

Herr Ehlers, vielen Dank für dieses Interview und viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit.

Das Interview für den hpd führte Karl Albert.

Mitteilung der Landesregierung NRW 2012: "Prinzip 'Kurze Beine – Kurze Wege' gilt weiterhin - offenbar aber nicht im Zusammenhang mit Bekenntnisschulen