Kirchen ohne Argumente

„Pflanzstätte der Demokratie“

Michael Bauer führte aus, dass der 1848 gegründete HVD Bayern K.d.ö.R. bereits 1851 auch auf Betreiben der Kirchen verboten wurde. Unter anderen hatte der evangelische Stadtdekan damals die Gründung eines Nürnberger Kindergartens durch den Träger HVD zum Anlass genommen, an die Regierung von Mittelfranken zu schreiben, „das müsse umgehend beendet werden, dass diese merkwürdigen Menschen sich da so betätigen, denn es handele sich um eine Pflanzstätte der Demokratie“. Daraufhin wurde der Kindergarten geschlossen.

Heute seien die Widerstände nicht viel geringer, auch wenn sich der HVD bemühe, laufend weitere Kitas und Schulen in seiner Trägerschaft zu eröffnen. Die staatlichen Zuschüsse seien dabei unter Umständen gar nicht geringer. Es sei viel mehr die Frage, ob man überhaupt als humanistischer Verband die Gelegenheit erhalte, sich gegen einen kirchlichen Träger durchzusetzen. Deshalb gäbe es in vielen Regionen keine Alternative zur religiösen Früherziehung von Kleinkindern.

Dass die Kirchen hierbei ihr religiöses Konzept vermitteln, sei nicht das Hauptproblem, so Bauer, sondern dass sie in weiter Flur konkurrenzlos seien und den Eltern keine Wahlfreiheit ließen.

Auf Nachfrage erklärte Michael Bauer, seiner Meinung nach könne nur der Markt diesen Missstand regulieren. Doch böten die Kirchen Widerstände wo es nur ginge, teilweise mit hanebüchenen Begründungen. Trotz des Schwundes der Kirchenmitglieder seien die Religionsgemeinschaften ein harter Konkurrent, weil sie personell wie finanziell bestens ausgestattet seien. Ein vergleichsweise kleiner humanistischer Verband habe da schwer zu kämpfen. Und daher seien trotz wachsender Nachfrage nach humanistischer Ausbildung kaum entsprechende Angebote zu finden.

Politischer Wille zur Veränderung nicht vorhanden

Sybille Mattfeldt-Kloth warf in einer lebhaften Diskussion, auch mit dem wissbegierigen Publikum, ein, dass sie für eine Entflechtung von Kirche und Staat eintrete, also gegen dieses Monopolangebot. Aber solange die Kirchen als Anbieter agierten, müssten eben andere auch Geld bekommen.

Doch der politische Wille zur Veränderung in diesem Feld der Kirchenfinanzierung sei gerade bei den großen Volksparteien nicht vorhanden. Sie hätten Angst vor den Kirchen, vor deren Macht und Marktposition – also vor dem Staat im Staate. Carsten Frerk erinnerte sich an die Aussage eines hohen Kirchenfunktionärs: „Wenn die Parteien nur beginnen darüber nachzudenken, das bewährte Verhältnis von Staat und Kirche in einen anderen Status bringen zu wollen, dann wird das eher auf die Partei zurückschlagen, bevor es die Kirche erreicht.“

Das scheint des Pudels Kern zu sein: Die Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, weil die Kirchen Stimmung gegen die Partei machen könnten, die deren finanziellen Status antasten. Daher die wachsweichen Formulierungen auch im aktuellen Koalitionsvertrag bezüglich des Umgangs mit den Kirchen, die Lobeshymnen auf ihre kulturellen und sozialen Leistungen.

Zitat aus dem Koalitionsvertrag: „Eine offene Gesellschaft bietet im Rahmen der Verfassungsordnung allen Religion den Freiraum zur Entfaltung ihres Glaubens. Das bewährte Staatskirchenrecht in unseren Land ist eine geeignete Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften.“

Also alles wie gehabt. So bleibt uns nur, wie Michael Bauer an die Zuhörer appellierte, die Eigeninitiative, sich als Säkulare zu organisieren.

Bernd P. Kammermeier

Foto: © Dennis Merbach

Foto: © Dennis Merbach

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