(hpd) Der Politikwissenschaftler Frank Deppe postuliert in seinem Buch "Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand" eine Transformation des demokratischen hin zum autoritären Kapitalismus.
So verdienstvoll die Erinnerung an das Spannungsverhältnis von Demokratie und Kapitalismus ist, so fehlt es der Arbeit doch an ausführlichen Belegen und vergleichenden Betrachtungen für den unterstellten Kontext.
Mit Begriffen wie "Entleerung" oder "Post-Demokratie" verweisen gegenwärtig Sozialwissenschaftler auf einen Funktions- und Legitimationsverlust der Demokratie – auch und gerade in den westlichen Gesellschaften. Einen Beitrag zu dieser Debatte, der mit dem bezeichnenden Buchtitel "Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand" noch eine weitergehende Deutung vornimmt, legt der Politikwissenschaftler Frank Deppe vor. Er lehrte als Professor an der Universität Marburg und gehörte zu den bedeutendsten Repräsentanten eines dogmatisch-marxistischen Ansatzes. Seine damit einhergehende politische Nähe zu DDR und DKP ging aber nie mit einem platten Vulgär-Marxismus in deren geistiger Tradition einher. Für die Bundesrepublik forderte und fordert Deppe eine Ausweitung der politischen hin zu einer sozialen Demokratie, zur SED-Diktatur im Namen des Marxismus-Leninismus schwieg er meist. Für seine Analyse der Gegenwart spielt aus historischen Gründen indessen diese letztgenannte Perspektive keine Rolle mehr.
Ausgangspunkt der Betrachtungen in Deppes Buch "Autoritärer Kapitalismus" ist folgende Grundposition: "Die Geschichte der Demokratie ist durch den Widerspruch zwischen formeller politischer Gleichheit (...) und der gesellschaftlichen Ungleichheit als der Basis auch von politischen und kulturellen Machtasymmetrien bestimmt" (S. 10). Letztgenannte hätten sich in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 trotz des damit einhergehenden Legitimationsverlustes des Kapitalismus immer stärker in Richtung der Interessen der Reichen und zu Ungunsten des Sozialstaates entwickelt. Damit sei außerdem ein Prozess hin zu autoritären Politikauffassungen in Folge einer Kumulation von ökonomischen und sozialen Krisentendenzen erfolgt: "Die These von der Wende zum autoritären Kapitalismus – bzw. des Übergangs vom 'demokratischen' zum 'autoritären Kapitalismus' – geht von der widersprüchlichen und krisenhaften Transformationsperiode aus, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts (...) eingesetzt hat" (S. 61).
Sie habe in der Folge der erwähnten Krisen des erst gerade begonnenen 21. Jahrhunderts noch einen zusätzlichen Schub in Richtung der aufgezeigten Entwicklung erhalten: "In der ‚Vorgeschichte der Wende’ war das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie durch eine Schwächung der sozialen und ökonomischen Interventionsfunktionen der Nationalstaaten zugunsten der Stärkung und Entfesselung der globalen Marktkräfte auf der einen und den Ausbau staatlicher, exekutiver Funktionen im Bereich der Sicherheit und der Eigentumsrechte auf der anderen Seite gekennzeichnet" (S. 150). Der durch die Krise erodierende Konsens werde zunehmend durch Zwang insbesondere gegenüber den neuen Formen des Protests und Widerstands ersetzt. Den damit einhergehenden Entwicklungstendenzen im Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus geht Deppe dann noch in Fallstudien zu China, Indien, Russland und den USA ausführlicher nach. In der Gesamtschau sieht er darin einen Trend in Richtung eines Abbaus auch der politischen und nicht nur der sozialen Demokratie.
Deppe kommt das Verdienst zu, das durchaus ambivalente Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus kritisch thematisiert zu haben. Dies geschieht bei ihm gleichwohl in bekannter orthodox-marxistischer Perspektive, welche den Autor mitunter zu mahnenden Kommentaren gegenüber anderen Gesellschaftskritikern veranlasst. Allzu rechthaberisch wird ihnen dann Oberflächlichkeit aus der Sicht "kritischer Sozialwissenschaft" attestiert. Letztere findet sich dann nur bei den Marxisten. Dafür hätte Deppe aber auch eine Fülle von Belegen für seine zentralen Aussagen präsentieren müssen: Für die Entwicklung hin zu autoritären Politikmodellen sollte man dann schon Anhaltspunkte auch und gerade in vergleichender Perspektive bringen. Hier wirkt die Darstellung auffällig blass. Die vielfach postulierte "Wende zum autoritären Kapitalismus" hätte eben auch hinsichtlich der politischen Konsequenzen aus den Krisen oder Umbruchprozessen genauer belegt werden müssen. Der problematisierte Kontext mag bestehen, das Buch macht ihn aber nicht wirklich deutlich.
Armin Pfahl-Traughber
Frank Deppe, Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand, Hamburg 2013 (VSA-Verlag), 299 S., 24,80 €