Unerschöpfliche finanzielle Mögklichkeiten
Laut einem Eintrag bei Wikileaks [5] hat Erdoğan bei schweizerischen Geldhäusern acht verschiedene private Bankkonten. Doch auch auf den Staatshaushalt hat er Zugriff: Noch nie hatte ein Ministerpräsident in der Türkei einen so hohen “örtülü ödenek” (d.h. geheimer, gedeckter Haushalt, Dispositionsfonds). So wird der Betrag genannt, über den der türkische Ministerpräsident frei verfügen kann, ohne jede Erklärung und ohne Rechenschaft geben zu müssen. Diese Summe müsste zum Wohl des Landes eingesetzt werden. Interessanterweise steigt dieser Betrag unter Erdoğan unentwegt an. Ende November 2013 betrug die von ihm ausgegebene Summe, laut der Zeitung Sözcü, über eine Milliarde Lira.[6] Man stelle sich vor, Bundeskanzlerin Frau Merkel würde über 400 Millionen Euro verfügen und diese ausgeben dürfen, ohne dem Bundestag darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Und es würde herauskommen, dass sie radikale christliche Gruppen damit finanziert…
Auch Erdoğans Familienangehörige pflegen aufschlussreiche wirtschaftliche Kontakte: Vor kurzem wurden in türkischen Zeitungen Fotos veröffentlicht, die seinen Sohns Bilal mit dem Finanzmann Al Qadi zeigen. Al Qadi gilt als Mann, der für die Finanzen von diversen radikalen islamischen Organisationen zuständig ist. Laut türkischen Zeitungsberichten sind Bilal Erdoğan, Al Qadi und der Saudi Ussama bin Kutb, ein Freund der Familie Erdoğan, an der Firma Boshporus 360 beteiligt und wollen sich das Grundstück der Polizei in Istanbul Etiler, beste Lage, unter den Nagel reißen. Dass die beiden die eigentlichen Firmeninhaber sind, erklärt der in offiziellen Unterlagen als Besitzer angegebene Cengiz Aktürk. Heraus kam das Ganze, weil auch in der Türkei alle möglichen Menschen fortwährend abgehört werden.[7] (Für uns in Deutschland ist es interessant zu wissen, dass Al Qadi auch Anteile an der türkischen Lebensmittelkette BIM hat. Das bedeutet, dass die Finanzierung der von ihm unterstützten islamistischen Organisationen auch durch Geschäfte in Deutschland gewährleistet wird.)
Wachsender Einfluss des Amtes für religiöse Fragen
Das Amt für religiöse Fragen (DIYANET) erreichte in der Zeit der AKP-Regierung eine besondere Stellung. Seit Gründung der Republik war seine Aktivität eingeschränkt gewesen. Nun tritt Diyanet ziemlich forsch auf und verfügt über ein Budget, das fünfmal größer ist als der Etat des Bildungsministeriums. Diyanet mischt bei vielen gesellschaftlichen Streitfragen tüchtig mit: gegen Abtreibung, gegen die Berufstätigkeit der Frauen, gegen “gemischte” Wohngemeinschaften von Studenten.
Konflikt mit der Gülen-Bewegung
Doch es gibt auch Risse im Bild des Möchtegern-Sultan. Nachdem Erdoğan lange Jahre die Hilfe Fetullah Gülens und seiner Anhänger in Anspruch genommen hatte, um sich den Weg zur Macht freizuräumen und unter anderem auf diese Weise die Kontrolle über die Polizei erlangte, zeichnen sich nun Konflikte ab. Offenbar fühlt sich Erdoğan mittlerweile so sicher, dass er die Macht nicht mehr teilen möchte.
Nun plant die AKP die Gülen-Nachhilfeschulen zu schließen und der Bewegung so eine wichtige Einnahmequelle zu nehmen, vor allem aber ihre Möglichkeiten, Nachwuchs zu rekrutieren, einzuschränken. Das brachte Gülen auf die Palme und er verfluchte Erdoğan – was wie eine Anweisung an sein Gefolge verstanden werden konnte, Erdoğan die Hölle heiß zu machen. Seitdem werden immer wieder neue Skandale aus Erdoğans engstem Umkreis bekannt. Erdoğan wiederum vergleicht die Gülen Bewegung mitlerweile mit Tieren und droht sinngemäß, er würde in ihre Höhle einmarschieren und sie auseinandernehmen.
Na, denn mal los. Die Linke und die Intellektuellen haben bei der Verteidigung des säkularen Staates versagt, aber vielleicht schaffen es die Islamisten, sich gegenseitig fertig zu machen. Historisch gesehen hat das eine lange Tradition. Die islamische Geschichte ist voller Morde und Racheakte. Abgesehen davon, dass die Kalife und ihre Gegner sich nach Mohammeds Tod gegenseitig massakrierten, gibt es sogar die These, dass Mohammed ermordet worden sei. Doch das soll nicht heißen, dass dies ein Tipp für die Gülen-Bewegung wäre.
Denn die kennen den Koran und die islamische Geschichte mindestens so gut wie ich, auch wenn sie beide verfälschen, indem sie eine Religion des Friedens daraus machen. Da kann dann sogar Frau Dr. Rita Süßmuth im Beirat des deutschen Zweigs sitzen!
Arzu Toker
Anmerkungen:
[1]: Frei übersetzt heißt das: Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen; zitiert nach Haberler.com am 29.12,2013.
[2]: Vgl. Hürriyet, Cengiz Candar, 23.8.2013, (Erdogan meint sogar, dass Mohammed Mursi in Ägypten durch ein jüdisches Komplott gestürzt worden sei). Auch die taz und die Zeit berichten in ihren Ausgaben vom 21.8.2013, Erdogan mache Israel für den Sturz Mursis verantwortlich.
[3]: Morgenpost, 19.11.2012; Der Spiegel vom 1.3.2013; http://m.youtube.com/watch?v=OrbQsHkVQ_4.
[4]: Hüsnü Mahalli, Yurt Gazetesi, Istanbul, 7.11.2011, Erklärung der selbsternannten Regierung in Al Rakka, Syrien
[5]: 30. Dezember 2004, Nr. 21
[6]: Sözcü Gazetesi, 18.11.2013
[7]: www.odatv.com/n.php?n=yasin-el-kadi-ve-mit…, 7.3.2013; www.mynet.com/…/el-kaide-finansoru-yasin-el-kadi… vom 2.1.2014