GIESSEN. (hpd) In "Die Jagd" wird ein liebenswerter Lehrer fälschlicherweise der sexuellen Belästigung von Kindern beschuldigt. Obgleich das Mädchen, an dem er sich vergriffen haben soll, gesteht, gelogen zu haben, beginnt eine regelrechte Hexenjagd auf den vermeintlichen Kinderschänder.
Lucas ist gerade von seiner Frau verlassen worden und mitten in einem Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, wird nun auch noch die kleine Dorfschule geschlossen, in der er über viele Jahre als angesehener Lehrer gearbeitet hat.
Glücklicherweise hat Lucas gute Freunde, die in dieser schweren Zeit zu ihm stehen. Zudem findet er im Kindergarten des Ortes vorübergehend eine Anstellung. Mit Nadja, einer dortigen Aushilfe, scheint sich schließlich sogar die Möglichkeit einer neuen Beziehung anzubahnen.
Doch gerade als Lucas im Begriff ist, seine Trauer zu überwinden und ein neues Leben zu beginnen, geschieht etwas Schreckliches: Er wird fälschlicherweise beschuldigt, sich an einem vierjährigen Mädchen im Kindergarten vergangen zu haben.
Was ist passiert? Auf dem Weg zur Arbeit kommt Lucas jeden Morgen am Haus seines besten Freundes Theo und dessen Frau Agnes vorbei. Da diese gerade eine schwere Phase in ihrer Ehe durchmachen und nahezu tagtäglich im Streit miteinander liegen, steht deren kleine Tochter Klara oft weinend vor der Tür. Lucas tut es in der Seele weh, mitanzusehen, wie die Kleine unter dem ununterbrochenen Zank ihrer Eltern leidet.
Als Lucas das Mädchen eines Morgens wieder einsam und verlassen vor der Tür stehen sieht und gegenseitige Beschimpfungen aus dem Hause kommen hört, greift er zum Handy, ruft Theo an und fragt, ob er Klara mit in den Kindergarten nehmen solle. Da der Ehestreit noch länger anzudauern scheint, sagt Theo kurz: "Ja, ja, mach mal."
Klara mag Lucas. Anders als ihre Eltern ist er stets ruhig und ausgeglichen. Zudem sorgt er sich aufrichtig um sie. Was Wunder also, dass sie sich in seiner Gegenwart sicher und wohl fühlt. Doch ihre Zuneigung geht noch etwas weiter. Um ihm ihre Gefühle zu zeigen, bastelt sie ihm im Kindergarten ein Herz. Lucas weiß dieses Geschenk durchaus zu würdigen. Dennoch fragt er: "Willst du das nicht lieber einem der Jungs geben?" Klara fühlt sich durch diesen Vorschlag zurück gestoßen und nimmt Lucas diese Zurückweisung übel.
Da die streitenden Eltern ihre Tochter ganz vergessen zu haben scheinen, ist Klara an diesem Tag das letzte Kind, das abgeholt werden muss. Um die Zeit bis zum Eintreffen der Eltern zu überbrücken, beginnt Grethe, die Leiterin des Kindergartens, ein Gespräch mit Klara. Sie fragt sie, ob sie sich schon auf Weihnachten freue und das Lied auswendig gelernt habe, das alle eingeübt hatten. Doch Klara antwortet auf die Fragen nicht. Immer noch enttäuscht darüber, dass Lucas ihre "Liebe" nicht erwidert, sagt sie stattdessen ganz unvermittelt: "Ich hasse Lucas!"
Grethe, die aus eigener Beobachtung weiß, dass Klara und Lucas bestens miteinander auskommen, sagt: "Nanu, ich dachte ihr seid gute Freunde."
"Sind wir gar nicht", antwortet Klara. "Und warum nicht?", fragt Grethe. "Weil er dumm ist. Und er ist gemein. Und er hat so einen Pimmel."
Grethe schmunzelt und sagt: "Den haben alle Männer. Dein Vater auch."
"Aber bei ihm steht er und zeigt nach oben. So wie ein richtiger Schwanz", erklärt Klara. Woher hat Klara das Wort "Schwanz"? Nun, einige Tage zuvor hatten Klaras pubertierender Bruder und dessen Freund ihr ein pornographisches Foto gezeigt und den darauf abgebildeten erigierten Penis als "Schwanz" bezeichnet.
Grethe, die das Gespräch bisher eher als amüsant betrachtete, wird auf einmal hellhörig, geht auf Klara zu und fragt sie mit ernster Miene: "Ist irgendetwas passiert?" Doch Klara antwortet nicht, sondern spricht plötzlich von Weihnachten. Und in dem Moment erscheint auch schon die Mutter, um ihre Tochter abzuholen.
Grethe gehen Klaras Worte verständlicherweise nicht mehr aus dem Kopf. Da sie nicht weiß, was sie tun soll, ruft sie einen Freund an, der offenbar Erfahrung mit Fällen von sexuellem Missbrauch hat. Sie sagt: "Klara hat eine lebhafte Phantasie. Aber hat sie sich das wirklich nur ausgedacht?"
Als der Freund einige Tage später in den Kindergarten kommt und zu dem übereilten Schluss gelangt, dass Klaras Beschuldigung wahr sei, beruft Grethe sofort einen Elternabend ein. Sie sagt, dass es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sei. Da sie nicht wisse, ob dies der einzige Fall gewesen sei, rate sie den Eltern, auf mögliche Symptome, wie etwa Bettnässen, Kopfschmerzen und Albträume, bei ihren Kindern zu achten.
Am nächsten Morgen wird Lucas durch einen Anruf von seinem Sohn geweckt. Er sagt, dass die Mutter ihm jeden Kontakt zu seinem Vater verboten habe, weil im Kindergarten etwas Schreckliches vorgefallen sei. Lucas versucht seinen Sohn zu beruhigen, doch der weint nur und legt auf.
Lucas geht in den Kindergarten, um mit Grethe zu sprechen. Sie gibt zu, seine Frau angerufen und ihr von dem Vorfall im Kindergarten berichtet zu haben. Lucas fragt: "Von welchem Vorfall?" Er wisse schon, antwortet sie: "Von dem sexuellen Übergriff auf Klara." "Aber das ist doch absurd", entgegnet Lucas. Grethe ist das Gespräch sichtlich unangenehm. "Komm bitte nicht mehr her. Kindern kann man glauben. Die lügen nicht!", sagt sie, kehrt ihm den Rücken zu und eilt davon.
Um das vollkommen absurde Gerücht, sich vor Klara entblößt zu haben, ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, geht Lucas geradewegs zu ihrem Vater, seinem, wie schon erwähnt, besten Freund Theo.
"Wir müssen miteinander reden", sagt Lucas. "Ja, was erzählen die da?" "Das fragst du mich? Frag’ mal lieber deine Tochter!" "Du willst, dass ich Klara frage? Das erwartest du von mir?" "Ja, das musst du, Theo." "Lucas, ich kenne doch meine Tochter. Sie lügt nicht. Klara hat noch nie gelogen. Warum sollte sie es jetzt tun?" "Keine Ahnung warum, aber sie tut’s jedenfalls."
Theo, der Lucas gerne glauben möchte, es aber einfach nicht kann, fängt an zu schluchzen. Endlich sagt er: "Verdammte Scheiße!" "Ich würde deine Tochter nie anrühren. Das weißt du doch oder nicht?", fragt Lucas sichtlich verwirrt.
Nachdem Theo nicht antwortet, fragt Lucas ihn noch einmal auf den Kopf zu: "Glaubst du mir, was ich sage, oder glaubst du mir nicht?"
"Ich weiß nicht", sagt Theo schließlich. "Ich habe deine Tochter nicht angefasst. Du glaubst doch diesen Scheiß nicht." "Ich weiß nicht, Lucas. Ich weiß es nicht." "Theo!", sagt Lucas in geradezu beschwörendem Ton.
In diesem Moment kommt Agnes, Theos Frau, in die Wohnung und fragt: "Was macht der hier?" Ohne Lucas auch nur die Gelegenheit zu geben, ein Wort zu sagen, schimpft sie auf ihn ein und droht ihm, ihn zu kastrieren, falls er sich noch einmal blicken lasse.
Offenbar angesteckt von der Hysterie seiner Frau, packt Theo Lucas am Kragen, drückt ihn gegen die Wand und sagt: "Wenn du meine Tochter angefasst hast, jage ich dir eine Kugel in den Kopf."
Aufgeweckt von dem Lärm kommt nun auch die kleine Klara ins Zimmer. Als sie sieht, wie ihr Vater Lucas wutentbrannt aus der Haustür stößt, fragt sie ihre Mutter: "Seid ihr Lucas böse?" Nachdem sie keine Antwort erhält, sagt sie: "Er hat nichts getan! Ich habe bloß was ganz Dummes erzählt und alle sprechen jetzt im Kindergarten darüber."
Statt nachzuhaken, glaubt Agnes, dass Klara das Erlebnis verdrängt habe, weil es einfach zu traumatisch gewesen sein müsse.