Jason Burkett
Zeit und Leere
Jason Burkett wird 59 oder 60 Jahre alt sein, wenn er das Gefängnis verlässt. Als er die Tat beging, war er 19. Als Kind hatte er ein Neuroblastom, eine sehr schmerzhafte Krebserkrankung.
Sein Vater ist seit Jahrzehnten im Gefängnis und wird noch Jahrzehnte darin verbringen, wegen Drogen und Alkohol. Er weinte, während er Jason im Gerichtssaal verteidigte: Bitte bringen Sie meinen Sohn nicht um! Wenn Sie ihn töten, bringt das die Getöteten nicht zurück! Er hatte keine Chance. Ich war nicht für ihn da, seine Mutter war allein erziehend mit vier Kindern. So rettete er das Leben seines Sohnes.
Werner Herzog bleibt beharrlich, fragt nach. Bitte beschreiben Sie, wie es sich anfühlte, mit Ihrem Sohn im Bus vom Gerichtssaal zum Gefängnis zu sitzen, beide in Handschellen.
Sandra Stotlers Auto steht noch immer auf einem Parkplatz der Polizei, neben anderen Fahrzeugen, die offensichtlich an Verbrechen beteiligt waren, mit Schusslöchern, kaputten Fensterscheiben. Im roten Camaro war ein Baum gewachsen, ins Auto hinein, durch den Fußboden.
Warum sind sie gestorben?
Für ein Auto? Fragt die Schwester und Tochter, Lisa Stolter-Balloun. Sie hat darauf keine Antwort.
Wie leben Sie damit?
Gar nicht. Ich habe komplett dichtgemacht. Warum soll man leben? Ich muss für meine Kinder leben. Vier Jahre lang ging ich nirgendwo hin, bin nicht ans Telefon gegangen. Wenn ich niemanden an mich heranlasse, kann mir nichts mehr wehtun. Mein Leben ist leer. Wirklich leer.
Ihr Stiefvater, Bruder und der Familienhund waren kurz zuvor von einem Zug überfahren worden. Andere Familienmitglieder waren im Laufe von sechs Jahren gestorben, Onkel, Stiefbruder, Großvater. Sie verlor alle Familienmitglieder bis auf ihre Großmutter, die ebenfalls dichtgemacht hat.
Ein Hoffnungsschimmer
Melyssa Burkett ist die Ehefrau von Jason. Sie ist überzeugt davon, dass er nichts mit den Morden zu tun hat. Sie verliebte sich in ihn, bevor sie ihn das erste Mal sah. Sie hatte an seinem Fall gearbeitet. Er hatte sich auch in sie verliebt. Wegen eines Regenbogens, der das Gefängnis umspannte, als sie es nach ihrem ersten Besuch verließ, glaubt sie, er sei der Richtige, ein Zeichen.
Michael Perry vergisst manchmal, dass er nur noch ein paar Tage zu leben hat. In acht Tagen will der Staat Texas mich ermorden, sagt er. Wenn es so weit ist, wenn ich auf der Bahre liege, muss ich damit klarkommen. Er wird mit einer Giftspritze getötet.
Werner Herzog
Protokolle des Todes
Death House, Todeshaus.
Fred Allen war früher Captain des Death House Teams. Er hat mehr als 125 Menschen auf der Todesbahre befestigt, ihre letzten Stunden, Minuten, Sekunden begleitet, letzte Wünsche erfüllt, wenn er konnte. Nachdem der Arzt denjenigen für tot erklärt hat, musste er wieder hinein, die Gurte losmachen. Mitunter zweimal die Woche. Nachdem er die erste Frau, Karla Fay Tucker, begleitet hatte, sie bedankte sich bei ihm für alles, was er für sie getan hatte, konnte er nicht mehr. Als die Nachricht ihrer Hinrichtung im Fernsehen kam, begann er zu zittern, zu schwitzen, zu weinen, es tat weh. Er erinnerte sich an sie. Dann begann er, sich an die anderen Gefangenen zu erinnern, ihre Augen, an einen nach dem anderen. Sein Leben veränderte sich. Niemand hat das Recht, das Leben eines anderen zu nehmen, sagt er. Auch nicht, wenn es Gesetz ist. Und es ist so einfach, das Gesetz zu ändern.
Lisa Stolter-Balloun, die Schwester und Tochter ist froh, dass sie bei der Hinrichtung war. Ein großes Gewicht wurde von ihr genommen, ihr Herz tat weniger weh. Er sieht aus wie ein Junge, dachte sie. In ihrem Kopf hatte sie aus ihm ein Monster gemacht. Er sieht aus wie ein Junge auf der Todesbahre.
Er sagte, er vergebe ihnen, seine letzten Worte.
Sie wollte niemanden sterben sehen, sie weinte.
Sie hörte seine Mutter weinen.
Nach der Injektion schnappte er viermal nach Luft. Dann war er tot. Es war vorbei.
Ihr würde vielleicht eine jahrzehntelange Strafe reichen. Aber einige Leute verdienen es nicht zu leben.