Pressekonferenz

Grundrechte für die Großen Menschenaffen

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Fotos: © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) In den letzten Wochen hat sich erfreulicherweise wieder einiges für den Schutz der Tiere getan. Colin Goldner veröffentlichte sein Buch “Lebenslänglich hinter Gittern”. Das Bundesministerium das “Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren”. Und die Giordano-Bruno Stiftung legte eine Petition beim Bundestag ein , in der sie Grundrechte für Große Menschenaffen fordert und hielt eine gutbesuchte Pressekonferenz über diese Thematik ab.

Zu den Großen Menschenaffen zählen Orang Utan (Pongo pygmaeus), Gorilla (Gorilla gorilla), Bonobo (Homo paniscus) und Schimpanse (Homo troglodytes). Sie sind die engsten Artverwandten der Homo Sapiens und alle zusammen gehören zu der Überfamilie der Hominoidea, also Menschenartigen. Alle innerhalb dieser Gruppe haben sehr hohe genetische Übereinstimmungen, eine ähnliche Empfindungsfähigkeit und besitzen alle ein Selbstbewusstsein. Naturwissenschaftlich besehen ist es daher unhaltbar, überhaupt noch zwischen Menschen und Menschenaffen zu unterscheiden.

Colin Goldner
Colin Goldner

Moralisch besehen ist es deshalb aber schreiendes Unrecht, fühlende Wesen ein Leben lang in Zoos, hinter Panzerglas und Elektrozäunen, gefangen zu halten und somit ihres Lebens zu berauben. Ob hoch entwickelt, dem Menschen ähnlich oder nicht. Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins sagte einmal, dass wir Menschen zwar zugeben, den Menschenaffen zu ähneln, aber das wir nur sehr selten erkennen würden, dass wir Menschenaffen sind. Dies wiederum sind wissenschaftliche Fakten, die von den meisten großen Religionen nicht so wahrgenommen werden. Da sich der gemeinhin religiöse Mensch als Ebenbild Gottes wahrnimmt oder als “Krone der Schöpfung” versteht und daraus den Anspruch ableitet, die Mitwelt beherrschen zu können, ist der Einsatz für Tierrechte auch immer ein Kampf für die Befreiung von religiösen Erscheinungsformen.

Dieser Verflechtung von Religionen und Tierschutz geht auch Colin Goldner in dem ersten von 6 Kapiteln in seinem Buch nach. Er beginnt hier aber nur mit der Kulturgeschichte von Mensch und Menschenaffe, gefolgt von den rechtlichen Grundlagen, um dann die Geschichte der Einrichtung und das heutige Selbstverständnis des Zoos ausgiebig zu beleuchten. Anschließend erfährt der Leser von den erschreckenden Ergebnissen seiner Rundreise durch fast 40 deutsche Zoos. Im letzten Kapitel beschäftigt sich Goldner mit der Frage nach der Zukunft und den Zielen des Great Ape Projects, also auch welche Schritte bzw. Maßnahmen nun zu ergreifen seien.

Laura Zimprich
Laura Zimprich

Der Berliner Zoo beispielsweise beherbergt 20.000 Tiere und hat gerade mal 2 Zootierärzte. Zudem müssen die Veterinärmediziner noch nicht einmal die Weiterbildung “Facharzt für Zoo-, Gehege- und Wildtiere” besitzen, um für einen Zoo zu arbeiten. Auch dringend verbesserungswürdig wäre der Umstand, dass Zoos personell generell unterbesetzt sind. Der durchschnittliche Tierpfleger verbringt 70–80 Prozent seiner Arbeitszeit mit der Zubereitung von Nahrung und der Käfig- und Gehegereinigung. Zeit für die Tiere bleibt dabei einfach auf der Strecke.

Alleine in Deutschland werden ca. 400 Große Menschenaffen in Gefangenschaft gehalten. Dabei können sie vorausschauend denken und planen, sie fühlen und sie benutzen Werkzeug. Sie fristen ihr Dasein unter unwürdigen Umständen, gänzlich ihres Lebens, ihrer Freiheit und Selbstbestimmung beraubt. Goldner hat ca. 600 Stunden in verschiedenen Affenhäusern von 38 Zoos verbracht und kommt zu der Erkenntnis, dass jeder zweite Große Menschenaffe in den Zoos Verhaltensauffälligkeiten aufweist.

Michael Schmidt-Salomon
Michael Schmidt-Salomon

Die Hoffnung, dass sich wenigstens einige Umstände für bestimmte Tiere zum Besseren wenden, wurde durch das neue Säugetiergutachten[1] nicht wirklich bestärkt. Nach fast 20 Jahren und einer mehrjährigen Überarbeitungszeit, gibt es seit dem 07.05.2014 ein neues “Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren” – kurz, Säugetiergutachten. Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichte Papier soll dazu dienen, die Maßgaben des §2 TierSchG zu konkretisieren. Die dazu einberufene Sachverständigengruppe bestand aus 3 Vertretern vom Tierschutz, 3 Vertretern der Zoos, 5 weiteren Experten und einem Vertreter des Bundesumweltministeriums.

Die beteiligten Tierschutzverbände sehen das Ergebnis dieser dreijährigen Überarbeitung eher negativ. Laut Laura Zimprich von animal public e.V. bleibt Deutschland mit diesen Mindestanforderungen bei vielen Tiergruppen im internationalen Vergleich deutlich zurück. Die drei Tierschutzvertreter unterzeichneten das Säugetiergutachten daher nur mit dem Verweis auf ein entsprechend ausführliches Differenzprotokoll. So sieht man trotz einigen Verbesserungen, dass der Schutz der Tiere den wirtschaftlichen Interessen der Zoovertreter geopfert wurde. Wissenschaftlich fundierte, wesentliche Empfehlungen und wichtige Anregungen blieben unberücksichtigt, so Laura Zimprich. Darüber hinaus übten die Vertreter des Verbands Deutscher Zoodirektoren während der Überarbeitung des Säugetiergutachtens massiven Druck aus. Der finanzielle Aspekt, also konkret die Kosten für Um- oder Neubauten, stand wie immer insbesondere im Fokus. Bisher siegte auch hier immer wieder die falsche Annahme, dass menschliche (und finanzielle) Interessen wichtiger seien als tierische.