Wann haben Sie zum ersten Mal von der Auferstehung gehört?
Als ich im folgenden Jahr erneut zum Passah-Fest nach Jerusalem zurückkehrte, erfuhr ich, dass einige Jesus-Anhänger sich als Sekte konstituiert hatten und eine Auferstehungslegende verbreiteten. Die Auferstehung stellte man sich aber als jenseitig vor. Man glaubte Jesus sei bereits bei Gott und artikuliert sich durch Visionen und Träume, während andere nach dem Tod auf das Weltende und das Jüngste Gericht warten müssen. Von einem leeren Grab oder gar einem reanimierten Leichnam, war überhaupt keine Rede. Dies ist bereits spätere Legendenbildung.
So wird es auch von heutigen Hochschultheologen gesehen.
Sie wurden nach zehn Jahren von ihrem Amt abberufen. Man hat ihnen vorgeworfen das Blutbad bei dem Berg Garizim verschuldet zu haben.
Dort hat sich ein Heer von Samaritern versammelt, welches auf das Erscheinen ihres Messias wartet. Ich hatte das Gewaltmonopol des Staates zu wahren, von dem der innere Friede abhängt. Daher konnte ich keine bewaffneten Zusammenrottungen dulden.
Aber ihr Vorgesetzter Vitellius, der Legat von Syrien, hat Sie suspendiert und ein Jahr später auch den Hohepriester Kaiphas ersetzt.
Die Delegierten der Samariter haben Vitellius tüchtig eingeheizt. Er hatte den Eindruck, ich hätte dem Gemäßigten mehr Zeit für ihr Bemühen um eine friedliche Selbstauflösung geben können. Ich sollte mich in Capri vor Tiberius rechtfertigen. Dazu kam es nicht mehr, weil dieser starb. Anschließend hielt man es für sinnvoll die Spitzenämter neu zu besetzen um für frischen Wind zu sorgen. Ich und Kaiphas galten als verbraucht und so fühlten wir uns auch. Auch die Fürsten von Galiläa und Gaulanitis wurden ersetzt.
Wie ging es dann mit Ihnen weiter?
Ich wurde in den Senatorstand und den Senat selbst aufgenommen und starb knapp dreißig Jahre später.
Welche religiösen Überzeugungen hatten Sie selbst?
Als rittergebürtige Römer erhielt ich natürlich eine philosophische Bildung. Ich selbst fühlte mich als Skeptiker. Weder Religionen noch naturphilosophische Systeme konnten die Welt zuverlässig erklären. Daher sollte man dem Volk auch nicht seine etablierten religiösen Hoffnungen auf göttliche Hilfe und Unsterblichkeit nehmen, solange es sich nicht um betrügerischen Aberglauben handelte.
Ihr Zeitgenosse der stoische Philosoph Seneca befand: Die Religion ist dem gemeinen Manne wahr, dem Weisen töricht und dem Herrschenden nützlich.
Jedenfalls hatten wir es nicht nötig, dem Volk eine jenseitsvertröstende Religion zu verordnen, wie es später die christlichen Herrscher gemacht haben. Die in unseren höheren Bildungsschichten dominierende stoische Philosophie lehnte die Unsterblichkeit der Seele überwiegend ab. Meiner Ansicht nach ist eine Regierung umso weniger am Wohlergehen der Menschen auf Erden interessiert, je mehr sie sich um deren Seelenheil im Jenseits kümmert. Es ist wohl kein Zufall, dass ausgerechnet die Kaiser, die dreihundert Jahre nach meiner Zeit jenes despotische System installierten, welches eure Gelehrten als spätantiken Zwangsstaat bezeichnen, überwiegend den Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion forcierten.
Wir hielten natürlich die traditionellen Riten des alten Götterglaubens ein. Wir betrachteten fremde Götter als die eigenen, unter anderem Namen. Jupiter war Zeus und Jahwe in einer Person. Wenn die Juden nur Jupiter verehren wollten und zwar unter dem Namen Jahwe, dann sollten sie das tun. Des Weiteren identifizierten wir diese höchste universelle Gottheit mit dem, von der Philosophie postulierten, Urgrund aller Dinge; also mit der Allnatur oder der Weltseele, wie manche sagten. Oft begnügte man sich einfach mit dem Begriff „Gott“. Auch der jüdische Gott Jahwe wurde mit einem jährlichen Opfer des Kaisers im Tempel von Jerusalem geehrt. Die Priesterschaft hat dies anstandslos angenommen. Ich persönlich lehnte für mich den Gedanken eines willkürlichen göttlichen Eingreifens ab und postulierte, im Einklang mit der Philosophie, die naturgesetzliche Bedingtheit der Ereignisse. Auch den Gedanken einer Unsterblichkeit der Seele lehnte ich ab.
Finden Sie die Kreuzigung Jesu heute noch richtig?
Natürlich nicht. Ich bin zutiefst entsetzt, über den Aufstieg jener primitiven Religion, die sich auf meinen Delinquenten beruft, die das Reich übernahm und die Welt in den Abgrund stürzte. Es hat Jahrhunderte gedauert bis unser kulturelles Erbe wieder gepflegt wurde und zu eurer glorreichen Epoche beitragen konnte. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als dass dieser Mann nicht hundertjährig im Bett gestorben ist. Ich hätte ihn erst auspeitschen und dann laufen lassen sollen.
Wenn ich bedenke, dass ihr wieder in Republiken lebt, die große befriedete Territorien umfassen, so wird mir klar wie leichtfertig wir damals unsere republikanische Tradition aufgegeben haben. Hätten wir ein System entwickelt, welches die Vorzüge der Republik, wie Gewaltenteilung und bürgerrechtliche Standards, mit den Vorzügen des Kaiserreiches (Befriedung, zunehmende Bürgerrechtsverleihung) verbunden hätte, dann wäre dieser spätantike Zwangsstaat vielleicht nicht entstanden und das Christentum in Vergessenheit geraten.
Deshalb mein Rat an euch: Seht zu, dass ihr es besser macht als meine Generation. Ihr habt mehr Möglichkeiten als wir. Wenn ihr versagt, wird das Urteil der Nachwelt härter ausfallen und das mit Recht.
Gaius Pontius Pilatus, Senator, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Die "Fragen" stellte und "Antworten" gab Jochen Beck.