Humanistentag 2014

Wie wollen wir leben?

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Fotos: © Evelin Frerk, Frank Nicolai

REGENSBURG. (hpd) In diesen Tagen treffen sich in Regensburg neben vielen Katholiken auch eine etwas kleinere Schar Konfessionsfreier. Zwischen der nachgeholten Rede von Sonja Eggerickx und Gunkl’s scharfen Worten ging es am zweiten Tag des Humanistentages vor allem um die Trennung von Staat und Kirche.

Der zweite Tag stand ganz unter dem Motto “Religionskritik sowie die Trennung von Staat und Kirche”. Doch zu Beginn hielt Sonja Eggerickx ihre für den vorherigen Abend geplante Grußadresse. Der Text dieser hervorragenden Rede und das Video davon werden im hpd veröffentlicht.

Sepp Rothwangl von den österreichischen Freidenkern begann mit einem Vortrag darüber, weshalb wir und wie unsere Tage, Wochen, Monate und Jahre errechnen. Und - das brachte den Einen oder Anderen Zuhörer zum Staunen - wie viel das mit Religionen zu tun hat; vorrangig mit der christlichen. Er fragte: “Warum und wie manipulierten die frühen Christen die Zeitrechnung und haben sie auf Grund von Weltuntergangsphantasien und alten Weltanschauungen nach tatsächlichen Gestirnskonstellationen ausgerichtet? Und was ist überhaupt ein Kalender und wie funktioniert er?” Er beantwortete diese Fragen und endete damit, dass wir unsere Zeit nach einem Weltuntergangskalender einteilen.

“Braucht der Staat die Religion?” fragte Prof. Dr. Ebert. Kern seines Vortrages war das (bekannte) Böckenförde-Diktum “Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann” auf das er seine Gegenargumentation aufbaute. Er zeigte, dass in einem Staat, in dem über ein Drittel der Bürger/innen keiner der beiden großen christlichen Konfessionen angehört, diese Frage so überhaupt nicht mehr gestellt werden darf. Zudem - so Dr. Ebert - es überhaupt in Frage zu stellen wäre, welche Religion gemeint ist; denn auch Deutschland ist nicht mehr ein “nur-christliches” Land.

Der aktuelle Papst wird in den Medien als Mann der Reformen vorgestellt. Das jedoch sei alles Show und nur ein mediales Großereignis sagte Prof. Dr. Hubertus Mynarek in seinem Vortrag. Dass der neue Papst sich den Namen Franziskus gab, sieht er als “eine Frechheit” an und stimmt damit den Franziskanern bei. Denn Franziskus ist Jesuit und damit jemand, der durch die härteste Schule der katholischen Kirche ging. Sein Vorgänger, Benedikt XVI., hatte mit diversen Reden und Handlungsweisen das Schiff der Kirche schon fast komplett auf Grund gesetzt. Darum musste er, nicht bloß wegen seiner Altersschwäche, unbedingt abtreten und dem cleveren Jesuiten seinen Platz überlassen. Und dieser - so Mynarek - sei alles andere als Reformer. Aber ein hervorragender Publicity-Mann.

Luise Gutmann, Vorsitzende der VVN-BdA in Regensburg, sprach über die Sarrazin-Affäre und die Auseinandersetzung dazu zwischen dem Antirassismusauschuss und der Bundesregierung. Der Ausschuss kam zu dem Schluss “dass das Versäumnis einer effektiven Untersuchung…durch den Vertragsstaat… eine Verletzung der Konvention darstellt.” (Communication 47/2010) Gemeint war damit, dass es ein Versäumnis Deutschlands in dessen Justizministeriums war, dass die Staatsanwaltschaft Berlin die Klage des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB) gegen Thilo Sarrazin wegen Volksverhetzung ablehnte.

Am Nachmittag standen Fragen nach dem Glauben auf dem Programm. Heinz Koop, Freidenker und Atheist aus Ulm/Neu-Ulm setzt einen deutlichen Punkt: Er selbst habe am Christentum kein spirituelles, sondern ein eher kulturelles und politisches Interesse und sieht es nicht als seine Aufgabe an, zu werten, sondern Fragen den bisherigen Antworten gegenüberzustellen. Über den Ursprung des Christentums liegen keine stichhaltigen Informationen vor, was auch daran liegt, dass es keine Möglichkeit der Überprüfung gibt.
Der Referent greift eine 1778 von Gotthold Ephraim Lessing gestellten Frage: “Wenn die biblischen Schriften und zumal die Evangelien so viele Märchen und Sagen, so viel Lug und Trug enthalten, wie hat sich dann aus diesem sumpfigen Untergrund die weltgeschichtliche Erscheinung des Christentums entfalten können?” Egal jedoch, wie man zum Christentum steht, auf jeden Fall muss man es als eine der gigantischsten Erscheinungen der uns bekannten Menschheitsgeschichte anerkennen.
Glauben ist etwas Grundsätzliches, etwas Persönliches. Der Anspruch der Kirche, sie würde zwischen Gott und Mensch eine Zwischenstation sein, wird als Anmassung zurückgewiesen findet in der sich anschliessenden Diskussion ebenso wenig Anerkennung wie die Idee, es könne einen Alleinanspruch auf Gutsein für gläubige Menschen geben. Allein der Gedanke regt die Diskussion der Teilnehmer an.

Peter Henkel hat in mehreren glaubenskritischen Büchern, darunter “Irrtum unser! oder Wie Glaube verstockt macht” und ein als Buch erschienener Briefwechsel mit Norbert Blüm einen kritischen Blick auf die christliche Religion geworfen. Und kommt zu diesem wenig originellen, aber doch viel zu selten öffentlich ausgesprochenen und mit vielen Argumenten untermauerten Befund: “Eigentlich ist die Sache ganz einfach: So etwas wie Gott gibt es nicht. So etwas wie Gott gibt es nur als Gedachtes, als Eingebildetes in den Köpfen von Menschen.” Er wies anhand von Zitaten von Kardinal Marx nach, dass zum einen die christliche Religion wie aus der Zeit gefallen vorkommt. “Die Religionen sind ein Produkt der Evolution. Doch die Evolution geht weiter; wir sind mittendrin.”

Das Tagesende wurde mit klassischem Gesang eingeleitet: Regina Klatte interpretierte mit wundervoller und klarer Stimme Lieder von Robert Schumann, begleitet von Walter Reckziegel am Klavier. Nach den anstrengenden Themen und Diskussionen war das der Ruhepol des Tages.

Ganz anders bei Günther “Gunkl” Paal, der dem hpd sagte: “Humoristen sind in Wahrheit privat depressive Menschen” und dann eine gute Stunde das Publikum begeisterte mit Sätzen wie: “Ich bin sicher, dass Kampftaucher privat alle Nichtschwimmer und wasserscheu sind, Sommeliers im Grunde ihres Herzens hysterische Abstinenzler, Philosophen sind privat komplette Vollidioten und Schriftsteller sind, wenn keiner zuschaut, Analphabeten.”

 

Fotos des zweiten Tages auf den Folgeseiten.

 

Sonja Eggerickx

 

Sepp Rothwangl

 

Gerhard Rampp, Theodor Ebert

 

Hubertus Mynarek

 

Luise Gutmann

 

Heinz Kopp

 

Peter Henkel

 

Regina Klatte und Walter Reckziegel

 

Günter Paal (Gunkl)