(hpd) Jan Künzl nimmt in seiner Studie “Islamisten – Terroristen oder Reformer? Die ägyptische Muslimbruderschaft und die palästinensische Hamas” einen Vergleich der im Untertitel genannten Organisationen vor. Dabei werden viele Unterschiede angesichts der unterschiedlichen historisch-politischen Rahmenbedingungen deutlich, wobei der Autor bei der Analyse aber noch etwas systematischer hätte vorgehen können.
Die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden von zwei oder mehreren Phänomenen – also der systematische Vergleich – ist eine Methode, die erst die Erkenntnis von Besonderheiten eben eines spezifischen Untersuchungsobjektes ermöglicht. Insofern geht es hierbei auch um ein Analyseverfahren und nicht um Gleichsetzungen. Mitunter machen dann auch Vergleiche die Differenzen von ähnlichen Phänomen erst richtig deutlich. Dies gilt auch für den “Islamismus”, also Bewegungen, die im Namen des Islam eine politische Ordnung etablieren wollen. Jan Künzl nimmt in seiner Studie “Islamisten – Terroristen oder Reformer? Die ägyptische Muslimbruderschaft und die palästinensische Hamas” eine solche Betrachtung vor. Gleichsetzung und Vergleich verwechselnd bemerkt er indessen: “Wegen der völlig unterschiedlichen Bedingungen, unter denen die beiden Organisationen existieren, ist ein Vergleich zwischen ihnen wenig sinnvoll” (S. 12). Indessen liefert das von Künzl präsentierte Material gerade eine Basis für eine komparative Betrachtung.
Das Buch fragt aber zunächst nach dem richtigen Begriff, um die komplexe und vielschichtige Bewegung des “politischen Islam” terminologisch zu erfassen. Der Autor entscheidet sich für “Islamismus”, macht dabei aber auch folgendes deutlich: Der Begriff könne, “wegen der Vielschichtigkeit des Phänomens, nur als Oberbegriff für eine Zahl zu präsentierenden Untergruppen dienen” (S. 19). Demnach bedürfe es einer weiteren Typologie, die unterschiedliche Erscheinungsformen des “Islamismus” unterscheidet.
Nach einem Überblick zur ideengeschichtlichen Entwicklung dieses politischen Lagers und kurzen Betrachtungen zu Unterscheidungsformen in der bisherigen Fachliteratur plädiert Künzl für eine Unterteilung in “neofundamentalistische, reform-islamische und jihadistische Gruppen” (S. 64). Die Erstgenannten setzten auf eine Verbreitung ihrer Ideen auf missionarischem Weg, die reform-islamischen Strömungen würden über Parteipolitik nach der Macht streben, und die letztgenannten Gruppen wählten den bewaffneten Kampf als Strategie
Nach diesem theoretischen folgt ein empirischer Teil, worin der Autor die “Muslimbruderschaft” und die “Hamas” untersucht. Dabei geht er jeweils auf die historisch-politische Entwicklung ein, beschreibt die Organisationsstruktur und behandelt die politische Programmatik. Zur “Muslimbruderschaft” heißt es dann: “Die MB, vor allem in ihrer aktuellen Form, lässt sich relativ reibungslos in die Gruppe der Reform-Islamisten einordnen. Hinsichtlich ihrer ideologischen Grundlagen lassen sich immer noch Bezüge zum Reformislam erkennen … Von der quitbistischen Ideologie hat sich die MB plausibel distanziert und bekennt sich zur Gewaltfreiheit” (S. 95). Und über die Hamas bemerkt Künzl: “Vieles spricht dafür, die Hamas in die Gruppe der Reform-Islamisten einzuordnen. Sie bezieht sich eindeutig auf die organisatorische und ideologische Abstammung von der ägyptischen Mutterorganisation. … Problematisch ist das starke Bekenntnis der Hamas zur Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung …” (S. 122).
Entgegen des etwas schiefen Verständnisses des Autors von der Methode des Vergleichs macht seine Betrachtung gerade differenziert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden islamsitischen Organisationen deutlich. Darin besteht auch das Verdienst der Studie. Indessen hätte eben diese Fragestellung zu Beginn methodisch noch stärker zugeschnitten werden können. Auch wäre die Entwicklung eines einschlägigen Analysekatalogs dafür hilfreich gewesen. So geht Künzl zwar zutreffend auf Aspekte wie Geschichte, Organisationsform und Programmatik ein. Die Erweiterung und Systematisierung der damit eingenommenen Perspektive hätte aber noch ein genaueres Bild der beiden Organisationen aus der Perspektive der “Islamismus”-Forschung ergeben. Irritierend ist darüber hinaus, dass die Darstellung und Erörterung nach der Behandlung der “Hamas” abrupt abbricht, ein systematisches Abwägen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden demnach fehlt und es keine zugespitzte Bilanz hinsichtlich der erkenntnisleitenden Fragestellung gibt.
Jan Künzl, Islamisten – Terroristen oder Reformer? Die ägyptische Muslimbruderschaft und die palästinensische Hamas, Marburg 2008 (Tectum-Verlag), 160 S.