Notizen aus Polen

Jesus: Der Hüter des Herzens

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Christus-König-Statue in Świebodzin
Christus-König-Statue in Świebodzin

POLEN. (hpd) Im April wurde der Initiator des größten Jesus der Welt, Sylwester Zawadzki, in Świebodzin auf einem Friedhof beigesetzt. Laut wurde es um die Beisetzung des Priesters, als sein Herz im Mai am Fuße des Jesus in einer feierlichen Zeremonie begraben wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, doch scheinen einige Bewohner noch im tiefsten Mittelalter zu leben.

Dieses ist eine Geschichte, die so mancher in Deutschland kaum glauben wird. Doch sie hat sich tatsächlich so oder so ähnlich ereignet. Im Spätherbst 2013 besuchte ein Team des hdp, bestehend aus Carsten und Evelin Frerk und mir, den größten Jesus – offiziell Christus-König-Statue – der Welt. Die Statue steht nur wenige Kilometer hinter der Grenze in Świebodzin (deutsch Schwiebus genannt), in der Nähe von Frankfurt Oder.

Wir sprachen mit dem örtlichen Priester, Zygmunt Zimnawoda, der die Pfarrgemeinde betreut, die zur großen weißen, über allem ragenden Statue gehört. Stolz berichtete Zimnawoda von den vielen ausländischen Touristen und Pilgern, die jedes Jahr den Weg in die 20-Tausend-Seelen-Gemeinde finden, seitdem der Jesus da steht. Auch hatte der Stellvertreter des Bürgermeisters, Krzystof Tomalak, Zeit für uns gefunden, um einige warme Worte über den Initiator des imposanten Denkmals der Christentums, Priester Sylwester Zawadzki, zu sagen. Die Stadt errichte aus Dankbarkeit einen großen Parkplatz vor dem Jesus und sei generell der Kirche zugeneigt. Man sei sehr froh über die Statue, vor der sich die Einwohner der Stadt zu allen möglichen Festen und Feierlichkeiten versammeln würden. Sylwester Zawadzki, damals schon schwer erkrankt, lag in einem Krankenhaus in Świebodzin. Wir konnten nicht mit dem im Jahre 1932 unweit von Warschau geboren Priester sprechen, auch hätte es wohl später keine Gelegenheit mehr gegeben. Denn Zawadzki starb einige Monate später – am 14. April 2014 – in dem Krankenhaus. Kurz darauf wurde er unter Anwesenheit von Geistlichen aus ganz Polen sowie einigen polnischen Bischöfen beigesetzt.

Zawadzkis letzter Wille

Und hier beginnt die unglaubliche Geschichte. Laut Zeitungsberichten soll das Herz des verstorbenen Priesters während der Autopsie von seinem Leib getrennt worden sein – und das in Einklang mit seinem letzten Willen. Offenbar war es der Wunsch des Geistlichen, für immer bei seinem Kunstwerk, bei seinem Jesus zu liegen. Deswegen legte er im Testament fest, dass sein Herz unter dem großen Jesus beerdigt werden soll.

Auf Drängen der Angehörigen wurde dann auch das Herz fast einen Monat nach der Beerdigung, am 9. Mai, in einer feierlichen Zeremonie unter dem Jesus begraben. Biskup Stefan Regmunt segnete dabei das Grab des Herzen (hier einige Bilder der Beisetzung). Dieses geschah ohne Zustimmung der dafür zuständigen Behörden. Denn in Polen ist die Beisetzung nur auf Friedhöfen oder in einer Krypta in der Kirche zulässig; eine Ausnahmegenehmigung kann nur der zuständige Minister gewähren.

Geteilte Meinung in Świebodzin

Die Beisetzung des Herzen hat geteilte Reaktionen in der Bevölkerung ausgelöst. Einige Einwohner von Świebodzin sind der Meinung, man müsse den letzten Willen beachten. Außerdem schade die Beisetzung niemandem. Auch sei Zawadzki eine herausragende Persönlichkeit des Ortes, da er die Stadt in aller Welt bekannt machte. Andere Einwohner halten die Beisetzung für Irrsinn. Demnach sei das Herz nur ein Stück Körper, das unter dem Jesus verrotten werden. Deswegen habe die Verortung dessen unter der Statue auch keine Bedeutung.

Priester Zimnawoda, der die Kirchengemeinde nach dem verstorbenen Priester Zawadzki übernahm, erklärte gegenüber den Medien, alles sei bei der Beisetzung des Herzen am 9. Mai gesagt worden. Darüber hinaus sei alles in Ordnung und für weitere Auskünfte sei die Staatsanwaltschaft zuständig. Und ein anderer Priester sagte in einem Interview, dass die Kirche schon immer eine Affinität zu Reliquien haben würde, die sich unter anderem in vielen Kirchen befinden. Die Unterbringung Zawadzkis Herzen unter der Jesus-Christus-Statue zeige lediglich, dass man dieses Verständnis in der örtlichen Gemeinde etwas weitere gefasst habe.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Nach Medienberichten über die Beisetzung des Herzen begann die örtliche Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Für ein solches Vergehen drohen immerhin bis zu zwei Jahre Haft. Bei den Ermittlungen werden zwei Tatbestände überprüft: Zum einen die Trennung des Herzen vom Körper und zum anderen die illegale Bestattung unter dem Jesus. Ewa Grześkowiak von der örtlichen Staatsanwaltschaft erläuterte in den Medien, dass es keinen Präzedenzfall geben dürfe, der durch das Handeln der Kirche entstehen könnte. Denn sonst könnte jeder sich wünschen, dass seine Überreste am Lieblingsort oder im Park begraben werden würden. Dieses dürfe man nicht zulassen.

Doch die andauernden Ermittlungen ziehen sich in die Länge. Ende Mai bat die örtliche Staatsanwaltschaft ihre übergeordnete Stelle darum, den Fall einer anderen Staatsanwaltschaft zuzuweisen, denn man wolle jeden Anschein der Parteilichkeit vermeiden.

Ermittlungsergebnisse sind bisher nicht in Sicht und scheinen noch in weiter Ferne.

Tiefstes Mittelalter

Die Beisetzung des Herzens macht deutlich, dass sich nur wenige Kilometer hinter der deutschen Grenze einige Menschen noch im tiefsten Mittelalter befinden. Die Gottesanbetung, Reliquien und ähnliches scheinen einen höheren Status zu genießen, als das weltliche Recht. Daher braucht man sich daran nicht zu halten. Und das ist kein Einzelfall, sondern gelebte Realität jenseits Oder und Neiße. Gut ist allerdings, dass Medien den Fall aufgriffen und staatliche Stellen dazu bewegten, Ermittlungen einzuleiten. Die Medienberichte zeigen auch, dass ein Teil der Bevölkerung das Handeln der Kirche nicht akzeptiert. Langsam befreit sich die Polen aus den klerikalen Fängen, auch wenn Gegenströmungen diesen Prozess erschweren.