Studie: Missbrauch im Bistum Hildesheim

Alles, was zählte, waren Machterhalt und Täterschutz

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Noch immer ist eine Straße in Hildesheim nach Bischof Heinrich Maria Janssen benannt.
Bischof-Janssen-Straße in Hildesheim

Vergangene Woche wurde der Abschlussbericht zur Untersuchung sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim während der Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen an Jens Windel von der Betroffeneninitiative-Hildesheim und den derzeitigen Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer übergeben. Was die Betroffeneninitiative von dem Papier hält, hat sie in einer ersten Einschätzung zusammengefasst.

Der Abschlussbericht der Expertengruppe zum Projekt "Wissen Teilen" zeigt deutlich die eklatanten Missstände im Umgang mit den Verbrechen, die Priester während der Amtszeit von Bischof Janssen begangen haben. Für die Betroffenen ist es eine große Herausforderung, diese Studie mit all ihren kaltherzigen und abgründigen Details zu lesen. Wieder einmal zu lesen, mit welch perfider Grausamkeit die Täter vorgegangen sind und gleichzeitig – wieder einmal – die Gleichgültigkeit der Verantwortlichen der Kirche gegenüber den Betroffenen bestätigt zu bekommen.

Einzig und allein zählte der Machterhalt und der Täterschutz, den die Institution Kirche über das Wohl der Opfer stellte, und der unerschütterliche Wille, Sexualität und sexuelle Gewalt zu tabuisieren. Die Opfer kamen im Denken und Handeln der damaligen Bistumsleitung gar nicht vor, Täter aber wurden aktiv geschützt – kein Mittel wurde dafür ausgelassen, vom aktiven und passiven Unterdrücken, Täuschen und Vertuschen über zielgerichtetes Manipulieren bis hin zu unterschwelligem Drohen.

Erschreckend auch, dass der Bericht mit all seinen Grausamkeiten kaum mehr überraschen kann – etliche der anonymisiert vorkommenden Betroffenen haben sich in der Vergangenheit an die Betroffeneninitiative gewandt und von ihrem Leid, aber auch vom Schweigen oder Abwiegeln der Verantwortlichen berichtet.

Häufig wussten die Personalverantwortlichen um die Neigungen der Täter und Tatverdächtigen, mitunter hatten diese ihre Taten sogar zugegeben, saßen in Haft und warnten das Bistum vor weiteren Übergriffen. Und dennoch blieben sie im priesterlichen Dienst und wurden versetzt – in andere Pfarrgemeinden, andere Bistümer oder sogar ins Ausland. Alles, um die Taten zu verheimlichen und die Täter und die Institution der katholischen Kirche zu schützen.

Hilfe erhielten die Täter – organisatorisch, notfalls psychologisch, fast immer finanziell; die Opfer wurden mit den Folgen der Verbrechen allein gelassen – mit ihren Traumata, ihren lebenslangen Ängsten, ihrer Unfähigkeit, ein normales Leben zu führen.

All das war möglich, weil es die katholische Kirche so wollte. Es wurden Akten vernichtet, Verantwortliche schweigen und handeln nach "bestem Wissen und Gewissen" – bis heute!

Hier muss der eingeschlagene Weg der Aufarbeitung dringend weiter beschritten werden. Der Bericht kann nur ein Anfang und ein (erneuter) Anlass dafür sein, dass einerseits die Betroffenen gehört und unterstützt werden und andererseits, dass die Verantwortungsträger, die heute noch leben und zum Teil noch ihren Dienst in der Kirche versehen, Konsequenzen aus ihrem Nicht-Handeln oder Falsch-Handeln ziehen und damit ihrer Verantwortung gerecht werden. Das sind sie den Opfern schuldig!

Zu erinnern bleibt daran, dass es in Hildesheim bis heute eine "Bischof-Janssen-Straße" gibt und sich seine Grablege seit der Domrenovierung in der Bischofsgruft befindet. Hier sind Bistum und insbesondere auch die Stadt Hildesheim gefordert, diesen posthumen Ehrungen vor dem Hintergrund der menschenverachtenden Haltung des Geehrten ein Ende zu setzen.

Jens Windel
Nicole Sacha
Christiane Kurpik
Norbert Thewes

Der Abschlussbericht der Expertengruppe zum Projekt "Wissen Teilen" findet sich hier.


Hinweis der Redaktion: In einer vorherigen Version des Textes hieß es, der Bericht sei an Bischof Michael Gerber übergeben worden, dies haben wir am 23.09.2021 um 9:00 Uhr korrigiert.

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